sound:frame. Vermittlung zwischen den Stühlen

Für das sound:frame Festival als ein Projekt, das in Bezug auf die unterschiedlichen Kontexte, in denen es stattfindet, immer wieder „zwischen den Stühlen“ (Thun-Hohenstein 2012, S. 4)star (* 1 ) steht, müssen gewisse Fragen sukzessive neu verhandelt werden: Welche Position will sound:frame öffentlich einnehmen? Wie will es wahrgenommen werden? Welches Publikum möchte überhaupt erreicht werden? Welche Inhalte sollen transportiert werden?

Interne Reflexion und externe Evaluierung sind bedeutende Faktoren, die in Planung, Durchführung wie Nachbearbeitung stets mit einbezogen werden müssen. Einen direkten Einblick in diese kontinuierlichen Reflexionsprozesse gibt der folgende Beitrag, der eine Zusammenfassung eines Gastvortrages im Rahmen der Lehrveranstaltung „Berufsfeld Kulturmanagement“ im Sommersemester 2013 darstellt. (Siehe auch Interview mit Eva Fischer)

Das sound:frame Festival setzt sich seit 2007 mit audiovisuellen Ausdrucksformen im Kunst- und Clubkontext auseinander. Interkreativität und die Zusammenführung von MusikerInnen, KünstlerInnen und TheoretikerInnen aus den Bereichen Visuals, Medien-Kunst, Architektur und Musik bilden jedes Jahr das Fundament für die thematische Orientierung des Festivals. 2013 setzt sound:frame mit dem Themenschwerpunkt „collective“ den Fokus auf Netzwerke, KünstlerInnen-Kollektive, interdisziplinäre Teamarbeit und internationale Kollaborationen. sound:frame selbst ist ein solches Kollektiv, das sich mit dem Festival und mit zahlreichen internationalen Projekten und Umsetzungen im audiovisuellen Bereich zu einem der wichtigsten Netzwerke und Institutionen weltweit etabliert hat. Initiatorin und künstlerische Leiterin Eva Fischer spricht in ihrem Vortrag über die Entwicklung, die Positionierung und die inhaltliche Ausrichtung des Projektes sound:frame. 

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Der Fokus von sound:frame lag von Beginn an auf „audiovisueller Kunst und Kultur“, konkret auf der Verbindung von Visuals und Sound. Live Visuals kommen zu einem Großteil aus der „VJ-Szene“. Ein/e „VJ“, ist jemand, der im Live-Kontext mit Projektionen unterschiedlichster Art arbeitet – vorproduzierte Videoclips zur Musik mixt oder etwa mit generativen Softwares in Echtzeit digitale Bildwelten generiert. Visuals kommen ursprünglich aus der Clublandschaft, finden jedoch in immer unterschiedlicheren Kontexten statt. Neben künstlerischen Arbeiten gibt es vor allem auch zahlreiche Design-Ansätze und innovative Arbeiten im wirtschaftlichen Kontext. Da ich als künstlerische Leiterin selbst aus dieser VJ-Community komme und als Visualistin tätig bin, wurde das Festival von Beginn an aus dieser Szene heraus als „VJ-Festival“ wahrgenommen und definiert. Das ist nach wie vor teilweise der Fall, doch durch hartnäckige Öffentlichkeitsarbeit konnte sich das Projekt innerhalb der vergangenen Jahre als AV-Festival bzw. AudioVisuelles Festival positionieren, also als ein Projekt, das viel mehr an intermedialen und interdisziplinären Ausdrucksformen interessiert ist als am VJing allein. Entscheidend ist auch, dass verschiedene Zielgruppen das Festival sehr unterschiedlich wahrnehmen: Für die Musikinteressierten steht das Musikprogramm im Vordergrund, für die VisualistInnen-Szene ist das Visuelle ausschlaggebend. Das Kunstpublikum kommt ins Museum, das reine Partypublikum in den Club. Diese speziellen Zielgruppen sind an einzelnen Programmpunkten interessiert und sehen sound:frame demnach auch meist auf einen jeweiligen Schwerpunkt fokussiert.

„Mehrsprachige“ Kommunikationsarbeit

Hier ergibt sich die erste kulturmanageriale Herausforderung. Um die unterschiedlichen Zielgruppen zu erreichen, muss die Kommunikationsarbeit bei sound:frame auf der einen Seite „verschiedene Sprachen sprechen“. Auf der anderen Seite ist das Ziel aber jenes, das Gesamtprogramm einer möglichst breiten Zielgruppe zugänglich zu machen. Im Prinzip funktioniert oder kommuniziert sound:frame in mehreren Kontexten und muss sich immer wieder an unterschiedliche AdressatInnen anpassen. Einem Musikpublikum das Musikprogramm des Festivals zu vermitteln ist eine Sache, einem Kunstkritiker, einer Kunstkritikerin zu vermitteln, dass es abseits der Partys eine Reihe von Kunstprogrammen gibt, ist die andere. Gerade von Seiten der Bildenden Kunst wird das Festival in seiner Gesamtheit kritisch betrachtet. Hier kommt schnell das Vorurteil auf, es handle sich ganz allgemein nicht um Kunst, dafür gebe es im Rahmen des Festivals viel zu viel Platz für Party und Spektakel. Ein kunstaffines Publikum legt Wert auf Wissenschaftlichkeit und hinterfragt vor allem den Kunstanspruch des Festivals. Hier hat uns sicherlich von Beginn an die Kooperation mit etablierten Institutionen wie dem MAK oder dem Künstlerhaus geholfen. Es stellt sich jedoch aktuell die Frage, ob wir mit unserem Programm das MAK-Stammpublikum ansprechen, oder vielmehr unser eigenes Publikum ins MAK bringen. Geht es nach dem Falter-Journalisten Dusini, so war das Publikum 2012 wohl erstaunlich: „Die Dichte von Parkas der Marke American Apparel war groß, als am 12. April im Museum für Angewandte Kunst das Festival sound:frame eröffnet wurde. Ein für Museumsverhältnisse ungewöhnlich junges und modisch gekleidetes Publikum war erschienen, um die Licht- und Toninstallation zu begutachten, […]“

Wenn der Braten anbrennt_sf2012 Falter

Mich erstaunt, dass ein Falter-Journalist in diesem Fall so viel Wert auf Mode legt, in einem Satz etwas später rezensiert er sogar die Höhe meiner Schuhabsätze: „Die Kuratorin stand dabei vor dem Gestänge, das die Leinwand für die Filmprojektion trägt. Vor ihr am Boden saß in dichten Reihen das Vernissagenpublikum. Fischers Stöckelschuhe wirkten aus dieser Perspektive besonders hoch.“ So überrascht Dusini über diese Veranstaltung und die erreichten Publikumsschichten auch abseits hartgesottener Szenefreaks gewesen sein mag, so sehr haben wir das Ziel erreicht, unser Festivalpublikum ins Museum zu bringen, und gleichzeitig ein (bildende) Kunst-affines Publikum abseits der szeneinternen Kreise anzusprechen. Es stellt sich also die Frage, wie dieser Artikel für uns zu bewerten ist. Zum einen hört man durchaus eine Pointe von Seiten des Falter-Journalisten heraus, zum anderen freue ich mich jedoch vielmehr über den Fakt, ein junges Publikum ins Museum zu bewegen, das an anderen MAK-Programmen eventuell nicht teilgenommen hätte.

Wie sollte sich die Kunst weiterentwickeln, wenn sie in ihren fix definierten Bahnen dahinläuft und es nicht schafft, ein junges und neues Publikum zu bewegen?

Spannend sind für uns in jedem Fall auch jene BesucherInnen, die sich für alle gebotenen Kontexte interessieren und das Festival in seiner Gesamtheit wahrnehmen und vor allem konsumieren. Diese Zielgruppe nimmt an dem Theorieangebot ebenso teil wie an der Ausstellung und an den Live Performances. Dieser mehrdimensional interessierte Publikumkreis ist am schwierigsten zu erreichen, da dieser die bestmögliche Vermittlung des Gesamtprogrammes fordert. Er ist grundlegend offen und lässt sich gerne überraschen, jedoch ist es zur selben Zeit eine Herausforderung, eine Vielzahl an unterschiedlichen Festivalprogrammpunkten ausgewogen zu kommunizieren. Sehr wichtig dabei ist es, selbst offen zu bleiben und in jedem Jahr neu zu evaluieren, wie sich das Festival weiterentwickelt hat, ob man erfolgreich die gewollten Inhalte transportieren konnte und ob es einen Shift im Schwerpunkt und somit in der Auslegung – auch auf der Rezeptions- bzw. Wahrnehmungsebene seitens der diversen Publika – gab, oder ob es ihn eventuell geben sollte.

But is it art?

An dieser Stelle möchte ich noch einmal auf die langjährige Debatte eingehen, ob es sich bei audiovisuellen Ausdrucksformen tatsächlich um „Kunst“ handeln könne. Die Diskussion ist keinesfalls ein Alleinstellungsmerkmal unserer Community, sie wurde und wird in vielen Kontexten geführt. Nicht nur im Falle von sound:frame gilt hier das Argument des „Spektakels“ (Debord 1996)star (* 2 ) als Ausschlusskriterium für die „reine“ oder „wahre Kunst“ und veranlasst dazu, alle gezeigten Arbeiten und Zugänge gleichermaßen und a priori außerhalb des vermeintlich seriösen Kunstkontextes zu verorten. Es fällt nicht besonders leicht, das Argument der „Spaßgesellschaft“ auszuhebeln, solange im Programm „Partys“ involviert sind. Mir als Kuratorin ist es wie gesagt wichtig, dementgegen aufzuzeigen, dass manche/r ProtagonistIn in dieser Szene imstande ist, die Medienkunst auf ein neues Level zu bringen. Ohne Zweifel sind viele der Kreativen im Entertainment-Bereich beheimatet was hier ohne Wertung ausgesprochen wird. Die Grenzen zwischen „E-“ und „U-“ sind in unserem Feld, so wie in der Musik, oft fließend. Seit Jahren wehre ich mich jedoch gegen allzu eingeschränkte Sichtweisen in Hinblick auf den Kunstanspruch. Es war mir noch nie ein Anliegen zu behaupten, alles, was hier zu sehen ist, sei Kunst. Doch auch das Gegenteil kann ich nicht gelten lassen bzw. ist diese vereinzelt immer wieder aufkommende Kritik im Hinblick auf die programmatische Qualität, die angebotenen Programmpunkte, aber auch auf die Arbeits- und Verfahrensweise ihrer Entstehung definitiv zurückzuweisen. Viele der ProtagonistInnen feilen seit Jahren an ihrer künstlerischen Handschrift und bringen ihre „innere Notwendigkeit“ (Kandinsky 1952, S. 64)star (* 3 ) zum Ausdruck. Ich scheue mich zwar auf der einen Seite davor, hier Künstlerpersönlichkeiten wie Wassily Kandinsky zu zitieren, die vor einhundert Jahren die Kunstgeschichte revolutionierten, doch hat mich genau jener dabei inspiriert, mich mit interdisziplinären Kunstformen auseinanderzusetzen. Hier anknüpfend möchte ich außerdem behaupten, dass jede Zeit ihre gesellschaftlichen und künstlerischen Notwendigkeiten und KünstlerInnen hervorbringt, die den Versuch wagen, in die Zukunft zu schauen, anstatt sich den Regeln des aktuellen Kunstmarktes auszuliefern.

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Öffentliche Wahrnehmung am Beispiel Pressespiegel

Um nun aufzuzeigen, wie sich die Wahrnehmung des sound:frame Festivals entwickelt hat, möchte ich einige Auszüge aus den Pressespiegeln der vergangenen Festivaljahre zeigen.

der Standard, Februar 2007: „Visuals als Kunstform. Wien – mit der Visualisierung elektronischer Musik beschäftigt sich das sound:frame Festival, das bis zum 10. März in der Künstlerhaus-Passagegalerie stattfindet. Und stilgerecht werden die visuellen Kunstwerke nicht nur in einer Ausstellung präsentiert, sondern dem Publikum auch in sechs Partys näher gebracht.“

Krone, Januar 2008: „Neue Kunst, die aus der Disco kam. Sie suchen Neues in der Kunst? Hier ist es: Bild-Projektionen für Discos, Clubs, Partys und Events. Gemacht von „Visualisten“. Eine ganze, neue Kunstsparte ist entstanden! Zu sehen beim Festival „Sound:frame“ im 1. Stock des Wiener Künstlerhauses.“

Die Presse, März 2009: „Wenn die Bilder tanzen gehen. Mehr als Dekoration: Das sound:frame Festival zeigt, wie VJs, die Visualisten dem Schatten der DJs entwachsen. Zu verdanken haben sie das auch der besseren Technik“

Nightline, März 2010: „sound:frame 2010. Eine neuwertige Form der audiovisuellen Auseinandersetzung mit Raum, Struktur und Zeit im Kontext elektronischer Klangerzeugung zu vermitteln ist der Anspruch eines Ende März in Wien seine Tore eröffnenden Festivals. Was 2007 als überwiegend auf nationale Künstler/innen beschränkte Ausstellung und Festivität zur Visualisierung elektronischer Musik verbunden mit vereinzelten Partys – im Künstlerhaus am Karlspatz begann, wurde 2008 von den Lesern des britischen DJ Magazines zum „Best VJ Event“ gewählt und transformierte sich mittels dutzender beachtlicher Nacht-Veranstaltungen, Kooperationen, Symposion und Exhibitionen im Jahre 2009 zu einem kulturveranstaltungstechnischen Knotenpunkt der Wiener Avantgarde, Kunst- und vorwärtsgewandten Musik-Szene.“

OE1, März 2010: „Disk Jockeys stehen hinter den Plattentellern, Visual Jockeys finden die passenden Bilder zum Sound. Den VJs und Visualisten widmet sich das sound:frame Festival für audiovisuelle Kunst.“

Falter, März 2011: „Tanzende Bilder und verbildlichte Musik. Visualisten und Lichtmaler spielen beim Festival sound:frame die verdiente Hauptrolle.“

Kurier, März 2011: „Kraftnahrung für Augen und Ohren. Das sound:frame bringt 150 Künstler nach Wien und vereint an drei Wochenenden Musik, Visuals, Design und Kultur“

derStandard, April 2012: „Hybride aus Pixeln und Bytes. Das Wiener sound:frame Festival geht mit „substructions“ in die sechste Runde. Eine audiovisuelle Ausstellung im MAK zeigt Spielarten des jungen Genres. Österreich entwickelte sich zu einem Mekka für internationale Visualisten. Es verwundert daher nicht, dass sich die zuvor in Clubs beheimatete Visual Art ihren Weg in museale Hallen geebnet hat.“

Kleine Zeitung, April 2012: „Fortschritt als oberste Maxime: Diesen Eindruck vermittelt das Programm des diesjährigen sound:frame Festivals, das von 12. bis 22. April in Wien über die Bühne gehen wird. Nicht nur geht die Veranstaltungsreihe, die sich audiovisueller Kunst verschrieben hat, erstmals eine Kooperation mit dem Museum für angewandte Kunst (MAK) ein, sondern stellt gleich das System „Festival“ selbst zur Diskussion.“

FM4. April 2012: „Etabliert und erfolgreich. Diesen Eindruck hat man nach dem ersten Wochenende des Sound:frame-Festivals, das mit seiner audiovisuellen Ausrichtung bereits zum sechsten Mal die Wiener Kunst- und Clublandschaft bereichert.“

derStandard, April 2013: „Kostüme, die zum Leben erweckt werden. Mit collective verschreibt sich das sound:frame Festival dem kollektiven Arbeiten: Eine multimediale begehbare Installation im Mak weist aufs Neue darauf hin, dass sich die noch junge Disziplin der audiovisuellen Kunst auch in musealen Hallen behaupten kann.“

derStandard, April 2013: „Praxistest im Klub. Vor sieben Jahren ins Leben gerufen, um die Wahrnehmung der Visual-Jockey Künste zu stärken, gilt das sound:frame Festival längst als europaweit beachtete Veranstaltungsinstitution für das Visualisten-Fach. Ob die grundlegende Intention der Emanzipierung gegenüber den DJs tatsächlich fruchtete, darüber scheiden sich zwar noch immer die Geister. Doch das Selbstverständnis des Festivals gibt sich spätestens mit der engen Kooperation mit dem Museum für angewandte Kunst ohnehin gewandelt. Theoretischer Überbau und Diskurs nehmen eine immer zentralere Rolle ein.“

In diesen Auszügen aus Presseberichterstattungen spiegeln sich die Entwicklungen der Wahrnehmung von sound:frame als VJ- oder VisualistInnen-Festival im Clubkontext hin zu einem Projekt, das sich auch im musealen Kontext behaupten kann. Es ist sehr interessant zu verfolgen, wie sich in kleinen Schritten der Eindruck verändert, obwohl sound:frame doch von Beginn an im musealen Kontext (Künstlerhaus, Kunsthalle, quartier21) verortet war.

Vom Underground zur Hochkultur?!

sound:frame ist nach sieben Jahren des Bestehens allgemein bekannt und in seiner Szene etabliert. Von einer Institution, die über das Jahr hinweg an einem fixen Standort mit fixem Programm und vor allem mit geregeltem Budget und angestelltem Personal arbeitet, kann jedoch noch nicht die Rede sein.

Ein klarer Vorteil daran, sich noch nicht institutionalisiert zu haben, ist jener, etwas schneller steuern zu können, wohin man sich entwickeln möchte, als eine etablierte Institution, die sich über lange Zeit hinweg ein Programm aufgebaut hat, mit dem es in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Gerade ein Festival kann und soll Grenzbereiche aufzeigen, sich in unterschiedlichen Kontexten ausprobieren und ist seinem Wesen nach dazu da, einer (jungen) Kunstform die benötigte Basis – und Öffentlichkeit – bereit zu stellen.

Im Gegensatz zu den großen Dampfern zischen Projekte wie das sound:frame Festival agil in den Weltmeeren der Kunst und Kultur umher, sind wendig und können überall andocken. Auf der anderen Seite gehen sie auch schneller unter oder werden übersehen.

Eine junge Initiative darf die Geduld nicht verlieren und vor allem nicht alles auf einmal wollen. Um gewisse Kontexte zu erobern, ohne sich selbst zu verbiegen, bedarf es Zeit, Hartnäckigkeit und hoher Qualität. Ich will nicht in einer Position oder Richtung verharren, und kann den Vorteil des agilen Schiffchens nutzen. Und! Der Mut zu Scheitern will gepflegt werden. Warum immer wieder auf eine Grundsatzdiskussion über Kunst einlassen? DIY! Mach es einfach!

Schließlich geht es aber auch darum, die Zügel bis zu einem gewissen Grad aus der Hand zu geben und zu schauen, was passiert. Ohne Vertrauen lässt sich kein Projekt stemmen, an dem mehr als eine Person beteiligt ist. Das gilt gleichermaßen für das eigene Team, als auch für alle beteiligten KünstlerInnen, TheoretikerInnen und KooperationspartnerInnen, die Presse und am Ende das Publikum. Rückschläge können durchaus positiv sein. Sie ermöglichen die weitere Reflexion und sukzessive Sublimation.

Nun möchte ich noch etwas näher auf die Vermittlungsmaßnahmen des sound:frame Festivals eingehen und ein paar der grundlegenden Strategien aufzeigen.

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Pressearbeit

Zum einen konnten wir von Beginn an eine gute Bandbreite an Medien erreichen. Das hat sicherlich die Kooperation mit etablierten Institutionen wie dem Künstlerhaus oder dem MAK erleichtert. Zum anderen ist es natürlich auch unbedingt notwendig, spezielle eigene Pressekontakte aufzubauen und sie zu pflegen. In unserer Szene sind zahlreiche aktive Artists unter anderem auch als JournalistInnen tätig oder umgekehrt. Medienkooperationen entstehen in diesem Fall vor allem aus beiderseitigem inhaltlichem Interesse. Dabei lässt sich zur selben Zeit die richtige Zielgruppe erreichen. FM4, theGap, De:Bug oder Volume etwa zählen zu unseren wichtigsten Medienkooperationspartnern meist Musikmedien mit Interesse an Interdisziplinarität.

Alles in allem muss sich sound:frame darauf verlassen, dass das „word gespreaded“ wird. Pressearbeit ist wertvoll, gezielte Medienkooperationen sind wichtig, doch auch die Social Media sind ein bedeutender Faktor. Wobei etwa Facebook aktuell nicht mehr so viele Leute erreicht, wie noch vor ein, zwei Jahren.

Social Media

Seit den Anfängen des sound:frame Festivals 2007 hat das Publikum selbst in jedem Jahr an Wichtigkeit in Bezug auf die Öffentlichkeitsarbeit gewonnen. Die vieldiskutierten Social Media erreichen unsere Zielgruppe ganz gezielt. Facebook hat für uns von Beginn an sehr gut funktioniert, und wir gewinnen noch immer regelmäßig zahlreiche Fans. Die veränderte FB-Policy macht es jedoch immer schwieriger, viele UserInnen zu erreichen. Dabei besteht auch immer die Gefahr, die Grenze zum Spam zu überschreiten und damit das Publikum zu nerven, anstatt es anzuziehen.

Vermittlung

Was mir als Kuratorin äußerst wichtig ist, ist die Vermittlung des Programmes und vor allem der Ausstellung. Sei es im Festivalkatalog, der jedes Jahr erscheint, oder in der Ausstellungsvermittlung direkt vor Ort. Die wichtigsten Fragen müssen geklärt, oder zumindest gestellt werden. Was steckt dahinter? Wer steckt dahinter? Was ist das Ziel? Wohin geht der Inhalt? Wieso dieser Schwerpunkt?

Kunstvermittlung ist ein heikles Thema. Es geht dabei darum, dem/ der Interessierten das tiefere Eintauchen in die Hintergründe zu ermöglichen und zugänglich zu machen. Gleichzeitig darf man die Vermittlung nicht aufdrängen – Kunst muss auch ohne Beschreibung gelten können. Jedes Wort zählt, denn in kurzen Sätzen soll klar herauskommen, worum es sich handelt. Hier denke ich immer noch an die Worte meines Professors Friedrich Waidacher, der mich zu Beginn meines Kunstgeschichtestudiums die wichtigsten Grundlagen der Museologie lehrte: „Es ist bekannt, dass der durchschnittliche Besucher in Musealen Ausstellungen nur sehr wenig liest. Die meisten Menschen genießen es, einfach durch ein Museum zu gehen und haben überhaupt keine Leseabsichten. Daher lesen auch nur fünf Prozent der literaten Besucher sorgfältig jedes Wort jeder Beschriftung ohne Rücksicht darauf, wie lang oder fachlich sie sein mögen. Weitere fünf Prozent lesen überhaupt nichts, gleichgültig wie kurz, einfach und klug Texte auch sein mögen. Zielgruppe der Ausstellungstexte müssen die anderen neunzig sein, die oft nur wenige Sekunden dazu verwenden, einen Text zu streifen um zu entscheiden, ob er es überhaupt wert ist, sorgfältiger gelesen zu werden.“ (Waidacher 1999, S. 482)star (* 4 )

Design

Ob Professor Waidacher dem Design von Kommunikation und Vermittlung bereits einen so hohen Stellenwert beimaß, als er das Handbuch der Allgemeinen Museologie 1999 verfasste, wage ich in Frage zu stellen. Heute, vierzehn Jahre später, besteht kein Zweifel an der maßgebenden Bedeutung des Designs. Das grafische Auftreten und die Gestaltung aller Kommunikationsmedien und -maßnahmen sind wichtiger denn je. Mit einer auffallenden und im Gedächtnis verbleibenden Präsenz kann man eine große Öffentlichkeit erreichen.

Zahlreiche Projekte haben sich dazu entschieden, ihre Grafik über die Jahre hinweg nur geringfügig zu verändern, um einen höchstmöglichen Wiedererkennungswert zu generieren. Wir haben uns von Beginn an gegen den unveränderten Look entschieden. Nur das Logo bleibt annähernd gleich. Doch sowohl die Festivalplakate, die Website als auch die Social Media Kanäle kommen jedes Jahr aus einem neuen grafischen Guss. Der sound:frame Katalog wurde seit Beginn an als Designprodukt gesehen, das sich bewusst in jedem Jahr neu gestaltet. Ebenso wie das gesamte sound:frame Projekt ist auch die Grafik wandelbar und entwickelt sich mit dem Festival mit.

Kommunikation ist vielschichtig

In diesem Artikel habe ich einen Versuch unternommen, die Öffentlichkeitsarbeit, die das sound:frame Festival leistet, aber auch eigendynamische öffentliche Wahrnehmungsprozesse ein wenig genauer unter die Lupe zu nehmen. Da am Ende sehr viel intuitiv funktioniert, sich viele Abläufe selbstständig machen, und man nicht zu jeder Zeit alle Zügel in der Hand zu behalten imstande ist, kann es auch nur bei dem Versuch bleiben, „Öffentlichkeitsarbeit“ und „Kommunikation“ strukturiert zu erklären.

Erfolgreiche Kommunikation beginnt bei einem selbst und geht beim Team und den Beteiligten weiter. Will ich als Person in der Öffentlichkeit stehen und dem Projekt ein Gesicht geben? Wie selbstbewusst trete ich dabei auf? Wie reagieren und involvieren sich die anderen Beteiligten?

Ich würde sagen, unser wichtigstes Anliegen ist und war es immer, dass sich alle wohlfühlen können. „Crew love is true love!“ ist einer der Slogans, die sound:frame ausmachen, und so gibt es immer genügend Platz für Kommunikation, gemeinsames Essen und Trinken, für Austausch und auch Kritik. Credits sind unglaublich wichtig, und so muss die Öffentlichkeitsarbeit alle beachten, die an dem Projekt beteiligt sind. Die Artist-Betreuung sehen wir als eine der bedeutendsten Aufgaben im Rahmen unserer Veranstaltungen, und so ist es uns wichtig, dass alle Bedürfnisse nach Möglichkeit erfüllt werden und die Stimmung bei allen gut ist.

In den Monaten der Festivalorganisation und vor allem in den intensiven Wochen des Festivals selbst gibt es durchaus auch Platz für Tränen und Wut. Noch viel mehr für Freude, Zusammenhalt und Enthusiasmus.

Am Ende des Tages kann keine Öffentlichkeitsarbeit etwas vorgaukeln. Es gibt keine bessere Werbung als ein entspanntes Team, begeisterte Artists und ein inspiriertes Publikum.

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Thun-Hohenstein, Christoph (2012): Zwischen den Stühlen. In: sound:frame. substructions, Festivalkatalog 2012, Wien 2012.

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Debord, Guy (1996): Die Gesellschaft des Spektakels. Berlin: Edition Tiamat.

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Kandinsky, Wassily (1952): Über das Geistige in der Kunst. Neuilly-sur-Seine 1952.

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Waidacher, Friedrich (1999): Handbuch der Allgemeinen Museologie. Wien, Köln, Weimar: Böhlau
1999, S. 482.

Eva Fischer ( 2013): sound:frame. Vermittlung zwischen den Stühlen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/soundframe-vermittlung-zwischen-den-stuhlen/