Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter – 2020

Das Belvedere Research Center richtete von 9. bis 10. Jänner 2020 die internationale Konferenz Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter – 2020, mit Fokus auf die digitale Transformation in Kunstmuseen aus und rückte die historische Genese des Digitalen im Museum, beginnend bei den analogen Vorläufern bis hin zur postdigitalen Ära, in den Mittelpunkt der Debatte.

„Das Digitale ist schon längst da. Das Kunstmuseum ist aber noch nicht im Digitalen.“ (Holger Simon)

Die Themen der zweitägigen Veranstaltung waren vier Sektionen zugeordnet: „Museum ohne Mauern“, „Konzepte des Partizipativen“, „Visualisierung digitaler Sammlungen“ und „Vernetzung digitaler Bestände“. Sie wurden in insgesamt sechzehn Vorträgen von Expert*innen verhandelt. Gerahmt wurde die Konferenz von einem Keynote-Vortrag und einer Podiumsdiskussion.

Im Keynote-Vortrag mit dem Titel „Vom Musentempel zum postdigitalen Museum. Ein Labor für die nächste Gesellschaft“ von Holger Simon*1 *(1) wurde zum einen die Entwicklung der Museen nachgezeichnet, zum anderen wurden gegenwärtige Chancen und Herausforderungen skizziert. Das postdigitale Museum sei, so Simon, sehr wohl noch als ein Ort der Anschauung von Komplexität, aber auch als Erfahrungsort für Instantaneität sowie als Experimentierfeld für Plattformen und Interfaces aufzufassen.

In der einführenden Illustration des Keynote-Vortrages wurde eine Straßenszene gezeigt (siehe Titelbild), bei der Autos und Fußgänger*innen in ungeordneter und chaotischer Art und Weise ihre „Richtungen“ zu finden versuchten. Das Bild verdeutlichte Simons Beobachtung, dass es derzeit bereits Museen gebe, die ihre Richtung sehen und auch verfolgen, aber auch solche, die ihren Weg noch suchen würden, sich erst mit den digitalen Gegebenheiten und Modalitäten zurechtfinden müssten und daher auch mal „gegen die Einbahn“ fahren würden. Ein Ausweg aus dieser „eingefahrenen“ Situation sei, so Simon, zunächst im Aufbrechen von festgefahrenen Organisationsstrukturen zu finden.

Unter Rekurs auf soziologisch geprägte Perspektiven von Theoretiker*innen, wie beispielsweise Marshall McLuhan, Niklas Luhmann, Dirk Baecker oder Christoph Kucklick sowie vor dem Hintergrund einer Differenzierung der Gesellschaft in Mediengesellschaft, Stammgesellschaft, antike Gesellschaft, moderne Gesellschaft, segmentäre hierarchische Gesellschaft oder Netzwerkgesellschaft fokussierte der Vortrag im Besonderen die Frage: „Was passiert, wenn neue Kommunikationsmedien in den Kunstdiskurs einfließen?“

Christian Huemer*2 *(2) und Johanna Aufreiter*3 *(3) lieferten in ihrer Eröffnungsrede der Konferenz ähnliche Beobachtungen und Statements wie Simon: Das digitale und das analoge Museum befänden sich bisweilen noch in Paralleluniversen und der Glaube an die emanzipatorische Kraft der Digitalität gehe auf diese Weise verloren. Befürchtungen bezüglich der Obsoleszenz kuratorischer Arbeit sowie der Entzauberung der Historisierung und der damit einhergehenden Institutionskritik könnten jedenfalls durch methodische Veränderungen, durch die Idee des Partizipativen und durch einen grundsätzlichen Paradigmenwechsel entkräftet werden.

Die Konferenz konnte den Teilnehmer*innen aufgrund der Auswahl der Vortragenden und der damit einhergehenden inhaltlichen Bandbreite unterschiedliche Perspektiven auf das Thema eröffnen und spannende Impulse für den Diskurs liefern. Da sie vor der Corona-Pandemie stattgefunden hat, bildet sie als „Status Quo“ der „Prä-Covid19 Phase“ insbesondere für den Rückblick und die Analyse der Thematik im Vergleich mit der derzeitigen Situation einen wichtigen Meilenstein.

Unter https://www.belvedere.at/forschung/wissenschaftliche-veranstaltungen/das-kunstmuseum-im-digitalen-zeitalter-2020 stehen die Keynote von Holger Simon als Video zum Nachsehen sowie ein Überblick über alle Vorträge zur Verfügung.

Prof. Dr. Holger Simon ist Wissenschaftler und Unternehmer, Speaker und Coach. Die Schwerpunkte seiner wissenschaftlichen Tätigkeit, liegen auf der Geschichte und Theorie der ästhetischen Kommunikation in der Neuzeit und Moderne, der Methodologie der Kunstgeschichte, der Kunstkommunikation und Systemtheorie, der Ästhetik und Theorie der digitalen Medien, der digitalen Kunstgeschichte und den Digital Humanities, der Cultural Entrepreneurship und Intrapreneurship in Organisationen, den digitalen Geschäftsmodellen im Kultursektor und der Innovationsentwicklung und dem Changemanagement in Kulturbetrieben. Publikationen: https://www.holger-simon.de/publikationen/. Er ist Gründer zahlreicher Initiativen, unter anderem der Pausaneo Akademie: https://pausanio.com/akademie/

Christian Huemer, Ph.D., Head Belevedere Research Center, Österreichische Galerie Belvedere, https://belvedere.academia.edu/ChristianHuemer/CurriculumVitae

Dr. Johanna Aufreiter, Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Belvedere Research Center, Österreichische Galerie Belvedere.

Anita Thanhofer ( 2020): Das Kunstmuseum im digitalen Zeitalter – 2020. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/das-kunstmuseum-im-digitalen-zeitalter-2020/