Woke für Transformation im Kulturbetrieb?

Eine Serie von Zeichnungen zur Veranstaltungsreihe von D/Arts 2021/22

Petja Dimitrova übersetzt für D/Arts 2021/2022 Diskurs in Bildformate und ermöglicht durch ihre Arbeiten einen impliziteren Zugang zu diskriminierungskritischen Positionen. Ihre Arbeiten haben einen starken gesellschaftspolitischen Fokus, der in unterschiedlichen Medien wie Zeichnung, Plakat, Video, Installation bearbeitet wird. In ihrer Arbeit beschäftigt sie sich mit der Verbindung von künstlerischen, kuratorischen, bildungspolitischen und aktivistischen Praxen und arbeitet eng mit Künstler:innengruppen, Bildungsinitiativen, migrantischen und diasporischen Selbstorganisationen und sozialen Bewegungen zusammen. Petja lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien. Im Gespräch mit Dilan Sengül erzählt sie über die Zusammenarbeit mit D/Arts und über die Entstehung ihrer Arbeiten zur Veranstaltungsreihe.

Magst du erzählen, wie für dich der Prozess, mit D/Arts – Projekbüro für Diversität und urbanen Dialog zu arbeiten, war und wie es dazu kam?

Ich habe mich sehr über die Gründung von D/Arts – Projektbüro gefreut. Diese Diskurse wie die Öffnung des Kunst- und Kulturbetriebs, die Anerkennung von den Qualifikationen der vielen Akteur:innen dieser Stadt, das Vertiefen und somit besser Verstehen des Diversitätsbegriffs und der Politiken führen wir bereits lange. Wir sind viele und führen diese „Kämpfe“ gemeinsam. Somit sind mir die Debatten, die Ziele und die Kolleg:innen seit Jahren vertraut. Zuletzt haben wir gemeinsam im Jahr 2017 das Symposium Cultures of a Postmigrant Society, Include! gestaltet. Die Zusammenarbeit fortzusetzen in einem künstlerischen Format, wo ich diese Debatten in Form von visuellen Beiträgen ausarbeiten konnte, fand ich sehr spannend und schön.

D/issonant Counterpoint – Zur Zur Demokratisierung von Musik und musikalischen Praktiken

Hast du für jede Veranstaltung ein eigenes Konzept ausgearbeitet oder gab es für die künstlerische Serie ein Konzept von Beginn der Zusammenarbeit an?

Wir haben über den Kontext und die inhaltlichen Schwerpunkte der einzelnen Veranstaltungen gesprochen und über die Frage, wie sich die Zeichnungen einordnen können. Ich wurde eigentlich thematisch punktuell vor den einzelnen Diskurs-Veranstaltungen inhaltlich informiert und es gab Gespräche über die Konzeptualisierung der ganzen Reihe. Diese gemeinsamen Gespräche sind in die Arbeit eingeflossen. Es war eine Mischung zwischen Auftragsarbeit und freier künstlerischer Arbeit, in welcher ich meine Gedanken zum gesamtgesellschaftlichen Diskurs und die D/Arts-Inhalte ins Visuelle übersetzt habe.

Die Veranstaltungen fanden in unterschiedlichen Räumen statt. Im Belvedere Museum war es zum Beispiel nicht möglich, etwas aufzuhängen. Da haben wir auch viel miteinander kommuniziert, was möglich sein könnte.

Ja, es ging um Installationen, die viel Raum in einem breiteren Sinne einnehmen können. Es war aber auch eine Frage der Ressourcen. Wir haben auch Arbeiten in kleinen Formaten realisiert, die dementsprechend eine Funktion hatten.

D/Transformation – Diversität in Entscheidungspositionen im Kulturbetrieb. Format: 1200x2440mm Kartonwabe-/Sandwichplatteplatte Druck

 

Die Arbeiten für die Veranstaltung D/Transformation – Diversität in Entscheidungspositionen im Kulturbetrieb im Belvedere Museum haben sehr sichtbar die Podiumsdiskussion begleitet. Magst du etwas mehr dazu erzählen?

Meine Intention war es, durch die Arbeiten, die neben den Podiumsteilnehmer:innen zu sehen waren, auf gewisse blinde Flecken im Raum hinzuweisen. Eine der Arbeiten hat den Fokus auf das Grenzregime Europas, auf die Abwehr und die enorme Gewalt, die dort stattfindet. Wir diskutieren über die Migrationsgesellschaft und über Migrant:innen, doch über wen sprechen wir eigentlich? Meinen wir jene imaginierten Kräfte und Figuren, wie auf der Zeichnung, die gerade knapp dem Ertrinken entkommen sind? Ein Teil der Menschen, mit denen und über die wir sprechen, sind eben gerade „Ankommende“. Die Mobilität von Menschen ist unaufhaltbar und ist mitzubedenken. Grenzen sind rassistisch und mörderisch und wollen Mobilität verhindern. Im Kulturfeld mit Migrationsdiskursen zu arbeiten, die sich nur an Mitbürger:innen richten, die bereits seit mehreren Generationen da sind und somit im „Adaptierungsprozess“ als zugänglicher phantasiert werden, dient in einer EU-governmental-Logik der Kontrolle. Nur mit jenen, die bereits länger da sind, ein wenig auf der Diversitäts-Ebene arbeiten zu wollen, ist nicht ausreichend. Das sind für mich die Fragen und Überlegungen, die es gilt, in diese Diskurse über Diversität und Öffnung mit einzubeziehen.

D/Transformation – Diversität in Entscheidungspositionen im Kulturbetrieb. Format: 1200x2440mm Kartonwabe-/Sandwichplatteplatte Druck

Die Arbeiten sollen als weitere Kommentare und Denk-Impulse im Raum verstanden werden. Bei der Veranstaltung In D/ialog in der Kunsthalle haben wir zwei Bilder gezeigt, die verschiedene gesellschaftliche Situationen und Protagonist:innen darstellen. Beide zeigen kollektive Verhältnisse und das Miteinander-Wachsen in einem Leben voller Ambivalenzen auf. In der einen Arbeit wird eine Pyramide gebildet, übereinander-kletternd, stützend, unterstützend, im Zusammenwachsen, im Versuch, das Gewicht miteinander zu halten. Ob dieses „Gebilde“ als hierarchisch zuzuordnen ist oder als eine gegenseitige Unterstützung zu verstehen ist, ist offen. Die Pyramide baut sich nach oben, und somit wird sie zwar sichtbarer, aber auch instabiler. Sie baut sich auf den und von den verschiedenen Zugehörigkeiten und Identitäten auf. Die andere Arbeit stellt eine nicht-hierarchisch dargestellte Community von Schwarzen queeren Figuren dar, die als Kollektiv auftreten.
Frontal direkt in-your-face, selbstbestimmte Queers, virtuose Vouguer:innen, schreiende Meister*innen des Lebens. Eine „monströse Kraft“ voller Freude, Lust und Ironie.

Das sind so zwei vermeintlich gegensätzliche Motive, die aber Protagonist:innen am Podium von In D/ialog waren und dem Podium auch als Referenz dienen sollten.

In D/ialog – Politics of Resisting Voices / Politics of Listening. Druck: 1200 x 2440cm

In D/ialog – Politics of Resisting Voices / Politics of Listening. Druck. 1200 x 2440cm

 

Was findest du, ist D/Arts in diesem zweijährigen Prozess gut gelungen? Und wo siehst du noch Herausforderungen?

Ich fand D/Arts sehr sichtbar, sehr interventionistisch mit einem sehr starken und klaren inhaltlichen Schwerpunkt. Von der Konzeption der Veranstaltungen, der Einladungspolitik, den Zielen für die einzelnen Veranstaltungen sowie den Referent:innen und Sprecher:innen. Es sind Denker:innen und Macher:innen zusammengekommen, die die angesprochenen Institutionen dazu bewegen, sich zu positionieren. Interdisziplinäre und intersektionale Expertisen hineinzubringen und gezielt in spezifischen künstlerischen „Genres“ zu intervenieren, zu fördern und herauszufordern, ist eine sehr wichtige politische Arbeit.

Wo das alles tatsächlich angekommen ist, wer noch Zielpublikum ist, sowie wer die weiteren Verbündeten sind, gilt es im nächsten Schritt zu evaluieren. Es waren erfolgreiche Veranstaltungen, es waren viele Besucher:innen da, doch mein Eindruck war, dass BIPOC und Migrant:innen stark anwesend waren. Ihnen sind diese Diskurse und Politiken nicht neu, doch ist es wichtig, ihre Expertise und Stimme einzubringen, diese sichtbar zu machen. Das Stammpublikum der einzelnen Institutionen und die „Mehrheitsbevölkerung“ zu erreichen, wird eine weitere Herausforderung sein.

Petja Dimitrova, Dilan Sengül ( 2022): Woke für Transformation im Kulturbetrieb?. Eine Serie von Zeichnungen zur Veranstaltungsreihe von D/Arts 2021/22. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/woke-fuer-transformation-im-kulturbetrieb/