Die virtuelle WG

Wie es zur Idee der virtuellen WG kam

Die klassische WG besteht aus Personen, die im selben Haushalt leben. Gemeinsames Kochen, Filme-Schauen, bei einem Gläschen Wein zusammensitzen und auch einmal gemeinsam Weggehen und Party machen sind für WG-Bewohner*innen nichts Unübliches. Doch Corona hat dieses Konzept etwas durcheinandergebracht: Viele von uns Student*innen fuhren zurück in ihre Heimatorte, da die Universitäten ohnehin geschlossen waren, oder um sich um ältere Angehörige zu kümmern. Das WG-Leben war plötzlich nicht mehr vorhanden! In diesen Zeiten des „Social Distancing“ wurden viele Aktivitäten in den virtuellen Raum verschoben: Home-Office bzw. Home-Schooling, Skype-Treffen mit Freund*innen oder Online-Partys … – Warum also nicht auch eine virtuelle WG gründen und so die Sachen machen, die man sonst auch in einer WG erlebt? Diese Frage stellten wir uns kurz nach dem Shut-Down und beschlossen, es doch einfach auszuprobieren. In der Tat unternahmen wir infolgedessen – via Computer-Live-Schaltungen – verschiedene „WG-typische“ Aktivitäten zusammen, von denen wir im Folgenden kurz berichten werden. Zunächst aber möchten wir uns – die Mitglieder der WG – vorstellen und unsere Wohnsituation im vergangenen Semester skizzieren:

Melanie Gastberger: wohnte während des Shut-Downs in der Stadt Salzburg in einer knapp 70 Quadratmeter großen Wohnung mit ihrem Freund.

Kathrin Buschmann: genoss zusammen mit ihrem Freund das Landleben im Salzburger Lungau. Ihre Oma wohnt im Haus nebenan und verwöhnte sie mit „Omas Gourmet-Essen-Vor-Die-Haustüre-Lieferservice“.

Julia Romanin: wohnte in dieser Zeit zu Hause bei ihren Eltern in einer Wohnung in Klagenfurt.

Manuel Gruber: wohnte weiterhin in der Stadt Salzburg in einer WG. Abgesehen von einer Mitbewohnerin waren aber die anderen beiden Mitbewohner Corona-bedingt nach Hause gefahren.

 

Die Aktivitäten der virtuellen WG

Online-Party

Am 3. April feierten wir sozusagen unsere WG-Einweihung -– natürlich online. Eine Party musste her und da zwitscherte uns ein Vöglein, dass eine Künstler*innen-Gruppe aus Zürich virtuelle Online-Partys durchführen würde. “WOFF WOFF WOFF WOFF WOFF WOFF WOFF WOFF WOFF – THE COSMOLOGICAL ORDER” lautete der Slogan auf dem Flyer. Das Motto der Party orientierte sich rund um den Kosmos. Die Gruppe hatte sich viele unterschiedliche Programmpunkte überlegt: Es gab einen Dancefloor, wo DJs auf einen warteten und ausgelassen getanzt wurde, aber beispielsweise auch eine Live-Lesung aus dem Horoskop und aus Tarot-Karten. Die verschiedenen Floors waren auf der Startseite als Navigationspunkte wählbar.

 

Improtheater Carambolage

Am Dienstag, 14. April, besuchten wir spontan das erste Online-Improtheater des Kleinkunstheaters Bozen. Dieses wurde über Facebook-Livestream sowie über YouTube gestreamt. Während das Theater im Normalbetrieb rund 100 Besucher*innen Platz bietet, schauten sich etwa 600 Personen die Vorführung live an (etwa 500 auf Facebook und 100 auf YouTube). Den Besucher*innen war es anhand von Kommentaren, die sie im Facebook-Chat posten konnten, möglich, die Entwicklung der Handlung mitzubestimmen. So wurden von den beiden Moderator*innen immer wieder Fragen gestellt, auf welche die Teilnehmer*innen ihre Rückmeldungen geben konnten.

 

Spiele-Abend

Am 16. April traf sich unsere Gruppe zu einem gemeinsamen Spieleabend. Wir entschieden uns für das Online Spiel HappyCap. Grundsätzlich funktioniert dieses wie das Spiel Activity. Zwei Spieler*innen bilden ein Team und eine*r davon versucht dem anderen ein Wort zu erklären, welches diese*r erraten muss. Das Wort darf dabei nicht genannt werden, es muss entweder durch Pantomime, Zeichnen oder Reden erklärt werden. Um sich gegenseitig zu sehen und miteinander kommunizieren zu können, verwendeten wir das Online-Tool Zoom. Unsere erste Aufgabe bestand darin, pro Person jeweils vier Wörter aufzuschreiben, welche zu erraten waren. Von eher einfachen Wörtern wie „Holz“, bis hin zu Zusammensetzungen, die uns doch herausforderten, beispielsweise „Osterhasenschokoladenei“ war alles dabei. In jeder Runde wurde die Art, wie die Worte zu erklären waren (reden, pantomimisch darstellen), geändert. Fazit: Ein toller Abend, an dem wir uns großartig amüsiert und viel gelacht haben.

 

Back-Abend

Als nächste Aktivität entschieden wir uns dazu, einen gemeinsamen Backabend zu veranstalten. Wir vereinbarten im Vorfeld via WhatsApp, einen klassischen, einfachen Schokokuchen zu backen. (Dabei kann in der Regel wenig schief gehen. ;-)) Die Zutaten posteten wir ebenfalls in unserer WhatsApp-Gruppe. Nachdem wir alle einkaufen gegangen waren und die Zutaten in unseren Küchen vorbereitet hatten, konnte es losgehen. Wir trafen uns über Skype und buken zusammen Schritt für Schritt unsere Kuchen. Es machte Spaß, sich mit den anderen darüber auszutauschen, wie sie bestimmte Back-Schritte machten, ob bei ihnen der Teig auch zu flüssig sei etc. Mit einem Glas Wein warteten wir anschließend darauf, bis unsere Kuchen fertig waren. Insbesondere diese Phase war noch sehr lustig. Als es schließlich so weit war, verkosteten wir natürlich alle zusammen noch ein Stück.

 

Sport-Abend

Der Sport-Abend sollte der krönende Abschluss für unser virtuelles WG-Leben sein. Wir trafen uns wieder per Skype und nach ein paar Aufwärmübungen ging es los. Julia startete mit ihren liebsten Yoga-Übungen. Vom Sonnengruß über den Krieger bis hin zur Kobra waren ziemlich anstrengende Übungen dabei. Mit den ersten Schweißperlen auf der Stirn setzten wir mit Cardio-Moves fort. Die Burpees gaben uns den Rest, so mussten wir eine kleine Trinkpause einlegen. Nach der kurzen Pause wollten wir noch speziell unseren Bauch für die Bikinifigur (oder in Manuels Fall für die Badehosenfigur) trainieren. Nach den Sit-Ups, dem Plank, den Crunches und der anderen Übung, deren Name ich nicht weiß, waren wir alle fix und fertig, aber stolz auf uns.

 

Rückblick der „WG-Bewohner*innen“

Unsere gemeinsamen Aktivitäten als virtuelle WG machten uns sehr viel Spaß. Die Idee für eine digitale Online-Party fanden wir spitze. Gerade in Coronazeiten ist man offen für alle möglichen Formen der Partizipation. Die Hürde, seine Hemmungen zu überwinden, ist allerdings auch im digitalen Raum sehr hoch. Es brauchte viel Mut und Überwindung, bei der WOFF-Party am Dancefloor ausgelassen zu feiern. Der Besuch des Online-Improtheater Carambolage war für uns alle eine ganze neue Erfahrung. Obwohl es sich hierbei um einen improvisierten Auftritt handelte, hatten wir nicht immer den Eindruck, dass alles zu 100 Prozent improvisiert war. Eine Online-Veranstaltung wie diese ist unseres Erachtens eine sehr gute und wichtige Möglichkeit, auch für kleinere Theaterstätten, während der COVID-19-Pandemie weiter bestehen zu können. Unser gemeinsamer Spieleabend war ebenfalls ein voller Erfolg. Ohne die Corona-Krise hätten wir wohl nie einen Online Spieleabend ausprobiert. Im Großen und Ganzen waren wir positiv überrascht, dass alles so gut geklappt hat und wir auch Spaß hatten. Jedoch kann ein Online Spieleabend keinen analogen Spieleabend ersetzen, bei dem man sich mit Freund*innen trifft und persönlich kommunizieren kann. Der gemeinsame Back-Abend war für uns eine nette Abwechslung. Von unserem gemeinsamen Sport-Abend hatten wir am nächsten Tag noch Muskelkater. Wir hatten zwar zuvor alle schon von Sport-Live-Streams auf Instagram und Co. gehört, jedoch hatte noch niemand von uns ein solches Format ausprobiert. Vor allem die Videofunktion war für uns Ansporn und Motivation. Schließlich konnten so die anderen „kontrollieren“, ob jeder/jede tatsächlich auch mitmachte. Alleine hätte man wahrscheinlich früher aufgehört oder mehr Pausen gemacht. Wir sind der Meinung, dass der Online Sport-Abend einem realen Sport-Abend doch sehr nahegekommen ist: Beim Ausführen der Übungen konzentrierte sich jede*r auf sich selbst und doch hatte man seine Freund*innen dabei, die einen motivierten.

Virtuelle Räume sind in unserer Gesellschaft noch Neuland und es haben sich für diese noch keine Routinen und internalisierten Abläufe etabliert. Das könnte auch ein Grund dafür sein, weshalb man stets den physischen Raum als Referenzpunkt im Kopf hat und automatisch Vergleiche anstellt. Durch die Coronakrise haben virtuelle Räume an Bedeutung gewonnen und daher ist auch ihre gesellschaftliche Akzeptanz gestiegen.

Unser Fazit lautet, dass uns die einzelnen Aktivitäten sehr viel Spaß gemacht haben und wir sie in dieser Form nicht ausprobiert hätten, hätte es keine Coronakrise gegeben. Dieses Experiment war für uns alle eine spannende Erfahrung. Wir haben festgestellt, dass die Isolation auf Dauer nicht durchhaltbar gewesen wäre. Aus diesem Grund hat sich jeder von uns immer sehr auf die gemeinsamen Abende gefreut. Natürlich kann ein Abend in einem virtuellen Raum keinen Offline-Abend mit Freund*innen ersetzen, jedoch haben wir alle während dieser Zeit bemerkt, wie dankbar wir für diese Möglichkeit waren.

Melanie Gastgeber erstellte auch ein Comic zum Leben in der virtuellen WG

 

Bewohner*innen der virtuellen WG ( 2020): Die virtuelle WG. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/die-virtuelle-wg/