Go Public mit WK.

„Aber was hat das jetzt mit Kunst zu tun?“ Und da ist sie auch schon, die Frage, die jedes Mal gestellt wird. Ich bin überrascht, dass sie diesmal schon so schnell kommt, ich habe doch gerade erst mit meinem Vortrag begonnen. Ich schau in die Runde, etwa zwanzig angehende Kulturmanagerinnen sitzen an diesem heißen Junitag in der kleinen Bibliothek unterm Dach. Fragende Gesichter.

WochenKlausur? Was ist das denn?

„Du musst wirklich ganz von vorn anfangen“, meinte Siglinde noch, als wir uns über den Ablauf meines Vortrages verständigten. Dass jetzt aber scheinbar niemand mit dem Namen etwas anfangen kann, damit habe ich dann doch nicht gerechnet. Und insgeheim habe ich gehofft, um diese ganze Kunstdiskussion mal einen Bogen machen zu können …

Also ganz von vorn

Wenn man die Arbeit von WochenKlausur (WK) beschreiben will, kann man das auf mehrere Arten tun. Je nachdem ob man von ihr als Künstlergruppe innerhalb des Kunstfeldes sprechen möchte, oder von dem, was WK konkret macht. Wobei ja beides miteinander zusammenhängt.

Ich könnte über die Reputation im Kunstfeld einsteigen. Da wären die Teilnahme bei einer Venedig-Biennale im Portfolio und ein Auftritt in der Tate Modern. Ich könnte auch den Weg über die Umbruchphase der frühen Neunziger nehmen, der Zeit, in der WochenKlausur startete, und zwar mit ziemlichem Wirbel. Erstes Projekt und gleich ein Erfolg. Kunst, die eingreift, und zwar volle Breitseite. Nicht jedermanns Geschmack. Dürfen die das? Muss das sein? Offenbar schon. WochenKlausur ist nach wie vor am Ball.

Ich probiere es anders: Ein Team von KünstlerInnen geht raus in die Wirklichkeit und versucht dort innerhalb einer Frist von mehreren Wochen ein schwieriges Problem zu lösen. Von Holon, Israel, nach Kassel, nach New York, nach Kivalina, Alaska. So sah zum Beispiel das Jahresprogramm 2012 aus. Und angefangen hat das alles in Wien, 1993, mit „Louise“, einem medizinischen Versorgungsservice auf Rädern für Obdachlose. Mehreren KünstlerInnen war damals etwas gelungen, woran sich die Stadt Wien schon seit längerem, allerdings erfolglos, versucht hatte. „Aber ist das nicht eher Sozialarbeit?“, unterbricht eine Studentin, „was hat denn das mit Kunst zu tun?“ Klar, auf den ersten Blick kennt man sich nicht aus: Wie kriegt man einen Arztbus und Kunst unter einen Hut? Andererseits, was hat das mit Sozialarbeit zu tun? Joseph Beuys … erweiterter Kunstbegriff? Schon mal gehört? Ich sage das nicht laut. Und auch nicht, dass ich eigentlich gar nicht so Lust habe, über den Kunststatus von WK zu diskutieren, sondern darüber, wie sie das machen, was sie machen. Obwohl ich aus Forscherperspektive diese Kunstdiskussion hochspannend finde. Und an dieser Diskussion, das muss ich einfach einsehen, kommt man nicht vorbei. Denn der Kunststatus ist für die Arbeit von WochenKlausur von ganz entscheidender Bedeutung. Noch immer skeptische Gesichter. Eine ganz entscheidende Rolle spielen dabei die Kunstinstitutionen. Wenn die Geschichte stimmt, dann begann es genau genommen gar nicht mit „Louise“ sondern mit einer Einladung. Und die wiederum kam durch eine Ausstellungskritik zustande. Zusammengefasst: Der damalige Kunstkritiker, Wolfgang Zinggl, monierte die Wirkungslosigkeit der Kunst und gelangte daraufhin zur Möglichkeit, selbst tätig zu werden – in der Wiener Secession. Er suchte nach MitstreiterInnen, KünstlerInnen, gemeinsam ging es dann für elf Wochen in Klausur in das Ausstellungshaus und der Rest ist Geschichte. Weitere Einladungen von KuratorInnen folgten und aus einer einmalig gedachten Aktion formierte sich nach einiger Zeit ein Verein mit dem Namen WochenKlausur, der inzwischen um die dreißig Projekte im In- und Ausland verzeichnet. Eine feststehende Gruppe, die seither von Ort zu Ort reist, gibt es allerdings nicht. Die Teilnehmerkonstellationen variieren von Klausur zu Klausur. Seit Anfang an dabei ist ausschließlich Wolfgang Zinggl, mittlerweile auch als Grüner Kulturpolitiker im Nationalrat. Als Einziger ist er bis heute an allen Klausurprojekten beteiligt, aktiv oder im Hintergrund. Er gilt als Gründer, gelegentlich wird er als Leiter von WK bezeichnet. Wie viel Gruppe steckt dann eigentlich in WochenKlausur? Wie kommt eine stabile Identität zustande? Was hält WK zusammen? An dieser Stelle genügt es zu wissen, dass ein Klausurprojekt stets mit einer Gruppe von Leuten stattfindet, die das als WochenKlausur machen. Und damit kommen wir auch zum entscheidenden Aspekt dieser Praxis. Zum erklärten Prinzip gehört, sich fremdaktivieren zu lassen. Und zwar durch Einladungen von Kunst- und Kulturinstitutionen. Das funktioniert seit zwanzig Jahren so. Ein zustimmendes Nicken geht durch die Runde. So schnell kann’s gehen, denke ich. Die institutionelle Autorität scheint also fürs Erste jene Frage, was die WochenKlausur mit Kunst zu tun hat, zu beantworten. Nicht beantwortet allerdings sind damit die Fragen: Wie läuft das eigentlich in der Praxis, wenn WochenKlausur, die sich das Lösen sozialer Probleme auf die Fahnen geschrieben hat, auf Einladung irgendwo auftaucht, um genau das zu tun? Welche Schwierigkeiten und Konflikte ergeben sich daraus? Und vor allem – gelingt das wirklich immer? Goldegg und Kassel, zwei Projekte, an denen ich selbst aktiv beteiligt war, bieten sich hier für einen Vergleich gut an.

Nadja Klement ( 2013): Go Public mit WK.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/go-public-mit-wk/