Kunstauftritt transnational: Kunstmanagement und Textgestaltung für KünstlerInnen

Wie können künstlerische Arbeiten mit Worten ‚eingefangen‘ werden? Und: Geht das überhaupt? Der Herausforderung des (Be-)Schreibens widmete sich im Wintersemester 16/17 eine Studierendengruppe am Schwerpunkt Wissenschaft und Kunst. Im Rahmen der Übung Kunstauftritt transnational wurden unter der Leitung der zwischen Athen und Wien agierenden Kulturmanagerin und Textgestalterin Antonia Rahofer praxisnahe Einblicke in Aufgabengebiete und Arbeitsweisen der Kunst- und Kulturvermittlung geboten.*1 *(1) Der Schwerpunkt lag auf der sprach- und insbesondere textbasierten Präsentation von zeitgenössischer Bildender Kunst und rezentem Filmschaffen. In Zusammenarbeit mit ausgewählten KooperationspartnerInnen wurden (junge) KünstlerInnen und FilmemacherInnen sowie kunstvermittelnde Initiativen aus Griechenland und Österreich dabei unterstützt, sich sowohl einer kunstaffinen Öffentlichkeit als auch einem interessierten Fachpublikum zu präsentieren. In vertiefenden KünstlerInnengesprächen stellten die FotokünstlerInnen Nikolas Ventourakis (Athen/London) und Christiane Peschek (Salzburg), die beide auch an Athen-bezogenen Projekten arbeiten, ausgewählte Arbeiten und darüber hinaus auch ihren Blick auf die Spezifika des österreichischen und griechischen Kunstbetriebs vor.

In der Lehrveranstaltung wurden erste Schreibexperimente ausgehend von installativen Arbeiten von Anna-Sophie Berger, Hayley Silverman und Flaka Haliti und ihrer Gruppenausstellung I Surrender, Dear im Salzburger Kunstverein unternommen. Die Beschreibung zeitbasierter Arbeiten erprobten die Studierenden während eines Besuchs des Rupertinums, wo im Studienraum der Sammlung Generali Foundation zahlreiche Film- und Videoarbeiten zur Einsicht bereitstehen. Eine weitere Übung fand in Reaktion auf ein Special Screening von Nora Friedels Kurzfilm Mimikri (2016) statt.

Ihr Engagement als TextproduzentInnen, -gestalterInnen und ÜbersetzerInnen intensivierten die LV-TeilnehmerInnen in Kleingruppen: Sie erstellten Gebrauchs- und Fachtexte für Portfolios, KünstlerInnen-Webseiten und Online-Medien – finales Lektorat durch KommilitonInnen miteingeschlossen. Auch Übersetzungsarbeiten ins Englische oder Griechische wurden realisiert. Ausführliche Gespräche mit KünstlerInnen und KunstvermittlerInnen wurden gezielt als Recherchemethode eingesetzt und so eröffneten sich nicht nur individuelle Einblicke in spezifische Mechanismen von Kunstproduktion und -betrieb: Durch ihr Aktivwerden als TextproduzentInnen bzw. AutorInnen wurden die Studierenden auch selbst zu KunstfeldakteurInnen. Identitätsstiftende Funktionen von Kunst und damit verbundene Kanonisierungs- und Hierarchisierungsprozesse wurden dabei ebenso reflektiert wie Aspekte von Interkulturalität oder Intermedialität. Dies macht auch folgender Überblick über die unterschiedlichen „Textbaustellen“ und deren jeweilige Themenschwerpunkte deutlich: Eva-Maria Resch und Julija Krištof widmeten sich Christiane Pescheks neuestem Projekt Fear Theories und ihrer individuellen Arbeitsweise mit dem Medium Fotografie. Gemeinsam mit Katharina Augendopler erstellte Julija Krištof zudem eine Analyse von Sepp R. Brudermanns neuester Videoarbeit DaNachHier (2016), die als Teil des Programms pixel, bytes & film – Artist in Residence auf ORF III erstmals einem Publikum präsentiert wurde und dieses mit den Lebenswirklichkeiten von AsylwerberInnen in Österreich konfrontiert.

Flüchtlings- und Austeritätspolitik sind jene Etiketten, unter denen auch die Vier-Millionen-Stadt Athen meistens medial präsentiert wird – und das, obwohl Athen unzählige unterschiedliche Seiten hat, nicht zuletzt eine rege Kunstszene: Kostengünstige Mieten, moderate Lebenserhaltungskosten und die documenta 14, die im Frühjahr/Sommer 2017 in Athen stattfand, tragen dazu bei. Christoph Berger stellt in seinem Beitrag über die Y-Residency eines der Künstleratelier-Projekte vor, die in den letzten Jahren in der Stadt gegründet wurden und damit auf dieses veränderte Interesse reagierten. Katharina Augendopler portraitiert an diese Beobachtung anschließend den Ende 2016 eröffneten Projektraum A-Dash, der flexibel sowohl als Ausstellungsraum, Arbeitsplatz als auch als temporäre Unterkunft genützt wird. Christina König und Carina Greiner beschäftigten sich in ihrem Interview mit der Berliner Filme- und Theatermacherin Nina Hellmuth und deren Begeisterung für diese kontrastreiche Stadt. Seit Jahrzehnten wiederum arbeitet auch Martha Jungwirth, österreichische Grande-Dame der Malerei, auf der griechischen Insel Paros. Eine Serie ihrer farbintensiven Aquarelle wurde im Dezember 2016 erstmals in Athen präsentiert – Iveta Reegen und Antje Scheidt berichteten darüber.

Open Studio am Dach der ‚Y Residency‘. Foto: Courtesy of Y Residency.

Mareike Klingbeil und Tanner Gore Kaufman erstellten ein Portrait der in Athen lebenden Künstlerin und Wissenschaftlerin Maria Papanikolaou, die sich in ihren Arbeiten u.a. mit den Zusammenhängen von Kunst und Recht, nicht zuletzt aber auch mit Graffitikunst beschäftigt. Mit den Auswirkungen der griechischen Schuldenkrise auf das nationale Gesundheitssystem setzt sich der österreichische Filmemacher Bernhard Hetzenauer auseinander, den Sophie Pouget und Francesca Narduzzi zum Gespräch gebeten haben. Mario Eder und Victoria Fahrengruber stellten in einem Interview die junge, griechische Künstlerin Eleanna Balesi vor, die in ihren skulpturalen Arbeiten und Installationen Alltagsgegenstände ihrer gewohnten Bedeutung entledigt. Auf Initiative des vom griechischen Kuratoren-Trio Fotini Kapiris, Georg und Dimitris Georgakopoulos gegründeten Programms Offspring Young Artists, das sich zum Ziel gesetzt hat, jungen und aufstrebenden KünstlerInnen und KuratorInnen aus Griechenland mehr Sichtbarkeit und eine internationale Plattform zu bieten, hat Balesi 2016 erstmals an einer Gruppenausstellung in Österreich teilgenommen: Kunstbetrieb transnational en nuce – als auch par excellence. Zu ihrem Werdegang als Künstlerin, ihrer Teilnahme an KünstlerInnenworkshops und Auswirkungen der Krise in Griechenland auf die Kunstszene erzählt sie in folgendem Interview mit Victoria Fahrengruber und Mario Eder:*2 *(2)

Wie lange arbeitest du bereits kreativ? Wann und warum hast du begonnen, Kunst zu machen?

Als Kind habe ich mich zunächst sehr für Kunsthandwerk interessiert. Schon im Alter von zehn Jahren habe ich eigene Deko-Objekte und Schmuck entworfen, angefertigt und anschließend verkauft. Nachdem ich eine dreijährige Designausbildung absolviert habe, habe ich mich 2011 schließlich an der Kunstuniversität Ioannina eingeschrieben und mein Studium dort 2016 erfolgreich abgeschlossen. Nun befinde ich mich gerade am Beginn meines Masterstudiums an der Athens School of Fine Arts. Insgesamt kann ich also bereits auf eine neunjährige akademische Kunst- und Designausbildung zurückblicken.

Was hat dich dazu bewogen, Kunst zu studieren und dich nicht nur in deiner Freizeit damit auseinanderzusetzen?

Mit Kunst habe ich mich von Kindheitstagen an ganz spontan und ohne Hintergedanken oder Ziele befasst. Es war alles ein ganz natürlicher Prozess. Ich empfand es als notwendig, mich mit den einfachsten Mitteln auszudrücken. Ich war sozusagen auf der Suche nach einer eigenen Art der Kommunikation und wollte eine neue Realität erschaffen. Aber ich wusste irgendwann auch, dass das Studium an einer Kunsthochschule ausschlaggebend für die Bildung meines künstlerischen Charakters sein würde. Glücklicherweise haben dies auch meine Familie und mein privates Umfeld erkannt und mich von Beginn an bis zum heutigen Tage immer unterstützt.

Während deiner Zeit an der Kunstuniversität Ioannina hast du aber nicht nur Wissen vermittelt bekommen, sondern es haben sich auch andere Möglichkeiten für dich aufgetan. Wir denken da an deine Teilnahme am Workshop epitopou15 – einem Projekt auf der Insel Andros, bei dem KünstlerInnen Installationen aus vergänglichen Materialien herstellen, und diese unter Einbeziehung der Bewohner der Insel ausstellen. Möchtest du uns darüber erzählen?

Sehr gerne. Ja, genau, neben erfahrenen KünstlerInnen hatten auch Studierende bei dem Workshop die Möglichkeit, ihre Werke bei den OrganisatorInnen einzureichen und ich befand mich unter den drei StudentInnen, die ausgewählt wurden, daran teilzunehmen. Epitopou15 war für mich eine der besten Erfahrungen, die ich bisher in meinem Leben gemacht habe. Aber selbstverständlich war dieser Workshop auch in Bezug auf mein künstlerisches Schaffen sehr prägend für mich. Leider werden jedoch in Griechenland Veranstaltungen wie epitopou15 nur äußerst selten organisiert.

Das Wort ‚Golden‘ im Titel deiner ersten Einzelausstellung Golden Aid bezieht sich auf das goldene Zeitalter Athens, also das antike Griechenland. Welche Rolle spielt das antike Griechenland heute noch in der griechischen Gesellschaft und welche für dich und deine Kunst?

Im Titel der Ausstellung nahm ich auf das antike Griechenland Bezug, behielt das ‚Golden‘ (von Golden Age) und fügte ‚Aid‘ (first aid) hinzu. Im Grunde habe ich versucht, die Vergangenheit mit der Gegenwart zu verbinden, wobei diese Verbindung eher ironisch gemeint ist. Meine Werke thematisieren die ungerechte Verteilung des Reichtums sowie die Krise, die nicht nur wirtschaftlich, sondern auch moralisch ist. Der spirituelle Geist und der Fortschritt der Antike können mit der heutigen Situation eigentlich nicht mehr verglichen werden. Doch obwohl die griechische Antike weit von der gegenwärtigen Realität entfernt ist, fließt sie in mein Werk ein. Ich spreche gegenwärtige Probleme auf ungezierte Art und Weise an und versuche, die Menschen mit dem Titel Golden Aid dazu zu bewegen, sich an die Vergangenheit zu erinnern, und gleichzeitig möchte ich auf Verbindungen, Ähnlichkeiten und Unterschiede zur Gegenwart aufmerksam machen.

Golden Aid. Foto: Offspring Young Artists

Du hast 2016 an der Gruppenausstellung Powerfool in Wien teilgenommen. Kannst du aufgrund deines Wienaufenthalts einen Vergleich zwischen der österreichischen und der griechischen Kunstszene ziehen?

Da ich nur dieses eine Mal in Österreich war, habe ich diesbezüglich keine große Erfahrung. Ich hatte aber den Eindruck, dass die sozialpolitische Situation wie auch die schwierige wirtschaftliche Lage Griechenlands innerhalb der österreichischen Kunstszene auf großes Interesse stoßen. Ich denke, dass die Kunstszene in Österreich durchaus dynamisch und imstande ist, NachwuchskünstlerInnen erfolgreich zu fördern, was in Ländern wie Griechenland leider nicht oder kaum geschieht.

Welche Auswirkungen hat die Krise in Griechenland deiner Meinung nach auf die Kunstszene?

Ich denke, die Wirtschaftskrise ist für einen großen Teil der GriechInnen spürbar. Bis auf ein paar Ausnahmen wird wohl die Mehrheit der griechischen KünstlerInnen durch die Krise beeinflusst, was sich auch in deren Kunstwerken widerspiegelt. Ich denke, dass die Not den Drang sich auszudrücken verstärkt, auch wenn dies bedeutet, finanzielle Motive hintanzustellen.

Warum arbeitest du hauptsächlich mit alltäglichen Gegenständen und vergänglichen Materialien? Haben diese eine persönliche Bedeutung für dich?

Die von mir gewählten Gegenstände und Materialien sind stets mit den Themen, die ich behandle, verbunden. Sie dienen bestimmten Funktionen des jeweiligen Werkes und damit auch mir persönlich.

Du thematisierst in deiner Arbeit sehr stark die sozialpolitische Situation in Griechenland. Fließen dabei auch Geschichten aus deinem persönlichen Umfeld in deine Kunst ein?

Mein Alltag hängt sehr stark mit dem Alltag meines persönlichen Umfeldes zusammen. Es gibt keine Trennung. Ich bin selbst Teil dieses sozialen Umfeldes, und auf Grundlage meiner Erfahrungen darin repräsentiere ich es mit künstlerischen Mitteln.

Was sind deine nächsten Projekte?

Eines meiner nächsten Projekte wird die Teilnahme an der Ausstellung Artists in Athens – City of crisis in der Michael Cacoyannis Foundation in Athen und in der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Berlin sein. Außerdem werde ich an der 8th Biennale of New Artists in Greece teilnehmen. Parallel dazu arbeite ich an einem Projekt, das ich wounded and the injured artistic gesture betitele. Und neben all diesen Projekten habe ich nicht zuletzt auch an der Universität einiges zu tun.

 

Ein herzliches Dankeschön an alle KünstlerInnen und KunstvermittlerInnen, die sich mit Input und als InterviewpartnerInnen in diese Lehrveranstaltung miteingebracht haben: Eleanna Balesi, Sepp R. Brudermann, Lina Damoula, Nora Friedel, María Galván, Nina Hellmuth, Bernhard Hetzenauer, Eva Isleifs, Martha Jungwirth, Fotini Kapiris, Noemi Niederhauser, Maria Papanikolaou, Christiane Peschek und Nikolas Ventourakis. Ein besonderer Dank gilt Michaela Prinzinger für die Veröffentlichung ausgewählter Beiträge auf diablog.eu, einer zweisprachigen Onlineplattform für deutsch-griechische Begegnungen. Danke auch an Jürgen Dehm (Museum der Moderne), Susanne Knauseder (Salzburger Kunstverein) und die Galerie Thaddaeus Ropac in Salzburg für die ausführlichen Rundgänge durch ihre Häuser!

Dieses Gespräch fand im Januar 2017 via Skype statt. Bei der Übersetzung vom Griechischen ins Deutsche und retour half Pavlos Kapounis.

Antonia Rahofer, Victoria Fahrengruber, Mario Eder, Eleanna Balesi ( 2017): Kunstauftritt transnational: Kunstmanagement und Textgestaltung für KünstlerInnen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/kunstauftritt-transnational-kunstmanagement-und-textgestaltung-fur-kunstlerinnen/