Making Art, Making Media, Making Change (Teil II)

Eine Reflexion zum Kurs

Die Lehrveranstaltung „Making Art, Making Media, Making Change! Partizipative Kultur- und Medienproduktion“ ist eine Fortsetzung der Projektentwicklung I unter der Leitung von Elke Zobl. Anhand zweier Forschungsprojekte, die sich der Entwicklung einer Toolbox zur Vermittlung partizipativer Kunst- und Medienproduktion an und mit Jugendlichen widmen, wurden in der Lehrveranstaltung Strategien künstlerischer Interventionen und der Bildungsarbeit mit den Studierenden erarbeitet.

Das vom österreichischen Wissenschaftsfonds geförderte Projekt „Making Art, Making Media, Making Change!“ als auch das vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft geförderte Sparkling Science-Projekt „Making Art – Taking Part! Künstlerische und kulturelle Interventionen von und mit Jugendlichen zur Herstellung von partizipativen Öffentlichkeiten“ dienten als zentrale Beispiele. Ziel der Lehrveranstaltung war es, Einblicke in die Inhalte, Arbeitsweise und Methoden von Vermittlungsprojekten am Beispiel der zwei oben genannten Wissenschaftskommunikationsprojekte zu gewinnen, Bildkarten für die künstlerisch-pädagogische Toolbox zu entwickeln und Grundlagen für eine kritische Reflexion des Themenfeldes zu schaffen.
Als Vorbereitung für die praxisorientierte Arbeit setzten sich die Studierenden unter anderem mit Literatur aus dem Bereich der kritischen Kunst- und Kulturvermittlung auseinander und diskutierten ihre bisherigen Erfahrungen. Im zweiten Teil der Sitzungen bildeten die Studierenden zwei Gruppen, eine zur Bildkartenentwicklung und eine weitere zur Umsetzung eines Zine-Workshops im Schulkontext.

Bildkartenentwicklung

Bildkarten sind Bestandteil der Toolbox und dienen Multiplikator_innen in Workshops bzw. in der Arbeit mit Jugendlichen zur Aufbereitung und kritischen Reflexion gesellschaftspolitischer Themen. Die vorhandene Sammlung an Bildkarten sollte nun im Rahmen der Lehrveranstaltung erweitert werden. Als Themen der Bildkarten wurden dazu insbesondere Gleichbehandlung, queer-feministische Ansätze und die Mitgestaltung des öffentlichen Raumes aufgegriffen.
Vorbereitend für den praktischen Teil des Kurses und um ein Verständnis für partizipative Kunst und Craftivism zu entwickeln, recherchierten wir nach Beispielen für Craftivism-Projekte, partizipative Kunst(-Projekte) im öffentlichen Raum und Themen alternativer Kunstvermittlung. Auf dieses Wissen aufbauend, suchten wir dann nach Motiven und Sujets für die Bildkarten. Besondere Herausforderung bei der Auswahl war, dass Klischees und Stereotype aufgebrochen und nicht erneut aufgegriffen wurden. Die Auswahl der Bildkarten erfolgt in vier Runden: Zunächst in einer Erstauswahl durch die Studierenden und einer kommentierten Zweitauswahl durch die Lehrer_innen. Wobei sich bereits in der zweiten Runde auf Grund des pädagogischen Blickwinkels unterschiedliche Präferenzen zwischen den Studierenden und den Lehrer_innen herauskristallisierten. Nach einer dritten Auswahlrunde diskutierten wir die bis dahin ausgewählten Bildkarten mit den Expertinnen des Sparkling Science Projekts „Making Art ‑ Taking Part!“, Elke Smodics und Laila Huber. In diesen Diskussionen wurden uns Studierenden in mancherlei Hinsicht die Augen geöffnet und gezeigt, dass wir (selbst/ebenfalls) Klischees und Stereotype teilweise ungewollt bedienen. Hilfreich für diese Debatte und um aus gesellschaftlichen Rastern auszubrechen und sich (selbst) von gelernten Normen zu distanzieren, war dabei der Artikel von Nora Sternfeld (2014) „Verlernen vermitteln“.star (*1) Dieser erläutert, wie wir unvoreingenommen und kritisch einen Blick auf unsere Umwelt werfen können.

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Darüber hinaus gestaltete sich die Anpassung der Bildkarten auf die Zielgruppen als schwierig. Kriterien wie Alter, Bildungsstand, kulturelle Hintergründe und eventuell emotionale Labilität durch Traumatisierung vor allem bei Kindern und Jugendlichen, die aus Krisengebieten stammen, müssen Berücksichtigung finden. Nach einer (weiteren) langen, angeregten Diskussionsrunde einigten wir uns schließlich von ursprünglich über zwanzig auf fünf Bildkarten, die nun weiterer Bestandteil der Toolbox sein werden.

Zine-Workshop

Ein Besuch im Zine-Archiv der gendup-Bibliothek vermittelte uns einen Eindruck, wie vielfältig Zines weltweit gestaltet werden und was sie verbindet. Zine ist die Kurzform von Magazin und beschreibt kleine Heftchen oder Magazine, die unabhängig und oft anonym verfasst werden (vgl.: Grrrlzines.net).star (*2) Ziel der Zines ist es, sich unzensiert Gehör zu verschaffen; Dinge und Sachverhalte zu thematisieren, die uns beschäftigen; aufmerksam zu machen auf Probleme und Menschen zu mobilisieren, aktiv zu werden, Raum, Gesellschaft und Leben mitzugestalten.

Bei der Umsetzung des Zine-Workshops mit Schülerinnen der Neuen Mittelschule Maxglan übernahmen fünf Studentinnen die Rolle der Vermittlerinnen, zu denen auch ich gehörte. Vorab entwickelten wir in dieser Gruppe ein grobes Konzept zum Ablauf und zur Aufgabenverteilung während des Workshops. Hierbei beschlossen wir jedoch flexibel zu bleiben, um den Flow während der Arbeit mit den Jugendlichen nicht durch ein festgefahrenes Konzept unterbrechen zu müssen.
Als Einstieg und zur Auflockerung begannen wir den Workshop mit einem Klatschspiel, bei dem sich alle Beteiligten einschließlich der Vermittlerinnen mit Namen vorstellten. Unter unserer Anleitung fertigten die Teilnehmer_innen in zwei Gruppen im Verlauf des Vormittags je ein Zine an. Die Themenfindung fiel in beiden Gruppen leicht, da der Großteil der Schülerinnen sehr aufgeschlossen war und unerwartet lebendig mitarbeitete.
Interessanterweise stellte sich bei unserer späteren Reflexionsrunde über den Workshop heraus, welche Dynamiken unter den Schülerinnen tendenziell vorherrschten. So fiel auf, dass bei der Gestaltung und Themenauswahl die beiden Gruppen sich stark voneinander unterschieden. Da wir als Vermittlerinnen die Klasse noch nicht kannten und daher auch keinen Einfluss auf die Gruppenaufteilung nahmen, gingen befreundete Mädchen in die gleiche Gruppe. Die Auswahl der Themen und die Art der Umsetzung der Zines beider Gruppen waren beeindruckend.
Übergreifendes Thema des einen Zines war „Ich bin ich und das ist gut so“. Jede der Teilnehmerinnen gestaltete eine Seite unter anderem zu Themen wie Essen und Kochen, Äußerlichkeiten und Freizeitaktivitäten. Hier stellten wir im Nachhinein fest, dass sich diese Gruppe vorwiegend mit ihren Freizeitaktivitäten beschäftigte und es vergleichsweise schwer fiel, sie unter die Oberfläche ihrer Themen zu führen. Die Meinungsbildung dieser Gruppe wurde darüber hinaus stark von drei sehr aufgeweckten Mädchen beeinflusst. Als Vermittlerinnen versuchten wir an dieser Stelle ausgleichend einzugreifen, was aber nur teilweise gelang.
Im Vergleich dazu waren das von der zweiten Gruppe produzierte Zine und die Themenauswahl tiefgreifender. Unter der Überschrift „So perfekt unperfekt“ beschäftigten sich die Mädchen eingehend mit Themen wie Selbstachtung, Akzeptanz und Mobbing. Sie gestalteten ihre Seiten mit viel Text sehr durchdacht und kreativ. Ausschlaggebend für den Gedankenreichtum war vermutlich auch die geleistete Vorarbeit der Klassenlehrerin zu diesen Themen, wie zum Beispiel Mobbing. Dennoch ist bemerkenswert, wie unterschiedlich die Zines ausfielen und wie sehr sie die Dynamiken der Klasse widerspiegeln und die Teilnehmerinnen der einen Gruppe womöglich sogar Auslöser für die Themenfindung, wie Mobbing und Selbstachtung, der anderen Gruppe waren. Die Aufteilung der Gruppen in verschiedene Räume war hierbei sicherlich von Vorteil.

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Im Nachhinein kann man kritisch einwenden, dass wir als Vermittlerinnen eventuell mehr Einfluss auf die Ausgestaltung der Themen hätten nehmen sollen. Hier zeigt sich auch das Spannungsverhältnis, dem die vermittelnden Personen ausgesetzt sind. Einerseits sollen Jugendlichen dazu angeregt werden, das zu tun, was sie aus eigenem Antrieb interessiert. Andererseits sollten Inputs gegeben werden, um die Reflexion zu bestimmten Themen zu fördern. Die Bildkarten aus der Toolbox könnten hier als hilfreiches Werkzeug dienen.

In einer späteren Reflexionsrunde der Mediatorinnen mit unserer Kursleiterin Elke Zobl über die Umsetzung des Workshops überlegten wir unter anderem weitere Ansätze, die auf dieses Projekt und den Workshop aufbauen könnten. So interessiert uns zum Beispiel, wie man anhand eines weiteren Projekts oder Workshops solchen Dynamiken ausgleichend entgegenwirken kann. Vorab könnte ein Themenblock zum Beispiel Musik, in Zweier-Gruppen von den Teilnehmer_innen vorbereitet werden, um die Zusammenarbeit und die Reflexion zu vertiefen. Ein anderer Vorschlag wäre im Anschluss dieses Zine-Workshops die Gruppen gegenseitig eine Art Reflexionspapier über das Zine der jeweils anderen Gruppe gestalten zu lassen, um die Schülerinnen in ihrem Umgang miteinander zu sensibilisieren.

Was nehmen wir mit?

Der Kurs und vor allem die praktische Arbeit am Beispiel der Projekte gaben einen guten Einblick in den Facettenreichtum aber auch die Herausforderungen der partizipativen Kunst- und Kulturvermittlung.
Lehrreich für uns Studierende war außerdem die Sicht der jungen Menschen auf ihr Umfeld, da sie die gesellschaftlichen Konstrukte zwar noch nicht so bewusst hinterfragen, ihre Ansichten aber auch noch nicht so festsitzen wie bei Erwachsenen.
Die Projekte zeigten uns, wie wertvoll die außerschulische Auseinandersetzung mit jungen Menschen ist. Wie wichtig es ist, ihnen Anreize zu geben, Dinge und Sachverhalte zu hinterfragen; ihnen Aufmerksamkeit und Raum zu geben, sie zu ermutigen, sich Raum zu nehmen, um ihren Gedanken und Interessen unzensiert Ausdruck zu verleihen und freien Lauf zu lassen; und nicht zuletzt ihnen die Botschaft und den Mut zu vermitteln, aktiv zu sein und ihre Freiheiten zu nutzen!

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Sternfeld, Nora (2014): Verlernen vermitteln. Kunstpädagogische Positionen 30. Hrsg.: Sabisch, Andrea/ Meyer, Torsten/ Sturm, Eva. REPRO LÜDKE, Hamburg.

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Grrrlzines.net: http://grrrlzines.net/ (15.06.15)

Karolin Kautzschmann ( 2015): Making Art, Making Media, Making Change (Teil II). Eine Reflexion zum Kurs. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/making-art-making-media-making-change-teil-ii/