„I have something to say.“ Women’s statements in public space

Ein Workshop à la Candy Chang

Während wir im ersten Teil der Lehrveranstaltung „Projektentwicklung – künstlerische und kulturelle Interventionen“ (WS 2013/14) überwiegend Teilnehmer_innen waren und unsere Projekte unter Anleitung von erfahrenen Künstler_innen entwickelten, wechselten wir in diesem Semester die Perspektive und wurden selbst zu Workshopleiter_innen. Im Zuge des diesjährigen women’s space – einer internationalen Jugendbegegnung für junge Frauen, welche vom 27. April bis 4. Mai 2014 stattfand und von make it, dem Büro für Mädchenförderung des Landes Salzburg, organisiert wurde – erhielten wir die Möglichkeit, einen Nachmittag aus dem Wochenprogramm zu gestalten. Hierfür galt es, unterschiedliche Workshops zu entwickeln, in welchen die teilnehmenden jungen Frauen künstlerisch aktiv werden konnten und welche schließlich in einem künstlerischen Stadtspaziergang mit Interventionen ausklingen sollten.

Von der Idee zum Konzept

Um uns die Ideenfindung zu erleichtern, erhielten wir zu Beginn der Lehrveranstaltung zunächst einen Einblick in die feministische Mädchenarbeit in Form einer Exkursion zu make it. Zudem wurden uns unterschiedliche Formen von künstlerischen Interventionen im öffentlichen Raum präsentiert. Besonders gut gefiel einigen von uns das von Candy Chang ins Leben gerufene Projekt Before I Die. Die Künstlerin mit taiwanischen und amerikanischen Wurzeln verlor einst einen geliebten Menschen und fiel daraufhin für lange Zeit in tiefe Trauer. Um diese Phase in ihrem Leben zu durchbrechen, beschloss sie schließlich, ihre Gedanken über das Leben und den Tod mit anderen zu teilen. Nachdem sie sich die Erlaubnis dafür einholte, bemalte sie eine Seite eines leer stehenden Hauses in der Nachbarschaft mit Tafelfarbe und versah diese mit dem Satz „Before I Die, I want to ______“. Alle Menschen, die fortan an diesem Haus vorbeikamen, konnten den Satz mit Kreide ergänzen und somit über das eigene Leben reflektieren und die persönlichen Wünsche mit der Öffentlichkeit teilen. Mit der Zeit fand das Projekt von Candy Chang immer größeren Anklang und Leute auf der ganzen Welt begannen, es nachzuahmen – Candy Chang stellt auf ihrer Webseite eigens dafür eine Anleitung bereit. Inzwischen existieren über 425 Before I Die-Wände in mehr als 60 Ländern und über 25 Sprachen.
Der Gedanke von Candy Chang, Menschen im öffentlichen Raum eine Art Sprachrohr zu geben und gleichzeitig zur Interaktion anzuregen, gefiel uns sehr gut und bildete schließlich die Ausgangsbasis zur Erarbeitung unseres Workshopkonzepts. So legten wir als Ziel fest, mittels selbst gestalteter Kreidetafeln eine Intervention zu schaffen, die sich einerseits mit der Repräsentation von Frauen im öffentlichen Raum auseinandersetzt und anderseits Potential zur Interaktion mit anderen Menschen bietet.

Der Erarbeitungsprozess

Nachdem wir uns über das Ziel unseres Workshops relativ schnell einig wurden, gestaltete sich die weitere Planung wesentlich schwieriger. Wie können wir das Ziel umsetzen? Wo soll die Intervention stattfinden? Welche Materialien benötigen wir dafür? Was muss im Vorfeld vorbereitet werden? Wer übernimmt welche Aufgaben? Fragen über Fragen, die wir letztlich schrittweise abarbeiteten.
Zunächst legten wir organisatorische Dinge fest und erstellten eine Materialliste. Als Ausgangsbasis für die Tafeln besorgten wir Display-Platten, welche wir aufgrund des langen Trocknungsprozesses im Vorfeld des Workshops mit speziellem Tafellack grundierten. Zudem erstellten wir Buchstabenschablonen aus Karton, sogenannte Stencils, mit deren Hilfe die Teilnehmerinnen später ihre Botschaften auf die Tafeln sprühen konnten.

Anschließend ging es um die Suche nach dem richtigen Ort. Dieser sollte einerseits an einer zentralen Stelle in Salzburg liegen, um möglichst viele Personen mit den Botschaften zu erreichen und mit einbeziehen zu können. Andererseits sollte das Publikum möglichst durchmischt sein, um auch Einheimische und nicht ausschließlich Studierende oder Tourist_innen zu erreichen. Wir einigten uns schließlich auf den Mozartsteg – eine kleine Fußgängerbrücke mit relativ hoher Frequentierung im Stadtzentrum, die über die Salzach führt und die Altstadt mit der Neustadt verbindet. Wie der Name bereits verrät, wurde der Mozartsteg nach dem berühmten Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart benannt, welcher in Salzburg geboren wurde und auch seine Kindheit hier verbrachte. Ingesamt sind im Salzburger Stadtbild viele wichtige Plätze nach männlichen Persönlichkeiten benannt. Der Mozartsteg ist hierfür ein typisches Beispiel und erschien uns daher als der perfekte Ort, um in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für die Belange von Frauen zu erwecken.

Die Erstellung des Rahmenprogramms wiederum verlief parallel zu den beiden oberen Punkten. Um eine möglichst selbstreflektive Auseinandersetzung zu ermöglichen, wollten wir den Teilnehmerinnen nicht zu viele inhaltliche Vorgaben machen. So legten wir in erster Linie die Struktur des Workshops fest, stellten einen zeitlichen Ablaufplan auf, planten die einführende Präsentation und legten die Diskussionsleitung fest.

Der Workshop

Am frühen Nachmittag des 30. April war es schließlich soweit und wir starteten hochmotiviert in den Workshoptag. Nach einem kurzen Project Pitch, mit welchem wir für unseren Workshop warben, freuten wir uns sehr über insgesamt 15 Teilnehmerinnen, die ihren Weg zu uns gefunden hatten. Um den jungen Frauen die Idee unseres Projekts näher zu bringen, begannen wir den Workshop mit einer kurzen Präsentation zu Candy Chang und zum geplanten Programmablauf.

Workshop 'I have something to say' (14)

Anschließend starteten wir direkt in die Vorstellungsrunde, in der wir uns der Reihe nach einander bekannt machten und gleichzeitig jede Teilnehmerin ihren persönlichen Hintergrund und ihr Interesse zum Thema Frauenrechte zum Ausdruck bringen konnte. Die kurzen Statements der jungen Frauen hielten wir stichpunktartig auf einem Flipchart fest. Anschließend breiteten wir die Blätter auf den Tischen aus und ließen die Teilnehmerinnen darüber abstimmen, mit welchen Statements weitergearbeitet werden sollte. Diskussionspunkte, die dabei besonders häufig genannt wurden, waren: die Repräsentation von Frauen in der Gesellschaft und ihre Möglichkeiten, Gleichberechtigung, Stereotype sowie Empowerment und Selbstermächtigung. Um im Anschluss intensiver arbeiten zu können, bildeten wir vier Untergruppen mit jeweils drei bis vier Teilnehmerinnen. In den Untergruppen wurden die herausgearbeiteten Themen vertieft und schließlich mehrere potentielle Botschaften für die Kreidetafeln erarbeitet. Gruppenübergreifend entstanden dabei insgesamt zehn Botschaften, wobei sich die Teilnehmerinnen letztlich auf folgende vier festlegten:
Women need more …
Equality means …
If I were a Boy …
If I were a girl …
Jede Untergruppe suchte sich eine der Botschaften aus und brachte diese schließlich mit Hilfe von Stencils, Sprühlacken und Abtönfarbe auf den Kreidetafeln auf.

Herausforderungen meistern

Insgesamt stieß unser Workshop auf große Begeisterung bei den Teilnehmerinnen und auch wir selbst hatten jede Menge Spaß – wenngleich es die eine oder andere Herausforderung zu meistern gab. Leider war die Größe der von uns bereitgestellten Kreidetafeln nicht ganz optimal, was uns erst deutlich wurde, als wir die Länge der vorgeschlagenen Botschaften sahen. So mussten wir die Teilnehmerinnen anweisen, kurze und prägnante Sätze zu formulieren, was in der Workshopsprache Englisch gar nicht so einfach war. Auch stellten sich die Stencils als zu überdimensional heraus, dieses Problem lösten wir jedoch, indem wir den Teilnehmerinnen anboten, mittels Abtönfarbe einen Teil der Sätze von Hand aufzutragen. Unser größter Feind war jedoch die Zeit. Obwohl wir im Vorfeld einen zeitlichen Ablaufplan erstellt hatten, ging dieser leider nicht ganz auf. So entschieden wir uns aufgrund der regen Beteiligung schließlich spontan dazu, den thematischen Diskussionen mehr Raum zu lassen und dafür bei der Gestaltung Abstriche zu machen. Am Ende arbeiteten wir alle – Teilnehmerinnen und Workshopleiter_innen – unter Hochdruck an der Verwirklichung der Kreidetafeln, sodass letzten Endes wirklich schöne Mittel für die anschließende Intervention entstanden.

Workshop 'I have something to say' (31)

Intervention und künstlerischer Stadtspaziergang

Um die Botschaften in den Stadtraum hinauszutragen, gingen wir nach Fertigstellung der Tafeln gemeinsam mit den Teilnehmerinnen zum Mozartsteg. Die jungen Frauen waren sichtlich begeistert von der Ausstrahlung, den dieser Ort hatte – was nicht zuletzt auch dem traumhaften Wetter an diesem Tag zu verdanken war. Vorsichtig befestigten wir die Kreidetafeln mit Kabelbindern am Brückengeländer. Anschließend wiesen wir die Teilnehmerinnen an, die vorbeigehenden Passant_innen anzusprechen und sie dazu einzuladen, mit Kreide ein persönliches Statement auf den Tafeln zu hinterlassen. Überraschenderweise fiel es den jungen Frauen auf Anhieb sehr leicht, auf die Passant_innen zuzugehen. Auch stellte die englische Sprache – wie von uns im Vorfeld befürchtet, kein Problem dar.

Workshop 'I have something to say' (78)_header

Die Passant_innen waren, als sie angesprochen wurden, zwar zunächst überrascht, die meisten von ihnen hinterließen jedoch gerne ein Statement, sodass die Tafeln sehr schnell voll geschrieben waren und wir sie stolz den Teilnehmerinnen der anderen Workshopgruppe präsentieren konnten. Insgesamt betrachtet haben wir mit unserer Aktion auf jeden Fall einen großen Eindruck erweckt, so blieben viele Passant_innen stehen um die Tafeln zu bewundern und einige fragten auch gezielt nach den Hintergründen.

Mozartsteg

Abschließend wanderten wir alle gemeinschaftlich zum Unipark, um die Aktion der anderen Workshopgruppe zu besichtigen. Alles in allem waren die Lehrveranstaltung und insbesondere der Workshop sowie die Interventionen und der Stadtspaziergang ein wunderbares neues Erlebnis und eine nette Abwechslung im Uni-Alltag. Die Erfahrungen, die wir in dieser Zeit machen konnten, sowie die Menschen, die wir an diesem Tag kennenlernen durften, werden uns sicher noch lange in Erinnerung bleiben.

Mehr Fotos vom Workshop gibt es hier.

Nora Moritz ( 2014): „I have something to say.“ Women’s statements in public space. Ein Workshop à la Candy Chang. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/i-have-something-to-say-womens-statements-in-public-space/