„Röcke und Hosen und auch manchmal alles zusammen“

Von der Macht der Attribute
Ein Interview mit Ka Schmitz von Elke Zobl

Die Künstlerin, Illustratorin und Comic-Zeichnerin Ka Schmitz war mit dem Workshop „Guerilla Comics: Kunst_Intervention_Alltag“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Künstlerische Interventionen. Kollaborative und selbstorganisierte Praxen. Fokus: Antirassistische und feministische Perspektiven“ zu Gast am Programmbereich Contemporary Arts & Cultural Production. Im Interview mit Elke Zobl sprach sie über Fragen der Darstellbarkeit und grafischen Übersetzung von Diversität und Empowerment sowie über die Zusammenhänge zwischen Kunst, Alltag und Gesellschaft.

Du arbeitest ja viel im Bereich Prävention, Empowerment, Diversität und so weiter. In deinem Vortrag hast du antisexistische Bierdeckel erwähnt. Kannst du vielleicht noch einmal kurz diese Initiative schildern und die Diskussionen, die sich da rundherum entwickelt haben.

Entstanden sind sie aufgrund einer Vergewaltigung. Nicht, dass es die Erste oder Letzte war, von der wir gehört hatten. Aber das war ein Fall, der es in die Medien geschafft hatte und über den wir sehr erschüttert waren, weil niemand der Frau geholfen hatte, obwohl sie in der Öffentlichkeit um Hilfe gefragt hatte. Diese Situation nahm in einer Kneipe ihren Ausgang: Da machte sie schon deutlich, dass sie sich bedroht fühlte. Deswegen kamen wir auf die Idee, diese Getränkedeckel in die Kneipen zu legen, wo Übergriffe oft stattfinden oder ihren Anfang haben.

Kannst du zu den Diskussionen in der Gruppe über die Darstellungsweise etwas sagen?

Es gab verschiedene Punkte, über die wir diskutiert haben. Das Eine war: Wie deutlich muss ein Übergriff dargestellt werden, wie deutlich kann er dargestellt werden, ohne dass es „triggert“? Vor allem bei einem Motiv machten wir oft folgende Erfahrung: Wenn ich es Frauen vorlege, kriegen die gleich die Krise. Und andere verstehen es eben nicht als Übergriff oder finden, das ist gar nicht ambivalent, sondern sehen es als eine ganz normale Gesprächssituation.

Die andere Frage, an der wir uns aufgehängt haben, war, wie Diversität abgebildet wird. Da war ich noch sehr am Anfang mit solchen Überlegungen. Ich habe eigentlich hauptsächlich Figuren mit schwarzem Stift auf weißes Papier gemalt, die dann als weiße Männergelesen wurden, obwohl das von mir anders beabsichtigt war.

Wir wollten die dritte Person, die zum Eingreifen ermutigt wird, als geschlechtsneutral abbilden. Die wurde dann von den meisten Rezipienten und Rezipientinnen als Mann gelesen, das war auch ein Kritikpunkt: Warum bildet ihr eigentlich nur Männer ab, die eingreifen, Frauen können doch auch eingreifen. Inzwischen gab es verschiedene Neuauflagen, wo eben jetzt verschiedene Hautpigmentierungen und Geschlechter deutlicher erkennbar sind.

Inzwischen machst du es so, dass zum Beispiel jede Figur eine Hautfarbe bekommt?

Genau, ich verteile die Attribute. Das ist dieses machtvolle Moment, das sich auch problematisch anfühlt, aber genau das hat: Natürlich tut es weh, dass es Kategorien gibt, die in dieser Gesellschaft hierarchisch bewertet werden, und das tut dann auch in dem Moment weh, wenn ich sie zeichne. Trotzdem ist es wichtig, sie zu zeichnen und nicht einfach wegzulassen.

Ich versuche dann möglichst viel Vielfalt abzubilden. Jede Person kriegt bei mir eine Hautfarbe, weil ich nicht möchte, dass es welche gibt, die als anders markiert sind, indem sie angemalt sind, oder welche, die eben leer gelassen werden und damit die Norm repräsentieren. Und in Bezug auf Geschlecht versuche ich auch möglichst viele Merkmale abzubilden. Lange und kurze Haare, Bärte,dicke Augenbrauen, große und kleine Augen, Röcke und Hosen und auch manchmal alles zusammen.

Wir beschäftigen uns ja in der Veranstaltungsreihe mit künstlerischen Interventionen. Würdest du das auch als eine Intervention fassen?

Ja, auf jeden Fall. Das ist eine Intervention, die ich jetzt gerade in meinem Arbeitsleben habe. Ich transportiere antirassistische und feministische Inhalte in allen Zeichnungen, die ich mache. Wenn das von der Auftragslage nicht explizit gewünscht ist, dann kommt es trotzdem mit rein. Ich hab viele weiße Auftraggeber_innen und ich glaube, denen fällt es gar nicht unbedingt auf, dass auf dem Cover beispielsweise nur women of color sind. Das ist auch eine Kraft, Dinge umzudrehen. Und da versuche ich hinein zu intervenieren, gerade in diese Alltagsbilder, die wir ständig haben.

Das heißt, es ist auch ein sehr enger Konnex zwischen Kunst, Alltag, Gesellschaft. Dass sich das verzahnt und die Rolle der Kunst auch ist, in den Alltag einzugreifen oder diesen mitzugestalten. Wie würdest du die Rolle der Kunst bei dir sehen?

Kunst ist erst mal das, was aus mir rauskommt. Mein direkter, spontaner Ausdruck. Der kann erst mal ganz ohne Bewertung sein und gleichzeitig drückt er natürlich alle Normen aus, die in mir drinnen sind. Da ich eben politisch denke, finde ich, jede Art von Sprache ist Ausdruck der gesellschaftlichen Kategorien, die wir haben, und der Machtverhältnisse, denen wir unterworfen sind im Patriarchat, im Kapitalismus und in der weiß-deutschen Mehrheitsgesellschaft oder welchen Fokus auch immer man nimmt. Dadurch ist Kunst wie alle Bereiche gefordert, an der Gesellschaft mitzuwirken, und ich glaube, es gibt ein Riesenpotenzial, eine Wahnsinnsmacht.

Das ist ein gutes Schlusswort. Herzlichen Dank für das Interview!

 

Ka Schmitz, Elke Zobl ( 2014): „Röcke und Hosen und auch manchmal alles zusammen“. Von der Macht der Attribute Ein Interview mit Ka Schmitz von Elke Zobl . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/rocke-und-hosen-und-auch-manchmal-alles-zusammen/