Felder zeichnen als künstlerisch-wissenschaftliche Praxis

Elke Bippus im Gespräch

Elke Bippus, Professorin für Kunsttheorie und Kunstgeschichte an der Zürcher Hochschule der Künste, hat in den letzten Jahren ‑ u.a. mit dem von ihr herausgegebenen Werk Kunst des Forschens. Praxis eines ästhetischen Denkens (2009) ‑ die internationale Debatte um ‚Künstlerische Forschung‘ entscheidend mitgeprägt. Ihre Überlegungen zum Begriff des ‚Feldes‘, die sie in ihrem Text Landschaft – Karte – Feld: Felder zeichnen. Modelle der Wissensbildung zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Praxis (2005) formuliert hat, bilden zentrale Referenzen in meinem Forschungsprojekt Feldgänge, das ebenfalls in dieser eJournal-Ausgabe vorgestellt wird. Im Mai 2016 bot sich mir die Gelegenheit, Elke Bippus zu einem informellen Gedankenaustausch zu diesem Thema zu treffen.*1 *(1)

Brigitte Kovacs (BK): Ich freue mich sehr, dass ich die Gelegenheit zu diesem Gespräch mit Ihnen habe. Ihr Aufsatz Landschaft-Karte-Feld war sehr inspirierend für mich. In meinem Forschungsprojekt beschäftige ich mich mit dem Gehen als künstlerische Praxis. Obwohl Sie von einem physischen Feld-Begriff ausgehen und ich von einem abstrakten, scheinen mir Ihre Überlegungen für meine Forschung sehr fruchtbar.

Elke Bippus (EB): Warum der Begriff des Feldes? Ist er nicht zu einengend? Meine Vorstellung vom Feld ist die von etwas Begrenztem oder Begrenzbarem. Ist Ihre Konzeption nicht vernetzter gedacht?

BK: Das Feld ist einerseits begrenzt, andererseits offen für Unvorhersehbares. Es gibt eine Begrenzung, weil ich mich auf eine spezifische künstlerische Praxis beschränke und andererseits ist es auch offen, da es verschiedene Optionen der Auslegung gibt und das Unvorhersehbare in meinen Walking Interviews eine bedeutende Rolle spielt. Durch die Spielregeln, die ich selbst aufgesetzt habe, nämlich dass die Interviewpartner den Ort, die Dauer und die Route unseres Walks bestimmen, bin ich fremdbestimmt und gehe offen in die Begegnungen.

EB: Und gleichzeitig mit gewissen Setzungen, die auch wichtig sind. Das Unvorhersehbare ist ein riesiger Begriff und verspricht sehr viel. Ich glaube aber, damit dieses Unvorhersehbare geschehen bzw. erfahren werden kann, ist eine gewisse Sensibilität notwendig. Unvorhersehbarkeiten können auch sehr kleine, minimale Verrückungen und Verschiebungen sein. Diese können jedoch nur bemerkt werden, wenn eine gewisse Aufmerksamkeit mitgebracht wird. Wenn ich täglich durch meine Straßen gehe, passiert vieles, aber ich nehme davon nur einen Bruchteil wahr. Daher scheint mir Ihr Spiel mit gewissen Rahmensetzungen sehr, sehr wichtig.

BK: Das kann ich nur bestätigen. Auch während der Walking-Interviews gibt es Details, die erst in den Tonaufnahmen für mich hörbar werden. Dann bin ich zum Teil selbst überrascht, was mir während des Gehens nicht bewusst war.

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de Certeau, Michel (1988): Kunst des Handelns, Berlin: Merve, insb. 87–92.

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Foucault, Michel (2003): Das Denken des Außen. In: Defert, Daniel/ Erwald, François (Hg.): Schriften zur Literatur. Frankfurt am Main: Suhrkamp, S. 208–233.

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Bruno Latour (2002): Zirkulierende Referenz. Bodenstichproben aus dem Urwald am Amazonas. In: Ders.: Die Hoffnung der Pandora. Frankfurt/Main, S. 36–95.

Auszug aus dem Gespräch zwischen Elke Bippus und Brigitte Kovacs vom 2.5.2016 in Salzburg.

Brigitte Kovacs, Elke Bippus ( 2017): Felder zeichnen als künstlerisch-wissenschaftliche Praxis. Elke Bippus im Gespräch. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/felder-zeichnen-als-kunstlerisch-wissenschaftliche-praxis/