Berlin, abseits einer Lehrveranstaltung

Was macht eine Studierende, wenn die Berlinexkursion zu Ende ist, der Rückflug aber erst in ein paar Tagen ansteht? Was bietet Berlin, das viele TouristInnen zwecks eines aufregenden Nachtlebenes und einer vielfältigen Clubszene besuchen und die Verkaterung als Mitbringsel eines Kurztrips in die Metropole mit nachhause nehmen? Nun, wenn man so gestrickt ist wie ich, dann werden in der restlichen Zeit so viele Sehenswürdigkeiten und Museen wie möglich besucht. Dieser Text versteht sich als kleiner Reisebericht für Frühaufsteher, Partymuffel und Museumsliebhaber.

Tag 1

Die senile Bettflucht meldet sich pünktlich um 7:00 Uhr. Nach dem Frühstück geht’s ab zum Alexanderplatz und zum Fernsehturm. Ich muss lachen, als ich um 9:45 Uhr eine lange Schlange von Touristen vor dem Eingang des Fernsehturms erblicke. Die riesige Discokugel hinter mir lassend (sehe nur ich das?), schlendere ich zum Roten Rathaus, durchs Nikolaiviertel und dann wieder zurück auf die Karl-Liebknecht-Straße, um die Spree zu überqueren und den Berliner Dom zu besichtigen.

Fernsehturm

Fernsehturm vom Berliner Dom aus

Von wegen schlichte protestantische Kirchen, wie man sie bei uns kennt, wie es in einem Reiseführer geschrieben steht. Dieses Bauwerk schafft es sogar, mich, die, schon unzählige Kirchen gesehen hat, sprachlos zu machen. So einen prunkvollen Innenraum und eine Hohenzollerngruft sieht man nicht alle Tage. Selbst wenn man sich nicht für alte, graue Gebäude interessiert: Alleine die Aussicht vom Außenrundgang um die Kuppel ist das Eintrittsgeld wert! Und beim Stiegensteigen macht man außerdem etwas Sport.

BerlinerDom

Berliner Dom

Nach den gefühlten 1000 Stufen des Kuppelrundganges geht es durch den Lustgarten wieder weiter Richtung Brandenburger Tor. Am Weg dorthin findet man zahlreiche schöne Bauten, wie etwa das Humboldt-Universitätsgebäude, etwas abseits den Gendarmenmarkt mit Französischem und Deutschem Dom, das Denkmal der Bücherverbrennung und noch vieles mehr.

Endlich beim Brandenburger Tor angekommen, bin ich erstaunt, was hier so alles herum läuft. Mit Touristenscharen habe ich ja gerechnet, aber es finden sich auch allerhand verkleidete Personen: sowjetische, amerikanische und deutsche „Soldaten“, Tiere, Mickey Mouse, Grenzbeamte und dieser Astronaut aus der AXE-Werbung. Meine Pläne, den Reichstag anzusehen – zumindest von außen – werden von einem Radrennen durchquert und mühselig erkämpfe ich mir den Weg zum Alexanderplatz. Da durch dieses Rennen auch die Busse nicht mehr so richtig fahren, tritt also Plan B in Kraft: Shoppen gehen am Alex. Hier findet man so ziemlich alles, was das Herz begehrt, und was es bei uns zu Hause auch gibt. Jetzt finde ich auch endlich diese Uhr am Alex, die man im Fernsehen immer sieht. Nach der Shoppingtour lasse ich den Tag bei einem Bier ausklingen.

Tag 2

Neuer Tag, neuer Sightseeing-Marathon. Zuerst ins DDR-Museum. Hier wird sehr originalgetreu dargestellt, wie es damals in der DDR aussah, finstere Atmosphäre inklusive. Man findet einen Trabi, Spreewaldgurken, FKK-Bilder, eine voll eingerichtete Plattenbauwohnung, zahlreiche Schautafeln, sowie ein kleines Kino mit Nachrichten aus der Zeit von damals.

Wem es Steinhaufen und Bilder besonders angetan haben, dem ist die Museumsinsel zu empfehlen. Am Vorplatz gibt es günstigere Kombitickets zu kaufen. Im Pergamonmuseum sieht man einen ganz besonderen Steinhaufen, das Ischtar-Tor, welches die Imposanz der babylonischen Zeit widergibt. Ist man gut im Ausblenden von fotografierenden Touristenmassen, kann man auch den Rest des Museums sehr genießen. Im Neuen Museum findet man die ägyptischen Sammlungen – und die Büste der Nofretete, wenn man sich die Mühe macht, sich durch weitere Menschengruppen zu kämpfen. Danach ist die Alte Nationalgalerie an der Reihe – hier sind unzählige Gemälde und Statuen, vor allem des 19. Jahrhunderts, ausgestellt. Ich gehe so schnell wie möglich durch, zu sehr schmerzen die Füße, und gebe auf. Möglicherweise sind während der Woche weniger Menschen hier. Es gäbe auch noch weitere Museen auf der Museumsinsel, aber wie vielleicht schon aufgefallen ist, stehe ich nicht so auf Steinhaufen und Bilder.

Der nächste Programmpunkt gleich um die Ecke ist eher nach meinem Geschmack: das Deutsche Historische Museum, untergebracht im ehemaligen Zeughaus. In der Dauerausstellung wird die gesamte deutsche Geschichte gezeigt, und das ist tatsächlich sehr viel; ich entdecke unterschiedliche und detaillierte Darstellungen in Textform, sowie Ausstellungsstücke. Nach dem Rundgang, der umso länger wird, je mehr Sonderausstellungen man sich ansieht, kann man im Zeughauskino entspannen. Hier wird eine Dokumentation über Deutschland im 20. Jahrhundert gezeigt.

Diesen anstrengenden Tag lasse ich auf der Friedrichsstraße ausklingen. Südlich von „Unter den Linden“ kann man Checkpoint Charlie besuchen, nördlich findet man die Ausstellung im „Tränenpalast“, wo der Alltag der deutschen Teilung dargestellt wird. Und irgendwann habe selbst ich genug von Museen.

Dennoch möchte ich noch jedem Berlinbesucher/jeder Berlinbesucherin das Jüdische Museum ans Herz legen. Zwar habe ich mir das schon an einem Abend während der Exkursion angesehen, aber es hat mich so überwältigt, dass ich es niemandem vorenthalten möchte. Nicht nur, weil die jüdische Geschichte sehr lange, spannend und gleichzeitig schrecklich ist, sondern weil das Wissen in diesem Museum sehr gut vermittelt wird. Alleine die Architektur des Gebäudes ist bemerkenswert und auch der Rundgang ist weitaus weniger verwirrend als im Deutschen Historischen Museum, wenngleich es mit Sicherheit gleich viele Exponate gibt. Hier wird nicht einfach nur dargestellt, sondern vor allem auch verglichen: Wie lebten jüdische Frauen im Mittelalter, im Unterschied zu heute? Was sind die Unterschiede zwischen Juden, Christen und Muslime? Außerdem gibt es auch viele Stationen für Kinder.

Das waren meine Erlebnisse beim Berlinbesuch. Auch wenn die meisten Menschen mehr das Nachtleben erkunden als ich oder mehr einkaufen gehen – seht euch doch bitte Museen an, wenn ihr nach Berlin kommt. Die sind wirklich gut.

 

Julia Demel ( 2013): Berlin, abseits einer Lehrveranstaltung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/berlin-abseits-einer-lehrveranstaltung/