Schulische Experimentierräume im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft

Ein interdisziplinärer Ansatz zur Vermittlung experimenteller Musik im Unterricht der Sekundarstufe II: Pädagogische Leitideen und Einblicke in das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG

I. Einleitende Überlegungen

Ein Blick in die gegenwärtige Unterrichtspraxis verdeutlicht, dass die Vermittlung*1 *(1) experimenteller Musik (sowie Neuer Musik im Allgemeinen) wenig Eingang findet. Das erweist sich in mehrfacher Hinsicht als bedauerlich: Experimentelle Musik eröffnet den Lernenden eine Vielzahl an Möglichkeiten der selbsttätigen künstlerisch-kreativen Auseinandersetzung auf Basis unterschiedlicher Vorgaben – vom völlig freien Experimentieren zu einem Thema bis hin zur Umsetzung detaillierterer Konzepte – und mit verschiedenen Materialien, wobei individuelle Fähigkeiten bzw. Vorerfahrungen in besonderer Weise fruchtbar gemacht werden können. Darüber hinaus vermag sie es, Wahrnehmungskonventionen aufzubrechen und den Lernenden auf diese Weise neue Erfahrungsräume zu erschließen.

Mitunter diese Aspekte bewogen mich dazu, ein Projekt mit dem Titel KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG zu entwickeln, das seit Jänner 2017 an einem Salzburger Gymnasium umgesetzt wird und als Pilotprojekt in der Erstellung von Konzepten zur Vermittlung experimenteller Musik in der Sekundarstufe II zu verstehen ist. Intention dieses Projektes ist es, den Lernenden Experimentierräume im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft zu eröffnen, zwar mit dem primären Ziel der Vermittlung experimenteller Musik, jedoch ausgehend vom breiten Begriff des Experiments. So findet eine interdisziplinäre Auseinandersetzung mit dem Thema, ein ‚Eintauchen‘ in verschiedene Experimentierfelder, welche sowohl im Bereich experimenteller Kunst unterschiedlicher Sparten*2 *(2) als auch in den Naturwissenschaften anzusiedeln sind, statt. Dieser innovative interdisziplinäre Zugang fußt auf der Annahme, dass die Entwicklung eines differenzierten Verständnisses vom Begriff des Experiments im Speziellen für SchülerInnen höherer Jahrgangsstufen interessant und gewinnbringend sein kann: Er bietet die Möglichkeit den Lernenden das Spektrum an vielfältigen Verwendungsweisen des Experiments, wie es auch experimentelle Musik prägt, zu verdeutlichen und ihnen verschiedene Handlungsoptionen, die das experimentierende Tätigwerden bietet, aufzuzeigen.

In pädagogischer Hinsicht stellt sich die Frage, wie Unterricht gestaltet sein müsste, um Experimentierräume zu öffnen und eine qualitätsvolle Vermittlung experimenteller Musik zu ermöglichen. Dazu werden nachstehend Leitideen expliziert und diskutiert. Ausgehend davon wird im Abschnitt III dieses Textes das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG vorgestellt und werden punktuell Einblicke in dessen Umsetzung gewährt. Den Abschluss bilden – als eine Art Ausblick – einige Gedanken zur geplanten Evaluation des Projektes.

II. Pädagogische Leitideen

Die Vermittlung experimenteller Musik erfordert experimentellen Unterricht

Die Vermittlung eines Gegenstandes [sollte] diesem auch angemessen und ihm […] gewissermaßen adäquat und ‚ähnlich‘ sein […]. Bezogen auf den Gegenstand Kunst bedeutet dies, dass die Vermittlung durchaus kunstnah und damit selbst auch künstlerisch inspiriert sein sollte. Um Experimentelle Musik ‚adäquat‘ (in diesem Sinne) zu unterrichten, bedarf es eines durchaus experimentellen Zugangs zu Fragen der Didaktik und Methodik (Brandstätter 2011: 13–14).star (*3)

Das schreibt Ursula Brandstätter aus der Perspektive einer der InitiatorInnen des großangelegten, seit dreizehn Jahren in Berlin existierenden und bereits mehrfach evaluierten Vermittlungsprojektes Querklang. Die Vermittlung experimenteller Musik erfordert Unterricht, in dem das Experiment die zentrale Methode darstellt. Die SchülerInnen müssen in der Auseinandersetzung mit experimenteller Musik demnach selbst experimentierend tätig werden können, sodass diese für die Lernenden in ihren Besonderheiten ‚(be-)greifbar‘ wird.

Diese Leitidee bezieht sich in erster Linie auf die Unterrichtsmethodik. Daran knüpfen sich allerdings einige pädagogische Konsequenzen, die sowohl Inhalt als auch Rahmenbedingungen des Unterrichts betreffen und sich vor dem Hintergrund von Überlegungen zum Begriff des Experiments erschließen:

Zum Begriff des Experiments

Recherchiert man diesen Begriff, so stößt man zunächst auf zwei sehr unterschiedliche Verwendungsweisen: Zum einen bezeichnet das Experiment eine methodisch besonders kontrollierte Art der Erkenntnisgewinnung, die einerseits der Entdeckung und Beobachtung einzelner Phänomene sowie der Prüfung von im Vorfeld aus Theorien entwickelten Hypothesen dient, andererseits aber auch zu Demonstrationszwecken eingesetzt wird (vgl. Brockhaus 2006: 648;star (*5)Schulz/ Wirtz/ Starauschek 2012: 15star (*9)). Zum anderen wird der Versuch, das Wagnis, die Unternehmung mit ungewissem Ausgang als Experiment bezeichnet (vgl. Brockhaus 2006: 648).star (*5)Dieses zweite Begriffsverständnis verweist auf ein mehr oder weniger systematisches Ausprobieren, auf eine offene Tätigkeit, bei der der Prozess des Experimentierens und nicht dessen Ergebnis im Vordergrund steht. Auf den ersten Blick haben diese beiden Definitionen nicht viel gemein. Und doch gibt es semantische Überschneidungen. So verwendete man von der Antike bis zur Renaissance den lateinischen Begriff ‚experimentum’ synonym mit lateinisch ‚experientia’: Beide Termini standen zu dieser Zeit noch in keinem Zusammenhang mit wissenschaftlichen Verfahren, sondern bezogen sich eher auf aus dem Handwerk gewonnene Erkenntnisse. Francis Bacon bezeichnet schließlich im Jahr 1620 ‚experimentum’ als die durch aktives Handeln herbeigeführte Erfahrung, er trifft eine klare Unterscheidung zur ‚rein zufälligen‘ Erfahrung, wenn er schreibt: „Restat experientia mera, quae, si occurat, casus, si quaesita sit, exoperimentum nominatur“ (Bacon 1620: I, 82).star (*1)*3 *(3) Bacon erhebt damit – nicht umsonst gilt er als der Begründer des Empirismus – die Empirie zum Kriterium der Wissenschaftlichkeit.

Diese Definition des Experiments als ‚gesuchte‘ Erfahrung, im Gegensatz zur ‚zufälligen‘, impliziert meines Erachtens die Charakteristika, die sich für die vielfältigen Verwendungsweisen des Begriffs im Bereich von Kunst und Wissenschaft als allgemein gültig festmachen lassen. So verweist das Verb suchen auf Handlungsorientierung und Prozesshaftigkeit: Die/der Suchende begibt sich auf neues Terrain, sie/er forscht, (ver-)sucht, erfährt und entdeckt. Alles Tun vollzieht sich im Bewusstsein, auf der Suche zu sein, was kontinuierliche Dokumentation und Reflexion impliziert.

Ausgehend von dieser begrifflichen Auseinandersetzung ergeben sich weitere zentrale Leitideen für den Unterricht:

Experimenteller Unterricht erfordert ‚Experimentierkompetenz‘

In Anbetracht der unterschiedlichen Definitionen des Begriffs ‚Experiment’ erscheint es mir nützlich, dass sich Lernende auf theoretischer sowie praktischer Ebene mit dessen unterschiedlichen Formen und Verwendungsweisen auseinandersetzen und verschiedene Experimentierfelder kennenlernen (vgl. Langbehn 2001: 44).star (*7)Es sollen ihnen Handlungsmöglichkeiten (auch Handlungskonventionen) innerhalb dieser ‚Felder‘ aufgezeigt werden, um darin – zunächst unter Anleitung – experimentierend tätig werden und ein eigenes Repertoire an Handlungsmöglichkeiten entwickeln zu können. Dass ‚Experimentierkompetenz‘ nötig ist, um Hemmschwellen abzubauen, Überforderung entgegenzuwirken und zu erreichen, dass sich die SchülerInnen auf Experimentierprozesse einlassen können, wird in der existierenden Fachliteratur mehrfach bestätigt (vgl. Brandstätter 2013: 34;star (*4)Schwarzbauer 2014: 73–77;star (*10)Wieneke 2016: 300–305star (*13)).

Experimenteller Unterricht erfordert kontinuierliche Dokumentation und Reflexion

Die durchgehende Dokumentation und Reflexion der einzelnen Arbeitsschritte und (Zwischen-)resultate sind – unabhängig von der jeweiligen Verwendungsweise des Experimentierbegriffs – wesentlicher Teil von Experimentierprozessen. Darin unterscheidet sich das Experiment als ‚gesuchte‘ Erfahrung vom Versuch im Sinne eines ‚Ausprobierens ins Blaue hinein‘. Daher ist dieser Aspekt für die Konzeption von Unterricht, der das Experiment zum methodischen Prinzip macht, zentral (vgl. Langbehn 2001: 45).star (*7)

Experimenteller Unterricht erfordert entsprechende Rahmenbedingungen

Qualitätsvoller Unterricht setzt wohl meist dem Gegenstand adäquate Rahmenbedingungen voraus. Dies trifft in besonderem Maße für experimentellen Unterricht zu, da Experimentierprozesse eine Lernumgebung erfordern, die sich vom herkömmlichen, stark reglementierten Schulbetrieb in der Regel unterscheidet. Es braucht meines Erachtens unbedingt Möglichkeiten, zeitliche und räumliche Strukturen aufbrechen zu können. Stehen zu wenig Zeit und Raum für die experimentelle Auseinandersetzung mit einer Theorie, Hypothese oder These zur Verfügung – indem beispielsweise an 50-minütigen Unterrichtseinheiten festgehalten werden muss oder sich die Räumlichkeiten auf ein enges Klassenzimmer beschränken – so können diese Konventionen Experimentierprozesse erheblich beeinträchtigen beziehungsweise ihr In-Gang-Kommen sogar verhindern. Zudem muss im Sinne einer adäquaten Lernumgebung das für den jeweiligen Untersuchungsgegenstand erforderliche Equipment vorhanden sein und es sollte die Option gegeben sein, bei Bedarf externes Personal in den Unterricht einzubinden, das die SchülerInnen unterstützt und Impulse liefert (vgl. Langbehn 2001: 41–47;star (*7) Schwarzbauer 2014: S. 94–99;star (*10) Wieneke 2016: 291–300star (*13)).

Das Spektrum an pädagogischen Konsequenzen erweitert sich noch, bezieht man neuerlich den konkreten ‚Vermittlungsgegenstand‘ – nämlich experimentelle Musik – in die Überlegungen ein.

Die Vermittlung experimenteller Musik erfordert beides: sowohl Eingrenzung und Öffnung als auch Lenkung und Freiheit

Neben den allgemeingültigen Charakteristika, die die verschiedenen Verwendungsweisen des Experiments prägen, weist experimentelle Musik (ebenso wie experimentelle Kunst anderer Sparten oder naturwissenschaftliche Experimente) spezifische Merkmale auf, die für den jeweiligen Kontext, in dem sie verwendet werden charakteristisch, aber nicht einheitlich definierbar sind. Diese können meines Erachtens nur ausgehend von konkreten Beispielen festgemacht werden. Für die Unterrichtspraxis ergibt sich aus der Unmöglichkeit der einheitlichen Definition die Notwendigkeit einer vorläufigen Eingrenzung des ‚Vermittlungsgegenstands‘: die Konzentration auf eine Auswahl von repräsentativen Beispielen, um daraus Merkmale experimenteller Musik abzuleiten. In diesem Zusammenhang erscheint es mir wichtig, sich als Lehrperson der Problematik dieser an Einzelphänomenen orientierten Selektion und Reduktion bewusst zu sein und sie auf die Phase der ersten ‚Begegnungen‘ mit experimenteller Musik und Kunst anderer Sparten zu beschränken, um die Lernenden Schritt für Schritt an ein Genre heranzuführen, das ihnen in der Regel zunächst fremd ist. Andernfalls besteht die Gefahr zu suggerieren, es gäbe nur ein auf spezifische Merkmale eingegrenztes Repertoire an möglichen Experimentierhandlungen, auf das sich eine eigene Experimentiertätigkeit beschränken müsse. Eine qualitätsvolle Vermittlung experimenteller Musik intendiert jedoch das genaue Gegenteil: Es sollen Experimentierräume geöffnet werden, in denen zunächst ‚alles möglich‘ ist – innerhalb derer sich die Lernenden frei ‚bewegen‘ und ihre Theorien, Hypothesen, Thesen und persönlichen Vorstellungen erproben, weiterentwickeln oder gegebenenfalls verwerfen können. Gleichzeitig soll einem völligen Abgleiten in die Beliebigkeit im Sinne eines planlosen ‚Ausprobierens‘ entgegengewirkt werden, geht es doch darum, eine gewisse – experimentelle Musik charakterisierende – Ästhetik zu vermitteln. Für die Lehrperson bedeutet dies, ihre Rolle den Bedürfnissen der Lernenden entsprechend flexibel zu gestalten und eine Balance zwischen Lenkung des Unterrichtsgeschehens und Gewährung von Freiheiten zu finden. (vgl. Langbehn 2001: 41–47;star (*7) Schwarzbauer 2014: S. 64–100;star (*10) Handschick 2014: 297–302;star (*6) Wieneke 2016: 300–305star (*13)).

Nun handelt es sich bei diesen pädagogischen Leitideen keineswegs ausschließlich um neue Überlegungen. So werden viele Aspekte – wenngleich teilweise anders systematisiert – auch in der Fachliteratur angeführt (auf eine Auswahl an Texten zu dieser Thematik verweise ich jeweils in Klammer). Inwiefern diese jedoch für eine ‚sinnvolle‘ Vermittlung experimenteller Musik konstitutiv sind beziehungsweise welche weiteren Faktoren in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen (können), darüber soll eine empirische Untersuchung Aufschluss geben. Zu diesem Zweck wurde das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG entwickelt und dabei im Besonderen darauf geachtet, die in diesem Abschnitt explizierten Leitideen im Zuge der Konzeption zu berücksichtigen.

III. Einblicke in die Praxis: Das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG

Im Rahmen des Projektes *4 *(4) widmen sich etwa 50 SchülerInnen im Alter zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren (in insgesamt vier Phasen) folgenden Fragen:

  • Welche Klänge können auf/ mit/ durch verschiedene/n ‚Körper/n‘ erzeugt werden?
  • Was kann zum Klangkörper werden? Wie ‚klingt‘ der menschliche Körper?
  • Wie entstehen Klänge?
  • Was klingt an verschiedenen Körpern?
  • Was versteht man unter dem Begriff des Experiments?
  • Wie wird in verschiedenen Disziplinen experimentiert?
  • Was ist experimentelle Musik?

Steht also inhaltlich die Auseinandersetzung mit verschiedenen Klangerzeugern und Klängen aus künstlerischer und aus naturwissenschaftlicher Perspektive im Zentrum des Interesses – die Klangkörper und Körperklänge bilden sozusagen die materielle Grundlage –, so wird in Bezug auf die Methode das Experiment in seinen unterschiedlichen Bedeutungen und Verwendungsweisen zum zentralen Handlungsprinzip. Aufgrund der Anlage des Projektes werden die Lernenden in zweierlei Hinsicht selbst forschend tätig: zum einen im experimentierenden Umgang mit verschiedenen Klangerzeugern und Klängen; zum anderen – auf einer Metaebene – als Personen, die die Aufgabe haben, sämtliche Arbeitsphasen, die sie im Zuge des Projektes durchlaufen, mittels eines Prozess-Portfolios zu dokumentieren und reflektieren.

Ziel der ersten drei, gegenwärtig bereits abgeschlossenen Projektphasen ist es, die Lernenden an die dem Projekt zugrundeliegende Methode, das Experiment, heranzuführen.

PHASE I:

Der Start ins Projekt erfolgte im Jänner 2017 mit einer Kick-off-Veranstaltung. Im Sinne einer Einstimmung besuchten die SchülerInnen gemeinsam zunächst das Museum der Moderne Salzburg. Im Anschluss daran wurde ihnen erstmals der Projektverlauf im Detail vorgestellt und sie wurden anhand von Warm-ups mit methodischen und thematischen Details vertraut gemacht.

PHASE II:

In Phase II (Februar) wurde in vier Doppelstunden gemeinsam mit den SchülerInnen der Begriff des Experiments in seinen unterschiedlichen Verwendungsweisen anhand von ausgewählten Beispielen aus der künstlerischen sowie naturwissenschaftlichen Praxis erarbeitet. Er wurde aus der Perspektive der Fächer Musik und Deutsch sowie Biologie und Psychologie beleuchtet. Im Bereich der Künste wurden folgende Beispiele experimenteller Musik beziehungsweise experimenteller Poesie einer näheren Betrachtung unterzogen: John Cages Sonata V für präpariertes Klavier aus der Sammlung Sonatas and Interludes (1946–1948) und 4’33 (1952), Ein Lautgedicht von Gerhard Rühm und Blasmusik sowie Gesums aus Dieter Schnebels Werkzyklus Schulmusik I (1974).*5 *(5)

Daraus leiteten die SchülerInnen folgende Merkmale experimenteller Handlungen in den Künsten ab:

  • die Suche nach dem Neuen, dem Unbekannten, dem Noch-nie-Dagewesenen
  • das forschende Suchen, nach neuem Material, neuen Klängen, neuen Formen, neuen Präsentationsmöglichkeiten
  • das Ausprobieren
  • Dekonstruktion und Neukonstruktion
  • das Infrage-Stellen von Wahrnehmungsmustern
  • das Infrage-Stellen von gängigen Auffassungen
  • das Loslösen von der ursprünglichen Funktion
  • das Generieren von neuen Funktionen und Bedeutungen
  • die Entwicklung von neuen Konzepten
  • RezipientInnen werden zu ExperimentatorInnen und KomponistInnen

PHASE III:

Darauf folgte im März und April 2017 die sogenannte ‚Workshop-Phase‘. In diesem Zeitraum wurden den SchülerInnen verschiedene Experimentierfelder zum Thema KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG eröffnet. Die Workshops wurden von KünstlerInnen beziehungsweise NaturwissenschaftlerInnen geleitet und hatten einerseits das Ziel, den SchülerInnen einen Einblick in die Arbeit der/des jeweiligen Leiterin/Leiters zu gewähren. Andererseits ging es für die Lernenden darum, erstmals selbst experimentierend tätig zu werden. Aus insgesamt sechs Workshops konnten die SchülerInnen drei auswählen, die sie besonders interessierten.

PHASE IV:

Gegenwärtig befindet sich das Projekt in Phase IV, der tatsächlichen ‚Experimentierphase‘. Die SchülerInnen entschieden sich Anfang Mai 2017 für ein spezifisches Experimentierfeld, dem sie sich intensiv widmen möchten. Sie formierten sich zu Arbeitsgruppen, in denen sie seither selbsttätig – je nach gewähltem Experimentierfeld – im Wesentlichen an drei Aufgaben arbeiten:

  • Sie entwickeln zum Projektthema 80-minütige Experimentier-Workshops für SchülerInnen im Alter von zwölf bis fünfzehn Jahren.

 

Workshop Klangkörper

Workshop Klangkörper

Titel: Freemotional
Bereich: Tanz
Ausführende: Lili, Melissa, Victoria, Ida, Kordula, Elena
Teilnehmer/innenanzahl: max. 20
Alter: 12-15 Jahre
Dauer: 80 Minuten
Kurzbeschreibung/Abstract:
Du hast dich schon immer gefragt, was es heißt, in den Künsten zu experimentieren, im Speziellen im Tanz? Du wolltest schon immer Unkonventionelles ausprobieren? Dann bist du in diesem Workshop genau richtig! – Wir versuchen, dir unter Einbezug von verschiedenen Tanztechniken ganz neue und ungewöhnliche Zugänge zum Tanzen zu bieten. Es werden Kurzperformances entwickelt und zum Abschluss präsentiert.

Informationen zum Tanzworkshop, den die SchülerInnen für das Programmheft zum SchülerInnensymposium entwickelt haben.

  • Sie konzipieren und gestalten eine eigene intermediale künstlerische Performance zum Projektthema. Im Zuge dessen haben sie sich zur Gruppe AG EXP.ART formiert und stellen ‚Gießkannen-Experimente‘ in den Mittelpunkt ihrer Performance.
  • Zudem konzipieren sie eine Ausstellung, die zum einen die Dokumentation des gesamten Projektverlaufs zum Ziel hat, in der zum anderen aber auch Installationen und Bilder präsentiert werden sollen.

PRÄSENTATION:
Die Ergebnisse werden im Rahmen eines öffentlichen SchülerInnensymposiums präsentiert, das am Kooperationsschwerpunkt Wissenschaft und Kunst stattfindet und an dem etwa 100 SchülerInnen verschiedener Salzburger Schulen teilnehmen werden. Am Abend desselben Tages findet im Großen Studio der Universität Mozarteum Salzburg eine Aufführung der Performance statt. Diese Aufführung wird durch Darbietungen der AG Neue Musik des Hertzhaimer-Gymnasium Trostberg (Bayern) unter der Leitung von Bernhard Zörner und der AG Neue Musik des Leininger-Gymnasiums Grünstadt (Rheinland-Pfalz) unter der Leitung von Silke Egeler-Wittmann ergänzt. Den Abschluss der Veranstaltung bildet eine Ausstellungseröffnung, in der Galerie enter: Raum für Kunst im KunstQuartier.

IV. Abschließende Bemerkungen – Zur Evaluation von KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG

KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG wird als Teil meiner Dissertation wissenschaftlich begleitet und evaluiert: Im Rahmen einer empirischen Studie untersuche ich den Projektverlauf aus der Perspektive aller ProjektpartnerInnen. Einerseits, um in diesem Kontext freigesetzte Erfahrungsprozesse der SchülerInnen zu beschreiben. Andererseits, um Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie schulischer Unterricht, der die Vermittlung experimenteller Musik zum Ziel hat, ‚idealerweise‘ organisiert und konzipiert sein soll. Für die Umsetzung des Projektes KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG habe ich versucht – ausgehend von den in diesem Text dargelegten pädagogischen Leitideen – Bedingungen, die mir ‚ideal‘ erscheinen, bereits im Vorfeld herzustellen. Zu diesem Zwecke habe ich Strukturen, wie sie den Schulbetrieb der gymnasialen Oberstufe prägen, aufgebrochen. Nach Abschluss des Projektes gilt es, diese Bedingungen hinsichtlich ihrer Nützlichkeit zu reflektieren. Mein besonderes Interesse besteht in diesem Zusammenhang darin, die Bedeutung der interdisziplinären Auseinandersetzung der Lernenden mit dem Begriff des Experiments für deren experimentierend-schöpferisches Tätigwerden in den Blick zu nehmen.

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Bacon, Francis (1620): Neues Organon: lateinisch–deutsch. Herausgegeben von Wolfgang Krohn (1990). Hamburg: Meiner.

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Blumröder, Christoph von (1981): Experiment, experimentelle Musik. In: Eggebrecht, Hans Heinrich (Hg.): Handwörterbuch der musikalischen Terminologie. Wiesbaden: Franz Steiner Verlag.

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Brandstätter, Ursula (2011): Experimentelle Musik braucht experimentelle Didaktik. Das Projekt „QuerKlang“ an der Universität der Künste Berlin. In: Diskussion Musikpädagogik, Heft 51. Hamburg: Hildegard Junker Verlag, S. 12–16.

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Brandstätter, Ursula (2013): Erkenntnis durch Kunst. Theorie und Praxis der ästhetischen Transformation. Wien u.a.: Böhlau.

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Brockhaus(Hg.) (2006): Experiment. In: Brockhaus. Enzyklopädie in 30 Bänden. Band 8. Mannheim u.a.: Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG, S. 648.

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Handschick, Matthias (2014): Künstlerische Freiheit pädagogisch anleiten? Überlegungen zum Problem der Betreuung individueller und kollektiver schöpferischer Prozesse im Musikunterricht sowie zum didaktischen Potential offener Wahrnehmungssituationen. In: Schwarzbauer, Michaela/ Hinterberger, Julia (Hg.): Individuum – Collectivum. Dokumentation eines Projekts im Rahmen des Forschungsprogramms „Sparkling Science“. Wien: UE, S. 297–309.

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Langbehn, Andreas (2001): Experimentelle Musik als Ausgangspunkt für Elementares Lernen. Saarbrücken: Pfau.

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Langer, Armin (2008): Stell dir vor, es wird Musik vermittelt, aber keiner macht mit. Aspekte zu einem häufig verwendeten Begriff. In: Malmberg, Isolde/ Wimmer, Constanze (Hg.): Communicating Diversity. Musik lehren und lernen in Europa. Festschrift für Franz Niermann. Augsburg: Forum Musikpädagogik, S. 187–193.

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Schulz, Andreas/Wirtz, Markus/Starauschek, Erich (2012): Das Experiment in den Naturwissenschaften. In: Rieß, Werner/Wirtz, Markus/Barzel, Bärbel/Schulz, Andreas (Hg.): Experimentieren im mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterricht. Schüler lernen wissenschaftlich denken und arbeiten. Münster u.a.: Waxmann Verlag, S. 15–38.

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Schwarzbauer, Michaela (2014): „Individuum – Collectivum“: der Forschungsprozess. In: Schwarzbauer, Michaela/Hinterberger, Julia (Hg.): Individuum – Collectivum. Dokumentation eines Projekts im Rahmen des Forschungsprogramms „Sparkling Science“. Wien: UE, S. 47–100.

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Stiller, Barbara (2008): Erlebnisraum Konzert. Prozesse der Musikvermittlung in Konzerten für Kinder. Regensburg: ConBrio.

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Thiers, Bettina (2016): Experimentelle Poetik als Engagement. Hildesheim: Georg Olms Verlag.

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Wieneke, Julia (2016): Zeitgenössische Musik vermitteln in Kompositionsprojekten an Schulen. Hildesheim u.a.: Georg Olms Verlag.

Vermittlung verstehe ich im Sinne von Barbara Stiller und Armin Langer als einen kommunikativen Prozess, an dem Lernende gleichermaßen wie Lehrende und KünstlerInnen aktiv beteiligt sind (vgl. Stiller 2008: 41; Langer 2008: 187–193).

Ich meine damit experimentelle Kunst aus den Bereichen der Musik, des Tanzes, der bildenden Kunst sowie der Literatur sowie auch intermediale Kunst.

„Es bleibt die reine Erfahrung, die, wenn sie zustößt, Zufall, wenn sie gesucht wird, Experiment heißt“ (Übersetzung zit. nach Langbehn 2001: 38).

Dieses Projekt ist nur aufgrund von Sondergenehmigungen durch den Schulgemeinschaftsausschuss sowie Kooperationspartner und finanzieller Unterstützung durch das Land Salzburg, Kulturkontakt Austria und den Programmbereich ConTempOhr. Vermittlung zeitgenössischer Musik auf die in diesem Abschnitt skizzierte Weise realisierbar. So kann es als Wahlpflichtfach – in den Regelunterricht integriert – stattfinden, es besteht die Möglichkeit, die vorgegebenen Unterrichtszeiten flexibel zu gestalten und die Unterrichtsorte dürfen variieren. Alle Kosten (Eintritte, Personal-, Material-, Fahrt- und Werbekosten) können mittels der finanziellen Zuwendungen abgedeckt werden und die benötigten Räumlichkeiten werden von der Paris Lodron Universität sowie der Universität Mozarteum Salzburg (welche als Kooperationspartnerinnen gewonnen werden konnten) zur Verfügung gestellt.

Folgende Kriterien haben mich bei der Auswahl dieser Beispiele geleitet: Die Werke werden in der Fachliteratur explizit dem Genre experimentelle Poesie beziehungsweise experimentelle Musik zugeordnet (vgl. Blumröder 1981; Thiers 2016: 70–80). Sie eignen sich für eine Betrachtung im Rahmen des schulischen Unterrichts. Zudem sind sie in ihrer Konzeption sehr unterschiedlich, beziehen sich aber alle auf unterschiedliche Weise auf das meinem Projekt zugrundliegende Thema KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG.

Katharina Anzengruber ( 2017): Schulische Experimentierräume im Spannungsfeld von Kunst und Wissenschaft. Ein interdisziplinärer Ansatz zur Vermittlung experimenteller Musik im Unterricht der Sekundarstufe II: Pädagogische Leitideen und Einblicke in das Projekt KLANGKÖRPER – KÖRPERKLANG. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/schulische-experimentierraume-im-spannungsfeld-von-kunst-und-wissenschaft/