Kunst und Wissenschaft als Experiment

Über begriffsgeschichtliche Aspekte, Formen institutioneller Expansion und die Praxis von uncertainty-based arts

Der folgende Beitrag geht von der Vorannahme aus, dass künstlerische Aktivitäten vielfach kulturspezifische Zuschreibungen erfahren, die sich auf weitere verbale Deutungen in Kunstheorie und -kritik bahnend auswirken können. Eine dieser Zuschreibungen stellt ‚experimentell‘ dar. Der nachfolgende Gedankengang besteht aus zwei Teilen: In Teil 1 kommt ein aktuelles Beispiel sogenannter experimenteller Kunst zur Sprache: ein Beispiel, bei dem Gegenstände bzw. Situationen infolge verbaler Interventionen individuell vorgestellt werden können. Teil 2 enthält einige Überlegungen zur Sinnhaftigkeit, in Wissenschaft und Kunst von ‚Experimenten‘ bzw. ‚experimentellem‘ Handeln zu sprechen. Dargelegt werden vier Thesen, (1.) zum Begriffsverständnis von ‚Experiment‘, (2.) zur institutionellen Expansion experimentellen Handelns in den Wissenschaften beziehungsweise Künsten, (3.) zur Rolle von Experimenten in bestimmten Formen künstlerischer Forschung und schließlich (4.) zu einer möglichen begrifflichen Alternative.

1. Experimentelle Kunst?

Ich schlage vor, zunächst mithilfe folgender Beschreibung das innere Auge zu aktivieren: Zwei Laufbänder führen hinauf in das oberste Stockwerk eines Gebäudes. Die Aufwärtsfahrt lässt sich als gemächlich beschreiben, sodass die Aufmerksamkeit auch anderem gelten kann, beispielsweise Stimmen aus dem Off. Diesen Stimmen näher zu kommen, erlaubt mehr und mehr wahrzunehmen; zu hören sind unaufgeregt gesprochene Sequenzen wie beispielsweise: „Bleistifte stecken mit der Spitze nach außen im Kopf.“ Oder: „Zwei Autos nebeneinander so nah, dass sich die Türen nicht öffnen lassen.“ Oder: „Öltanker, platziert auf Wolkenkratzer in Downtown.“ Oder auch: „Ein Viertelkilo Butter, auf dem Nebensitz eines 3er BMWs.“

Welche Vorstellungen können, angeregt durch diesen Textimpuls, aktiviert werden: Imaginationen der beschriebenen Geschehnisse, wie der beiden eng geparkten Autos? Erinnerungen an selber Erlebtes? Vermutungen zu meiner Absicht, diese Andeutungen zu machen? Das eben angesprochene Szenario und einiges mehr war von 23. März bis zum 27. August 2017 im Space01 des Kunsthaus Graz zu erleben, und zwar unter dem nicht ganz alltäglichen Titel Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach. So einprägsam dieser Titel des österreichischen Skulpturen-Künstlers Erwin Wurms wirken mag, so wenig lassen sich fußballgroße Tonklumpen auf hellblauem Autodach vor Ort tatsächlich antreffen oder gar berühren; Gleiches gilt für die anderen verbal angezeigten Gegenstände. Sie alle existieren alleine in der von den Ansagen stimulierten Vorstellung – oder eben nicht. Diese Vorstellungen zuzulassen, braucht ein Mindestmaß an Sich-Einlassen-Können auf Wurms akustische Einladungen und ein Sich-Einlassen-Wollen auf etwas, für das ich vorschlage von ‚angesagter Kunst‘ zu sprechen.

Eine entsprechende Vorkenntnis vorausgesetzt, lassen sich bei all diesen im Space01 verteilten Arbeiten ironische Anspielungen auf frühere Arbeiten aus fremder oder eigener Werkstatt ausmachen und Ingredienzien alltäglichen Lebens (nicht nur) in Österreich erkennen. Der Gesamttitel Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach entpuppt sich für jene, die Wurms Schaffen kontinuierlich verfolgen, als Bestandteil seiner klingenden Wortskulpturen. Letztere lassen sich übrigens seit kurzem auch lesen, und zwar in dem Buch tief Luft holen und Luft anhalten.star (*32)*1 *(1)
In einem am 23. März 2017 ausgestrahlten ORF-Interview erklärte Wurm das medial mehrschichtige, maßgeblich mit Vorstellungsaktivitäten des Publikums rechnende Unterfangen im Kunsthaus Graz:

„Ich wollte etwas ganz Experimentelles machen. Ich muss mich jetzt nicht mehr darstellen oder behaupten –ich habe ein relativ großes Werk hinter mir, und die Leute wissen, was sie von mir erwarten können. Darauf wollte ich antworten, indem ich etwas anderes mache. Für mich ist es am interessantesten, riskant zu sein –Experimente zu machen.“ (Wurm 2017: o.S.)star (*33)

Wurms Worte verdienen meines Erachtens Beachtung, beispielsweise im Hinblick auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen es sinnvoll sein kann, in Wissenschaft und Kunst von Experimenten beziehungsweise experimentellen Handlungen zu sprechen.

2. Vier Thesen über ‚Experimente‘

Wie die Germanistin Gunhild Berg 2009 bemerkt und umfassend rekonstruiert hat, erlebte der Begriff ‚Experiment‘ im Laufe der letzten mehr als 400 Jahre eine beachtliche, bis vor kurzem einigermaßen kontinuierlich gestiegene Konjunktur. (Vgl. Berg 2009)star (*1) Das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache (DWDS) bestätigt diesen Befund in der Auswertung von mehr als 31.000 Belegstellen seit dem 15. Jahrhundert auch statistisch. (Vgl. DWDS o.J.: o.S.)star (*16)

Abb. 1: Statistik zur Häufigkeit des Wortes ‚Experiment‘ in deutschsprachigen Textarchiven, online: https://www.dwds.de/wb/Experiment (1. April 2017)

Hand in Hand ging mit dieser Konjunktur nicht nur der „Entstehungsprozess der modernen Wissenschaften“ (Berg 2009: 55)star (*1) – wie es im Untertitel jenes Sammelbandes Wissenschaftsgeschichte als Begriffsgeschichte heißt, in dem auch Berg publizierte –, sondern auch künstlerische Entwicklungen desselben Zeitraums. Berg spricht in einer Kurzvorstellung des von ihr geleiteten, 2011 gestarteten DFG-Projekts ‚Versuch‘ und ‚Experiment‘. Konzepte des Experimentierens zwischen Naturwissenschaft und Literatur (1700–1960) gar im Singular von einem „Experimentierverständnis der Moderne“.*2 *(2) Diese Zuschreibung lässt sich im Blick auf Diskurse über Beispiele künstlerischer Experimente immerhin bedingt argumentieren, was mich zu These 1 veranlasst:

These 1: Der klärungsbedürftige Sammelbegriff ‚Experiment‘ steht, etymologisch gesehen, für zumindest zwei verschiedene Formen planvollen, versuchsweisen und ergebnisoffenen Handelns.

Das in künstlerischen und wissenschaftlichen Zusammenhängen vielfach anzutreffende Wort ‚Experiment‘ bedarf der Klärung. Ein Beispiel: In musikalischem Kontext existiert zwar der in München gegründete Verein für experimentelle Musik,*3 *(3) zu dessen Initiativen ein seit 1996 entsprechend benanntes Festival und eine gleichlautende Zeitschrift zählen. Gleichwohl führte die Vereinsgründung bislang zu keinem Einvernehmen, was unter ‚experimenteller Musik‘ (nicht) zu verstehen sei.

Etymologisch beleuchtet (vgl. DWDS o.J.: o.S.)star (*16) geht das Substantiv ‚Experiment‘ auf das lateinische ‚Experimentum‘ und das davon abgeleitete Verb ‚experīrī‘ zurück. Innerhalb der deutschen Sprache verblieb das Wort ‚Experiment‘ zunächst vorwiegend in medizinischen Kontexten – als Synonyme finden sich gleichermaßen ‚Versuch‘, ‚Probe‘ und ‚Beweis‘. So bürgerte es sich beispielsweise ein, in einem als ‚Experiment‘ bezeichneten Vorgang die Wirkung einer Arznei zu erproben.

Dass später nicht nur in medizinischen Kontexten und eben auch in künstlerischen Zusammenhängen zunehmend häufiger von Experimenten die Rede war, vermag nicht wirklich zu überraschen: Bis weit ins 18. Jahrhundert bestand die heute übliche konzeptionelle Unterscheidung zwischen ‚künstlerischen Handlungen’ und ‚Wissenschaft‘ nicht. Beispielsweise rühmt Joseph Haydn noch am 16. Februar 1785 Wolfgang Amadeus Mozart, dieser habe „Geschmack und über das noch die größte Kompositionswissenschaft“ (Feder 2005: 262).star (*8)

Beim Versuch einer typologischen Bestimmung von Experimenten lässt sich mindestens zwischen zwei Formen unterscheiden: Realexperimente und Gedankenexperimente. Realexperimente finden intersubjektiv wahrnehm- und dokumentierbar statt, und zwar entweder im Labor oder im Feld.*4 *(4)

Die Durchführung von Realexperimenten verlangt ein Mindestmaß an ‚vorausschauender‘ Planung. Ebenfalls im neurobiologischen Sinn mental repräsentiert, jedoch auf erfahrungsbasierte Vorstellungen konzentriert sind hingegen Gedankenexperimente. Dabei handelt es sich weniger um vergleichsweise folgenlose Gedankenspiele oder gar um sogenannte Luftschlösser, deren Realisierung als nicht machbar gilt, sondern um nicht im empirischen Sinn intersubjektiv durchgeführte, jedoch empirisch prinzipiell realisierbare Versuchsanordnungen. Ihr Status kann als umstritten beschrieben werden: Einerseits liegen etliche prominente naturwissenschaftliche Erkenntnisse vor, deren Basis zunächst Gedankenexperimente waren; zu denken ist beispielsweise an Galileo Galileis Fallgesetze (Discorsi e dimostrazioni matematiche intorno a due nuove scienze, 1638) oder Albert Einsteins Spezielle Relativitätstheorie (Zur Elektrodynamik bewegter Körper, 1905). Andererseits wurde mangels empirischer Evidenz und infolge vager Methodik wiederholt grundsätzliche Kritik am Gedankenexperiment laut. Dies geht unter Umständen so weit, dass in Lexika wie dem 1996 erschienenen New Hacker’s Dictionary star (*17)dem Wortteil ‚thought‘ die Synonyme „ungrounded; impractical, not well-thought-out“ zugeschrieben werden. (Vgl. auch Kühne 2005: 24)star (*12) Die unterschiedliche Einschätzung ist Teil eines Diskurses, der in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen hat. (Vgl. Macho/Wunschel 2004)star (*13) Die Bedeutung rein gedanklicher Tätigkeit im Vorfeld sinnlich wahrnehmbarer künstlerischer Aktivitäten lässt sich beispielsweise mit Blick auf The Invisible Project (1969) veranschaulichen: James Turrell, Robert Irwin und Edward Wortz sprengten damalige Konventionen des Kunstbetriebs, als sie im Rahmen des am Los Angeles County Museum of Art installierten Art and Technology Program (1967-1971) ihr Projekt zwar durchführten, jedoch außer dem Transkript eines resümierenden Gesprächs und wenigen Fotos absichtsvoll nichts an die Öffentlichkeit dringen ließen. Folgt man dem Transkript, Recherchen von Douglas Davisstar (*6) oder der umfänglichen Dissertation von Christopher R. De Fay,star (*7) so ging es bei The Invisible Project um Experimente über mentale Repräsentationen mit und ohne korrespondierende sinnliche Wahrnehmung (etwa in einem sogenannten schalltoten Raum).

Die Grenze zwischen Gedankenspielen und Gedankenexperimenten ist übrigens nicht immer leicht zu ziehen, zumal die hierfür maßgeblichen Vorannahmen in hohem Maß perspektivenabhängig sind. Beispielsweise sprechen sich Texte wie José Saramagos 2005 erstveröffentlichter Roman As intermitências da morte star (*23) für die Möglichkeit aus, mit literarischen Mitteln die Vorstellung von Unsterblichkeit zu entwickeln. Saramago schildert mit satirisch-gespitzter Feder, wie in (nur) einem Land sozusagen über Nacht niemand mehr stirbt. Diesbezügliche Vorstellungstraditionen existieren spätestens seit den frühen Hochkulturen, beispielsweise im – ab dem 3. Jahrtausend im sumerisch-babylonischen Raum entstandenen – Gilgamesch-Epos, in dem vom Traum des König Uruk berichtet wird, zeitlich unbegrenzt zu leben, kurzum: Unsterblichkeit zu erlangen. (Vgl. Gratzer 2017)star (*9) Der Germanist Karl S. Guthe hat diesen und zahlreichen weiteren literarischen Unternehmungen 2015 unter dem Titel Lebenszeit ohne Ende star (*10)eine vergleichende kulturgeschichtliche Sammeldarstellung gewidmet.

These 2: Real- und Gedankenexperimente erfahren seit dem 19. Jahrhundert eine zunehmende institutionelle Verankerung.

Es fällt auf, wie häufig in der jüngeren Geschichte der institutionellen Ausdifferenzierung wissenschaftlicher und künstlerischer Fächer auf den Experimentcharakter abgehoben wurde. Ich denke dabei an die Experimentalphysik, die sich in der Nachfolge u.a. von Galileo Galilei (1564–1642) oder Isaac Newton (1642–1726) sieht und als Prototyp einer auf Experimenten fußenden (Teil-)Disziplin gesehen werden kann. Laut DWDS star (*15)fand der Begriff ‚Experimentalphysik‘ spätestens in den 1760er Jahren Verwendung. In vergleichbarer Form konnten sich im 19. Jahrhundert Teildisziplinen etablieren, die ‚Experiment‘ im Namen führen, wie die auf Versuche des dänischen Hobbyarchäologen Niels Frederik Bernhard Sehested (1813–1883) zurückgehende Experimentelle Archäologie oder die auf Arbeiten von Gustav Theodor Fechner (1801–1887) und Hermann Ludwig Ferdinand von Helmholtz (1821–1894) fußende Experimentelle Psychologie. Kant koppelte seinen Vernunftbegriff an die Praxis des Experimentierens, was die eben (unvollständig) angesprochene Entwicklung wohl ein Stück weit mit befördert hat. Wie auch immer, im 20. Jahrhundert entstanden des Weiteren die unter anderem auf Vernon L. Smiths Schriften der frühen 1960er Jahre zurückgehende Experimentelle Ökonomie (vgl. Smith 1962;star (*28) Piasentin 2017star (*21)) oder die von Peter Cookstar (*5) 1970 initiierte Experimentelle Architektur, in der methodengeleitete Tests beziehungsweise Simulationen zum Einsatz gelangten. Vergleichbare Entwicklungen wie das seit 1957 dokumentierte Aufkommen einer Experimentellen Rechtswissenschaft (vgl. Beutel 1957)star (*2) erscheinen wie Doppelpunkte für einen weiteren Schritt: das Aufblühen der auf Rekonstruktion der Entwicklung historischer Forschung zielenden Experimentellen Wissenschaftsgeschichtestar (*3). In den Worten der Herausgeber des gleichnamigen Sammelbandes fokussiert Experimentelle Wissenschaftsgeschichte „Aussagen über Handlungspraktiken der Wissenschaften, deren historischen Geräte und deren Materialien“ (Breidbach/Heering/Müller/Weber 2010: 13)star (*4) und bezeichnet ihr rekonstruktives Vorgehen als ‚experimentell‘.

Vergleichsweise wenig etabliert, wenn auch da und dort zu bemerken, ist die Rede von einer Experimentellen Bild-, Literatur-, oder Musikwissenschaft. (Vgl. Hauptmeier/Schmidt 1985: 185)star (*11) Das ist nur bedingt verständlich, wo doch spätestens seit den 1960er Jahren gehäuft zum Beispiel von ‚experimenteller Literatur‘, ‚experimenteller Musik‘, oder ‚experimenteller Fotografie‘ die Rede war. Freilich ging es hier nicht um Überprüfung oder Beweis im wissenschaftstheoretischen Sinn, sondern um als unkonventionell, neu- oder gar einzigartig eingeschätzte, jedenfalls antikanonische Versuchsanordnungen künstlerischen Tuns. Zu denken wäre im Bereich der Literatur unter anderem an die von der französischen Gruppe Oulipo verfolgte Idee einer Littérature Potentielle. (Vgl. Schleypen 2004)star (*26) Diese Idee wurde beispielsweise vor nunmehr 50 Jahren in dem schmalen Buch Exercises de style (1947) des Literaten Raymond Queneau (1903–1976) realisiert. Diese und vergleichbare Arbeiten wurden 2016 in einem von Klaus Schenk, Anne Hultsch und Alice Stasková herausgegebenen, umfänglichen Sammelband differenziert dargestellt.star (*25) Und gälte es pars pro toto eine Person zu nennen, schiene es mir naheliegend, an John Cage zu denken, der über Jahrzehnte gleichermaßen musikalisch, literarisch und bildnerisch aktiv war und da wie dort seine Konzepte aleatorischer Werkgenese realisierte, die – zumindest zunächst – als unkonventionell gelten können. Seine 1962 veröffentlichte Arbeit 0’00“ (4′ 33″ No. 2) zum Beispiel rührt erheblich an konventionellen Werk-Vorstellungen.

These 3: Für diskursiv-dokumentarisch ausgerichtete Formen künstlerischer Forschung sind Experimente konstitutiv.

In bestimmten künstlerischen Zusammenhängen – wie dem breiten Spektrum der Künstlerischen Forschung (Artistic Research) – ist zu erkennen, dass experimentelles Handeln konstitutiv wirkt und es eine zunehmende institutionelle Verankerung erfährt. Ein Beispiel: Carl Unander-Scharin (*1964) realisiert seit Jahrzehnten Projekte mit signifikanten Experiment-Anteilen.*5 *(5)(Vgl. Gethmann 2010)star (*34) Der schwedische Komponist, lyrische Tenor und Dirigent studierte in Erweiterung seiner bisherigen Arbeitsfelder ab 2010 in Stockholm an der KTH (The Royal Institute of Technology). Er brachte sein PhD-Projekt über Extended Opera star (*31) 2015 in Zusammenarbeit mit dem Stockholmer University College of Opera zum Abschluss. Der Titel erklärt sich aus der Bestrebung, Realisierungspraktiken des Musiktheaters anlassbezogen zu erweitern. Kommen dabei digitale Techniken zum Einsatz, spricht Unander-Scharin seine ‚extended operas‘ gerne als ‚electronic operas‘ an. So auch im Falle des Musiktheaters The Elephant Man (2009-2012 / UA 2012 in Umeå, 12 Aufführungen)*6 *(6), dessen Thema die historische Person Joseph Merrick (1862-1890) war, der wegen seiner eklatant progressiven körperlichen Deformationen zu Lebzeiten als ‚Elephant Man‘ bezeichnet (und vermarktet) wurde. Dieses Phänomen hat mehrfach künstlerisches Interesse gefunden,  unter anderem in Romanen von Christine Sparks (1981), Bernard Pomerance (1991) und Félix J. Palma (2010). (Vgl. Sparks 1981;star (*29) Pomerance 1991;star (*22) Palma 2010star (*20)) Da wie dort wird das unter kommerziellen Gesichtspunkten ‚erfolgreiche‘ Schicksal Merricks als das eines gesellschaftlichen Außenseiters und eines zunächst allgemeinen, später auch medizinischen „Objektes der Schaulust“ (Schäfer o.J.: 3 und 15)star (*24) dargestellt. Verschiedene popmusikalische Interpretationen bieten sich für einen Vergleich an, darunter der Song Psychiatric (1991) der französischen Sängerin Mylène Farmer, ein Album des amerikanischen Gitarristen Buckethead (2006), sowie drei – auf drei Alben verteilte – Songs der amerikanischen Speed-Metalband Mastodon (2002, 2004, 2006).

In allen genannten Fällen wurden – mehr oder weniger klischeeverhaftet – Perspektiven auf Merrick angeboten. Der doch deutlich andere Ansatz von Unander-Scharin bestand wesentlich darin, zu einer passenden, jedenfalls nicht verharmlosenden szenisch-akustischen Darstellung zu finden. Es sollte nicht nur eine Perspektive auf Joseph Merrick, sondern auch einer Perspektive von Joseph Merrick eröffnet und dessen körpersprachliche Artikulationsmöglichkeiten Thematisierung erfahren werden. In der Einsicht, dass hierfür konventionelles Instrumentarium schwerlich geeignet sei, entwickelte und testete das Künstlerpaar Carl und Åsa Unander-Scharin sukzessive verschiedene Formen sogenannter ‚artificial body voices‘. Der Ausgangspunkt in den Worten von Unander-Scharin: “My concern was, how would it be possible to write an opera about someone who could hardly speak and who certainly couldn’t sing? […] It would not make sense to have him portrayed by the sheer beauty of an operatic voice if you don’t take that particular disability into consideration.” (Zit. n. O.V. 2013: o.S.;star (*35) vgl. auch Unander-Scharin/Höök/Elblaus 2013star (*36))

Die Serie von Experimenten findet sich in seiner Dissertation ausführlich dokumentiert und damit zur Diskussion gestellt. (Vgl. Uander-Sharin 2015: 71ff.)star (*31) Am Ende all dieser Prozesse fiel die Entscheidung zugunsten von „The Throat III“. In Anlehnung an Merricks besonders deformierte Hand wird hierbei an der rechten Hand des Sängers eine interaktive Verbindung zwischen Stimme und Handbewegung möglich.
Künstlerische Forschung, wie im Falle der eben angesprochenen Aktivitäten Unander-Scharins verstanden als Sammelbegriff für diskursiv-dokumentarische Versuchsanordnungen in Bereichen künstlerischen Handelns, korreliert mit dem voraussichtlich 2017 zur Ausschreibung freigegebenen 1000 Ideen Programm des österreichischen Fonds wissenschaftlicher Forschung. Ohne Einschränkung auf traditionelle Wissenschaftsgebiete dient das FWF-Programm dabei ganz grundsätzlich der Förderung „besonders risikoreicher Forschungsideen“ (FWF 2016: 8; 19).star (*37) Das lässt erwarten, dass dieses Programm eine Türe zu dem öffnet, was ich im Folgenden unter dem Begriff der ‚uncertainty-based arts‘ diskutiere.

These 4: Der Neologismus ‚uncertainty-based arts‘ wäre geeignet, den in vielen Fällen missverständlichen Begriff  ‘experimentelle Kunst‘ zu ersetzen.

Künstlerischen Positionen wie jenen von Cage lässt sich mit guten Gründen das zuschreiben, was Philipp R. Herring 1987 mit Blick auf Joyce als „Uncertainty Principle“star (*38) thematisiert hat. ‚Uncertainty‘ ins Deutsche zu übersetzen, verlangt nicht alleine die Worte ‚Unbestimmtheit‹‚bzw. ‚Unklarheit‘ und damit ‚Ungewissheit‘ beziehungsweise ‚Unwägbarkeit‘ miteinzubeziehen, sondern auch ‚Verunsicherung‘ und nicht zuletzt ‚Fehler‘. Ein deutschsprachiges Wort, das all diese semantischen Schichten von ‚uncertainty‘ zum Ausdruck bringt, war mir bislang nicht auffindbar. Wie auch immer: In künstlerischen Zusammenhängen spielen Beweise im mathematischen, logischen oder juridischen Sinn wohl eher selten eine Rolle; (vgl. die Beispiele in der –  lesenswerten – Dissertation von Annegret Huber)star (*39) von daher schiene mir die Rede von ‚uncertainty-based arts‘ sinnvoller als jene von experimentellen Künsten, auch wenn es wie erwähnt schwer fällt, hierfür eine passende deutsche Übersetzung zu finden (‚Ungewissheitskunst‘ etwa schiene allzu verkürzend). Zwar stimme ich nicht mit Gunhild Berg überein, wenn diese angesichts des Einzugs des ‚Experiment‘-Begriffs in die Geistes- und Sozialwissenschaften mutmaßt: „Es hat den Anschein, als ob die Geisteswissenschaften (gleichgültig, ob via Definition, Verwendung, Methodik o.ä.) für ihren Anspruch kämpfen, am gesellschaftlich respektierten und prämierten (Natur-)Wissenschaftsdiskurs teilzuhaben.“ (Berg 2009: 70)star (*1) Weiters will ich mit meinem Votum für ‚uncertainty-based arts‘ nicht aufs Neue die von Zeit zu Zeit auflodernde ‚Zwei Kulturen‘-Debatte über inkompatible Merkmale verschiedener Handlungskonzepte wie jenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Tuns verlängern. Schon gar nicht will ich verkennen, dass sich Bedeutungszuschreibungen von Begriffen geschichtlich verändern können. So ist nicht zu übersehen, dass die Rede von experimentellen Handlungen in naturwissenschaftlichen, sozialwissenschaftlichen und eben auch künstlerischen Kontexten alltäglich geworden ist. Doch sollte es meines Erachtens nicht nur möglich sein, sondern auch als Ziel gelten dürfen, unterschiedsbasiert zu argumentieren, ohne sofort Konkurrenz-Affekte zu bedienen. Deshalb schlage ich ‚uncertainty-based arts‘ als Alternative zum vergleichsweise missverständlichen Begriff ‚experimentelle Kunst‘ vor.

Mag es als schwierig oder gar aussichtslos erscheinen, eine Alternative zum Begriff ‚experimentelle Kunst‘ zu etablieren, so bleibt die Änderung doch möglich. Ich komme damit noch einmal auf Teil 1 meiner Überlegungen zurück. Erwin Wurms Kommentar zu seiner aktuellen Grazer Ausstellung Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach könnte Widerstand hervorrufen; beispielsweise ließe sich einwenden, dass im Falle von Wurms insgesamt höchst erfolgreicher Karriere von Risiko schwerlich die Rede sein kann – jedenfalls insofern nicht, als doch dessen Karriere nach konventionellen Kunstmarkt-Kriterien überaus erfolgreich verläuft.

Vor diesem Hintergrund ist zu fragen: Was bedeutet ‚Risiko‘? Und was bedeutet ‚Risiko‘ im Zusammenhang mit Experimenten? Hierzu ein letztes Mal ein Ausflug in die Etymologie: vulgärlat. ‚Resecum‘ wurde zunächst verwendet, um die Felsklippe, sodann allgemeiner eine Gefahr anzusprechen. Spätestens im 16. Jahrhundert fand das Wort Eingang in die Kaufmannssprache, um dort kalkulatorisches Wagnis zu benennen. (vgl. DWDS: o.S.)star (*19) Hierauf fußen heutige Begriffsverwendungen, wonach dann von ‚Risiko‘ gesprochen wird, wenn im Zuge einer Handlung oder im Zuge der Unterlassung einer Handlung etwas aufs Spiel gesetzt wird, und damit ein „möglicher negativer Ausgang bei einer Unternehmung, mit dem Nachteile, Verlust, Schäden verbunden sind“ (vgl. Duden: o.S.)star (*18), droht.

Nun ist Wurms ‚angesagte’ Kunstarbeit Fußballgroßer Tonklumpen auf hellblauem Autodach wohl schwerlich geeignet, sich in drastischer Weise nachteilig für den Künstler selber, den Kurator beziehungsweise die veranstaltende Institution oder gar das Publikum auszuwirken. Pekuniäre Schäden scheinen beispielsweise nicht ausgeschlossen, aber eher unwahrscheinlich, auch wenn sich Wurms Wortskulpturen nicht wie zum Beispiel seine Skulpturengruppe Selbstporträt als Essiggurkerl (2008) verkaufen lassen. Noch viel weniger ist an gesundheitliche Schäden zu denken, zumal die verhaltene Lautstärke der Ansagen weder AkteurInnen noch Publikum bedroht. Und doch geht Wurm ein Risiko ein, und zwar insofern, als er mit dem teilweisen Verzicht auf konventionelle Kunstgegenstände die Vorstellung der BesucherInnen zwar durch die Wortwahl semantisch stimuliert, diese aber weitgehend frei sind, ihre „mentalen Versuchsanordnungen“ (Macho/Wunschel  2004: 14)star (*14) zu gestalten, im Extremfall Wurms Wortskulpturen als belanglos einzuschätzen und sich etwa mangels Interesse davon abzuwenden.

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Wurm, Erwin (2017): Zitat aus dem ORF-Bericht Erwin Wurms Tribut an die „alte Heimat“ (ö1-Kulturjournal, 23. März 2017, verschriftlicht online nachzulesen: http://steiermark.orf.at/tv/stories/2832938/ (24. März 2017).

Sandra Umathum hat Wurms diesbezügliche Arbeiten 2011 instruktiv im Kontext mit künstlerischen Projekten von Felix Gonzalez-Torres (*1957 in Güaimaro Guáimaro, Kuba) und Tino Sehgal (*1976 London) diskutiert (Umathum 2011). Zu den Gemeinsamkeiten gehört die Strategie, imaginative Relationen zwischen Kunstgegenständen, Museumspersonal und Publikum künstlerisch zu gestalten.

Vgl. die Projektbeschreibung zum DFG-Projekt ‚Versuch‘ und ‚Experiment‘. Konzepte des Experimentierens zwischen Naturwissenschaft und Literatur (1700-1960), online unter: http://gepris.dfg.de/gepris/projekt/194110715 (1. April 2017).

Vgl. http://www.experimentelle-musik.info/ (13. März 2017).

Im Rahmen neuerer Feld- bzw. Aktionsforschung wird seit gut 20 Jahren auch eine Zwischenform etabliert, nämlich das zur Lösung drängender sozialer Probleme für gesellschaftliche Teilgruppen offene ‚Reallabor‘. Beispielsweise haben Uwe Schneidwind und Hanna Scheck 2013 in sozialwissenschaftlichem Kontext über „Die Stadt als ›Reallabor‹ für Systemänderungen“ publiziert. (Vgl. z.B. Schneidwind, Uwe/Scheck, Hanna 2013)

Unander-Scharins Experimente ließen sich kontextualisieren und als Teil einer epochenübergreifenden Geschichte des experimentellen Instrumentenbaus beschreiben. Für instruktive Hinweise zu dieser Geschichte vgl. Daniel Gethmann 2010.

In Auftrag gegeben wurde diese Produktion von der im nordschwedischen Umeå angesiedelten Initiative Norrlandsoperan (http://norrlandsoperan.se/). Bei der Premiere in Stockholm wurde die Titelrolle nach nicht alltäglich verlaufenden Proben-Prozessen von Håkan Starkenber gestaltet.

Wolfgang Gratzer ( 2017): Kunst und Wissenschaft als Experiment. Über begriffsgeschichtliche Aspekte, Formen institutioneller Expansion und die Praxis von uncertainty-based arts. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/kunst-und-wissenschaft-als-experiment/