„Alle arbeiten alleine an gleichen Problemstellungen dahin“
Diana Schmiderer im Gespräch mit Dilara Akarcesme über LEADER Saalachtal und die Rolle der Vernetzung in der ländlichen Kunst- und Kulturarbeit.
LEADER steht für „Liaison Entre Actions de Développement de l’Économie Rurale*1 *(1) und ist ein Programm der Europäischen Union, in dessen Rahmen seit 1991 Projekte zur Entwicklung unterschiedlicher Bereiche in ländlichen Räumen gefördert werden. Diana Schmiderer ist in der Salzburger Region LEADER Saalachtal für den Bereich der Kultur-, Bildungs- und Sozialprojekte zuständig und spricht über ihre Erfahrungen in der Region sowie über Potenziale und Herausforderungen des LEADER-Programms.*2 *(2)
Was ist LEADER Saalachtal und wie setzen Sie in Ihren Projekten kulturelle Teilhabe um?
LEADER Saalachtal ist ein EU-Projekt für ländliche Entwicklung, wobei die Fördergelder zum Teil auch vom österreichischen Bund sowie vom Land Salzburg stammen. In Salzburg gibt es einige LEADER-Regionen. Das Saalachtal ist eine von zwei geförderten Regionen im Pinzgau. Die Region von Zell am See Richtung Oberpinzgau bildet die LEADER-Region Nationalpark Hohe Tauern. Im Pinzgau haben wir das Glück, dass LEADER schon sehr etabliert ist. Projekttreibende kommen von selbst auf uns zu, was in anderen Regionen nicht so selbstverständlich ist.
Für jede Region wird in einem gemeinsamen Prozess mit lokalen Akteur*innen eine Strategie entwickelt. Diese wird eingereicht, woraufhin man eine Genehmigung für die nächste Förderperiode erhält. Aktuell befinden wir uns in der Periode 2014-2020 und haben Projekte in den drei Arbeitsfeldern „Erhöhung der Wertschöpfung“, „Natürliche Ressourcen und kulturelles Erbe“ und „Gemeinwohl, Strukturen und Funktionen“. Im Rahmen dessen betreue ich als eine von drei Mitarbeiter*innen vor allem Kultur-, Bildungs- und Sozialprojekte. Obwohl wir für nicht-wertschöpfende Projekte in diesem Bereich einen 80-prozentigen Fördersatz haben, ist es schwierig, da die restlichen 20 Prozent selbst zu finanzieren sind. Zudem muss die gesamte Summe vorfinanziert werden und wird erst im Nachhinein abgerechnet. Das ist für viele kleine Projektträger eine große Hürde.
Umso schöner ist es, dass wir in dieser Periode wirklich viele tolle Projekte haben. Wir haben zum Beispiel ein kleines Radioprojekt, das gemeinsam von einer Schule, der HBLW Saalfelden, dem Bildungszentrum Saalfelden, Akzente und dem Kunsthaus Nexus durchgeführt wird. Es wurde Radioequipment angekauft, sodass nun Radio gemacht und im Zuge dessen über andere kulturelle Projekte berichtet werden kann. Das Radio nennt sich Wos sogga? Radio Pinzgau und wird über das Freie Radio Salzburg, die Radiofabrik, gestreamt. Daraus hat sich mittlerweile sogar ein kleines, feines Außenstudio der Radiofabrik im Pinzgau entwickelt.
Das ist in gewisser Hinsicht eine Ausnahme, denn klassische LEADER-Projekte sehen anders aus. Oft sind es touristische Projekte im Bereich der Infrastruktur, da wir in der Region sehr tourismusstarke Gemeinden wie Saalbach-Hinterglemm oder Maria Alm haben. Bei Infrastrukturprojekten handelt es sich auch um ganz andere Summen, die zur Verfügung stehen. Während wir bei dem kleinen Radioprojekt zum Beispiel von ca. 5.000 Euro sprechen, geht es bei Infrastrukturprojekten um Beträge wie etwa 150.000 Euro. Ein Beispiel für ein solches Projekt ist der Motorikweg in Saalbach. Nichtsdestotrotz tut sich viel und wir haben auch im Kulturbereich ein Projekt, das ungewöhnlicherweise mehr Mittel zur Verfügung hat, und zwar Querbeet. Hier geht es um „Soft-Skill- Themen“ wie kulturelle Vielfalt und Bildung. Querbeet hat eine Personalstelle mit 30 Stunden und im zweiten Jahr zusätzliche 15 Stunden für die Koordination vor Ort. Wir sind gerade dabei, das Projekt abzurechnen und sehen, dass es für jedes Jahr einen vollen Ordner mit unzähligen Veranstaltungsankündigungen und Pressemeldungen dazu gibt. Da sieht man, was möglich ist, wenn eine bezahlte Personalstelle vorhanden ist. Querbeet ist eines unserer Vorzeigeprojekte.*3 *(3)
Wie sieht die Struktur von LEADER Saalachtal aus?
Wir als LEADER-Management wurden in der aktuellen Periode auf 60 Stunden aufgestockt. Damit sind mehr Ressourcen vorhanden und wir können die Projektträger*innen wirklich unterstützen, weil es sehr viel bürokratische Arbeit ist, ein LEADER-Projekt einzureichen. Sie kommen auf uns zu und wir helfen ihnen dabei, ihre Projektanträge so aufzubereiten, dass sie dem Vorstand präsentiert werden können. Der Vorstand besteht aus Bürgermeister*innen und Personen aus unterschiedlichen regionalen Einrichtungen. Dazu gehören beispielsweise Akzente, die Wirtschaftskammer, das AMS, die Arbeiterkammer, das Studien & Management Center Saalfelden, SalzburgerLand Tourismus, der Verein Einstieg, die Landwirtschaftskammer und der Naturpark Weißbach.
Zum Glück haben wir eine Quotenregelung, sodass auch viele Frauen dabei sind. Ich glaube nicht, dass es ohne diese so wäre. Der Vorstand entscheidet, welche Projekte in unserer Region verwirklicht werden. Manchmal werden sie zur Bearbeitung eine Runde weitergeschickt, aber wenn wir selbst von den Projekten überzeugt sind, ist es meistens auch so, dass der Vorstand zustimmt. Sobald wir alle notwendigen Unterlagen für die Einreichung haben, kommt der Projektantrag zu unserer Sachbearbeiterin des Landes Salzburg. Danach geht er weiter an die AMA, die die auszahlende Stelle ist. Ich glaube, in den ländlichen Regionen ist LEADER wirklich etwas Wertvolles, weil es gerade in den Bereichen Soziales, Bildung und Kultur Dinge ermöglicht, die sonst nicht entstehen könnten. Dadurch, dass wir viel mit Regionalverbänden und Gemeinden zusammenarbeiten und die regionale Entwicklung bei uns liegt, sind wir stark vernetzt. Wir kennen die Leute in der Region. Diese Vernetzung untereinander ist einer unserer wichtigsten Aufgabenbereiche.
Können Sie einige Beispiele für kleine Kulturprojekte nennen?
Es gab zum Beispiel das DJ-Projekt Elektrotüte vom Kunsthaus Nexus. Die Ausgangslage war jene, dass wir kaum DJs in der Region haben, vor allem keine jungen. Darum gab es einen DJ-Workshop, an dem viele Junge teilnahmen, aber zum Beispiel auch eine ältere Dame. Es ging dabei nicht nur um die Techniken des Musikauflegens, sondern auch darum, wie man ein Event oder Ähnliches organisiert. Begleitend dazu gab es das Projekt Elektro rent von Akzente. Es wurde teures Equipment angekauft. Wir hatten nämlich die Vermutung, dass das fehlende, nicht leistbare Equipment einer der Gründe sei, warum es keine jungen DJs gibt. Dieses Equipment kann seither bei Akzente ausgeliehen werden, egal ob für private Partys oder für öffentliche Veranstaltungen in den Gemeinden. Dieses Angebot wird wirklich gut angenommen, die Geräte kommen stets in gutem Zustand zurück und funktionieren nach wie vor.
Zum Thema Jugend gibt es im Allgemeinen einige Projekte. MASH ist beispielsweise ein Kulturprojekt an Schulen, wo es um DIY, also um das Selbermachen im Kontext Kunst geht. Jugend vor Ort ist ein Gemeindeprojekt, das Jugendliche in die Gestaltung ihrer Gemeinde miteinbezieht, zum Beispiel in Form von Online-Befragungen. Des Weiteren gibt es noch die Initiative Neuland bespielen gemeinsam mit dem Theater ecce und Reinhold Tritscher, der die VOLXtheaterwerkstätten in Saalfelden macht.
Ein weiteres Beispiel ist das Projekt Alles Fakten? des Bildungszentrums, das Themen wie Fake News behandelt. Dieses Projekt lief im letzten Jahr und wurde gemeinsam mit dem Institut für Medienbildung und dem Projekt Lernende Region Oberpinzgau gemacht. Es gab verschiedenste Workshops, die in den Bibliotheken der einzelnen Gemeinden stattfanden. Es gibt ja viele Dinge nur in der Stadt Salzburg, die es im Pinzgau gar nicht gibt. Und wenn es etwas im Pinzgau gibt, dann nur in den Städten im Pinzgau, also in Saalfelden, Zell am See oder in Mittersill. Es gibt aber viele Gemeinden, die weit von diesen Zentren entfernt sind. Dazu kommt die schwierige Situation mit dem öffentlichen Verkehr, die es unmöglich macht, am Abend nach Hause zu fahren. Deshalb ist man mit Alles Fakten? in die örtlichen Bibliotheken gegangen. Zum Beispiel gab es das Argumentationstraining Paroli den Parolen vom Friedensbüro Salzburg oder Workshops zum kritischen Umgang mit modernen Medien und auch Trickfilmworkshops für Kinder. Teilweise hatten wir aber ein bisschen Probleme mit den Besucher*innenzahlen. Gerade die Auftaktveranstaltungen im Kongress Saalfelden waren sehr hochkarätig besetzt, sodass wir uns mehr Publikum erwartet hätten. In den Büchereien war es so, dass wir einige Veranstaltungen aufgrund geringer Anmeldungszahlen absagen mussten. Wir haben uns daraufhin überlegt, wie wir die Menschen erreichen und in der zweiten Runde hat es besser funktioniert.
Welche Maßnahmen wurden getroffen, sodass es in den nächsten Runden besser funktioniert hat?
Bei Paroli den Parolen in Unken waren beim ersten Mal kaum Anmeldungen, sodass wir gemeinsam mit Andrea Folie von Querbeet überlegt haben, dass das für Ehrenamtliche im Flüchtlingsbereich spannend wäre. Ich habe den Workshop nämlich auch selbst besucht und mir gedacht, dass ich mir so ein Angebot für die Ehrenamtlichen wünschen würde, weil sie oft in Situationen kommen, in denen sie sachliche Argumente brauchen. Oder manchmal müssen sie auch einfach lernen zu sagen: „Nein, da diskutiere ich jetzt nicht. Die Meinungen gehen zu weit auseinander. Da rege ich mich nicht auf.“ Auch das lernt man nämlich in diesem Workshop. So konnten wir Ehrenamtliche gewinnen. Wir haben außerdem recherchiert, wo es in der Gemeinde Ansprechpersonen gibt, die das weiter streuen könnten. Manchmal funktioniert so etwas auch über Elternvereine von Schulen.
Gibt es in dieser Hinsicht große Unterschiede zwischen den Gemeinden?
In manchen Gemeinden sind Menschen daran gewöhnt, Angebote zu bekommen. Manchmal gibt es auch eine*n aktiven Bildungswerkleiter*in. Solche Gemeinden unterscheiden sich deutlich von jenen, in denen Menschen nicht an Angebote gewöhnt sind oder in denen die Bibliothek nicht so bekannt ist. In solchen Fällen versuchen wir, den*die Bildungswerk- oder Bibliotheksleiter*in zu unterstützen. Hier kommt wieder die Vernetzung ins Spiel, denn alle arbeiten in ihren Zellen an gleichen Problemstellungen dahin. Diese Personen untereinander zu vernetzen, tut oft ganz gut und ist in ländlichen Regionen auch oft erfolgreich. Darin besteht eines der Erfolgsrezepte von Querbeet. Querbeet hat 2015 begonnen und damals war das aktuelle Thema die Ankunft von Geflüchteten. Das musste thematisiert werden. Die Ehrenamtlichen zu vernetzen, war dabei etwas ganz Wichtiges, also dass die Saalfeldner Ehrenamtlichen die Loferer Ehrenamtlichen kennen, sich austauschen und sich gegenseitig helfen. Das war wirklich wertvoll.
Gibt es neben Jugendlichen und Ehrenamtlichen auch andere Gruppen, die erreicht werden sollen?
Ich glaube, es gibt in allen Gemeinden einerseits alteingesessene Menschen, die immer mitreden und bei den Vereinen, etwa bei der Feuerwehr oder bei der Musikkapelle, aktiv sind und sich gegenseitig kennen. Sie sind immer dabei, wenn es um Beteiligungsprozesse geht, oft sind sie auch in der Gemeindevertretung. Andererseits gibt es viele Menschen, die nicht gesehen werden, beispielsweise mit Migrationshintergrund, schon in zweiter, dritter Generation. Sie reden nicht mit, sind nicht in diesen traditionellen Vereinen und man muss gut aufpassen, dass die Gemeinden das nicht übersehen. Sie sagen zum Thema Jugend ganz oft: „Wir haben ohnehin so eine gute Vereinsarbeit.“ Aber es gibt ganz viele Familien, deren Kinder nicht in diesen Vereinen sind. Das ist schade und da muss man aufpassen. Es gibt auch so viel Traditionelles und wenn man als Familie ein bisschen moderner oder zeitgenössischer unterwegs ist, ist man in diesen Landgemeinden oft nicht so gut aufgehoben, denn es gibt dafür relativ wenig Angebot. Allen Menschen Teilhabe zu ermöglichen, das ist ein Thema, auf das man in jeder einzelnen Gemeinde achten muss. Es ist wichtig, sie nicht zu übersehen, weil sie so still sind oder das Gefühl haben, nicht das Recht zu haben, mitzureden. Wir haben zum Beispiel in den Agenda-21-Prozessen das schöne Instrument, dass mindestens ein Teil des Prozesses aus Menschen bestehen muss, die mit einem Zufallsgenerator herausgesucht und persönlich eingeladen werden. Bei uns in St. Martin – ich bin aus St. Martin bei Lofer – sind etwa 100 Personen eingeladen worden. 40 davon sind gekommen. Dann sind ganz andere Menschen dabei, die mitreden und das ist wertvoll. Dann sind auch mehr Frauen dabei. Bei uns ist immer noch der Frauenanteil in den Gemeindevertretungen ein Thema. Am Land wird der Frauenanteil in der Politik, glaube ich, mehr thematisiert als in der Stadt. In diesem Zusammenhang gibt es das Projekt Frauen gestalten, in dessen Rahmen es einen Politiklehrgang gab.
Von wem ging dieses Projekt aus?
Von der Frauenberatungsstelle Kokon und dem Frauennetzwerk Pinzgau. Neben dem Politiklehrgang gab es außerdem einen Workshop für Mädchen. Es gab auch einen Plakatwettbewerb, in dem es darum ging, sein individuelles Wahlplakat zu gestalten: „Mein Wahlplakat, wenn ich Bürgermeisterin wäre.“ In Saalfelden hatten die Mädchen den Slogan: „Mädchentreff statt Whats-App-Chat!“ Das war eines der Gewinnerinnenplakate. Sie haben, glaube ich, den dritten Preis gewonnen und haben es daraufhin im Do-Lab realisiert. Do-Lab ist ein Worker-Space in Saalfelden. Für Saalfelden ist das schon sehr modern. Dort haben wir einen Workshop zum T-Shirt-Drucken gemacht. Sie haben diese Slogans erarbeitet, grafisch gestaltet und auf die T-Shirts gedruckt. Das war eine der Umsetzungen. Im Rahmen von Frauen gestalten haben wir auch versucht, die Gemeindevertreterinnen zusammenzubringen und zu vernetzen, was ganz schwer war, weil es so wenige gibt, und die wenigen, die es gibt, sehr viel zu tun haben. Sie sind in der Elternvertretung, sind Gemeindevertreterinnen und arbeiten für die Bibliotheken. Das sind die Frauen, die in einer Gemeinde wirklich alles machen. Wir haben uns gefragt: „Was können wir trotzdem tun?“ Denn so leicht geben wir nicht auf, wenn etwas nicht funktioniert. Wir haben dann die Bezirkssprecherinnen bzw. politischen Frontfrauen von jeder Partei an einen Tisch zusammengeholt. Wir waren wirklich bunt und haben gemeinsam erarbeitet, was es braucht. Wir haben angefangen, einen Empfehlungskatalog für die Gemeinden zu schreiben, was sie tun können, damit sich mehr Frauen in das politische Amt trauen und damit Gemeindevertretung familienfreundlicher wird, was ja auch für die Männer sinnvoll ist. Dieser Empfehlungskatalog ist in Frauenworkshops laufend erweitert und vor der Wahl an die Gemeinden ausgeschickt worden.
Es gibt Projekte, wo wir als LEADER-Manager*innen mehr involviert sind. Wir merken einfach, dass manche Projekte unsere Mitarbeit brauchen. Ein Beispiel dafür ist eben dieses Frauenprojekt, an dem wir aktiv mitgearbeitet und nach Lösungen gesucht haben. Andere Projekte hingegen laufen ganz von selbst.
In vielen Interviews wurde das Mobilitätsproblem in Salzburg angesprochen. Was kannst du zu diesem Thema auf Basis deiner Erfahrungen sagen?
Im Saalachtal ist es generell nicht einfach, wenn man kein Auto hat. Die Jungs, die im Flüchtlingshaus in Lofer waren, hätten zum Beispiel nicht an Theaterworkshops in Saalfelden teilnehmen können, wenn es Querbeet nicht gegeben hätte. Sie wären nicht nach Hause gekommen. Hermann Hollaus, der bei Querbeet damals die Koordinationsstelle innehatte, ist deshalb mit ihnen dorthin gefahren, sie haben teilgenommen und sind gemeinsam mit dem Auto wieder nach Hause gefahren. Wir gehen auch viel direkt in die Gemeinden, weil es notwendig ist, Projekte vor Ort zu haben. In Saalfelden erreicht man natürlich viele Menschen, weil dort einfach mehr Menschen wohnen. Für gewisse Projekte macht das auch Sinn. Aber um bestimmte Zielgruppen zu erreichen und wirklich eine Entwicklung zu ermöglichen, muss man in die Gemeinden selbst gehen. In der Stadt wird das oft übersehen, da die Verwaltung und viele Initiativen dort angesiedelt sind. Das ist auch ein Thema im Kulturentwicklungsplan. Es wäre so wichtig, dass man Initiativen in den Gemeinden unterstützt. Vor allem, wenn sie in Richtung zeitgenössische Kunst gehen. Ehrenamt ist ohnehin ein großes Thema, da vieles dadurch funktioniert. Wenn man im Bereich Ehrenamt sagt: „Wir brauchen eine finanzierte Stelle“, haben Bürgermeister*innen große Sorge, dass dadurch das restliche Ehrenamt auch in Frage gestellt werden könnte. Ganz nach dem Motto: „Dann sagt ja jede*r: Wenn die*der Geld bekommt, will ich das auch!“, oder: „Wenn die*der Leiter*in des Kulturvereins Geld bekommt, dann will die Feuerwehr auch Geld für ihre Arbeit.“ Das ist die Sorge. Das war auch das große Thema bei Querbeet. Deshalb war es ganz schwierig, das Projekt im Vorstand durchzubringen. Es gibt aber so viele Ehrenamtliche, die Hilfe brauchen. Viele sind am Ausbrennen. Querbeet hat bewiesen, dass professionelle Unterstützung genau das ist, was die Ehrenamtlichen brauchen. Und obwohl es bei Querbeet so großartig funktioniert hat und alle einsehen müssen, dass die Sorge über die Ehrenamtlichen völlig unbegründet war, haben wir das Thema wieder. Es ist ein Knackpunkt, diese Ehrenamtlichkeit zu bewahren. Wenn es sie nicht geben würde, würde in den Gemeinden vieles zusammenbrechen.
Welche Rolle spielt der Tourismus?
Das ist natürlich ein großes Thema bei uns, weil wir eine Tourismusregion sind. Wir kämpfen ein bisschen mit dem Image des Tourismus. Es gibt eine Generation in der Bevölkerung, die darunter ein Stück weit gelitten hat. Wenn viele Gäste da waren, musste sie ihre Zimmer räumen und im Keller wohnen, weil es genügend Zimmer geben musste. Die Gäste waren sehr wichtig und alles hat sich nur um sie gedreht. Was Häuser, Hotels und Infrastruktur angeht, sind wir im Bereich Tourismus, denke ich, wirklich gut aufgestellt. Wo wir an unsere Grenzen stoßen, das ist der Bereich des Personals. Vor allem ist es nicht leicht, Einheimische zu finden, aber genau sie werden gebraucht. Das wünscht sich auch der Gast. Deshalb schaut man, dass man das Image verbessert, vor allem für Jugendliche und Lehrlinge, und auch die Vorzüge betont, die man hat, wenn man eine Ausbildung im Bereich Tourismus macht. So kann man zum Beispiel als Koch auf der ganzen Welt arbeiten. Man muss einfach Positivbeispiele aufzeigen, wie es funktionieren kann. In diesem Bereich gibt es das wirklich gute Projekt Komm Bleib von der Wirtschaftskammer. Es geht dabei darum, dass man Fachkräfte in der Region hält bzw. sie wieder zurückholt. Menschen, die in Städte wie Wien oder Innsbruck studieren gehen, sollen auch die Möglichkeit haben zurückzukommen und sehen, welche Arbeitsplätze es in der Region gibt. Umgekehrt haben Betriebe über Komm Bleib auch Zugang zu aufliegenden Bewerbungen von Leuten, die sich in der Endphase ihres Studiums befinden oder in der Region Praktika machen. Es sollen einfach nicht alle weggehen. Auf der anderen Seite ist es auch wichtig, Facharbeiter*innen in die Region zu holen und zu zeigen, welche Vorzüge die Region hat. Dieses Projekt funktioniert wirklich gut. Hier werden spannende Jobs vermittelt, die nicht beim AMS ausgeschrieben und die gar nicht so leicht zu finden sind, wenn man fünf Jahre in Wien oder Innsbruck war.
Birgt die Digitalisierung Ihrer Meinung nach Potenziale für den ländlichen Raum?
Bei Querbeet hat die Arbeit mit digitalen Tools wie etwa Zoom-Meetings gut funktioniert. Daraufhin haben wir auch einen Workshop für LEADER-Manager*innen mit David Röthler organisiert. Wir wollten schauen, wie das in mehrere Projekte eingebaut werden kann. Es geht nämlich auch um die Vernetzung der LEADER-Manager*innen untereinander. Oft ist es schwierig, sie alle zu einem Vernetzungstreffen zusammenzubringen. So kommunizieren wir zum Beispiel auch über Zoom-Meetings. Man darf die digitalen Formate nicht als vollständigen Ersatz für persönliche Treffen sehen, weil das natürlich etwas anderes ist. Ich glaube aber, dass die Kluft an Angeboten zwischen Stadt und Land dadurch ein bisschen überbrückt werden könnte.
Der Kulturverein Binoggl ist zum Beispiel in einem digitalen Meeting mit einer Drohne vorgestellt worden, mit der etwa der genaue Standort des Vereins gezeigt wurde. Auch das Theater wurde präsentiert und darüber berichtet, wie es entstanden ist und wie der Kulturverein arbeitet. Ich denke, dass digitale Formate auch eine Möglichkeit bieten, dass sich Kulturvereine untereinander vernetzen und mehr austauschen. Es steckt so viel Potenzial in Vernetzung und Austausch!
Könnte es auch eine Chance sein, um weniger mobile Personen zu erreichen zum Beispiel?
Ich denke, dass man zum Beispiel Diskussionen oder Gemeindevertretungssitzungen übertragen und damit mehr Menschen daran teilhaben lassen könnte. Das habe ich unter anderem im Empfehlungskatalog für die Bürgermeister*innen erwähnt. Es sollte möglich sein, dass Personen, die aus beruflichen Gründen nicht anwesend sein können, oder Personen mit Betreuungspflichten an Sitzungen teilnehmen können.
Zudem könnte man Theater oder Konzerte übertragen. Das ist nicht das Gleiche wie das Live-Erlebnis, aber es ist mehr als nichts. Im Seniorenheim meiner Oma wurde zum Beispiel die Aufnahme des Bauerntheaters in Unken gezeigt. Die Menschen, die in dem Heim sind, kennen die, die mitspielen und das ist für sie sehr spannend. Die Ton- und Bildqualität war allerdings schlecht. Ich denke, es wäre eine große Bereicherung, wenn das auch in einer besseren Qualität gemacht werden könnte. Diese Menschen können sich tatsächlich zum Großteil nicht dorthin bewegen, wo eine Veranstaltung stattfindet, hätten in dieser Form aber noch ein bisschen Teil daran. Oft sind sie ja auch nicht mehr im eigenen Ort und bekämen dadurch noch etwas von „daheim“ mit. Im Senior*innenbereich braucht es natürlich auch die Übertragung von ganz traditionellen Dingen. Wenn sie zum Beispiel am Palmsonntag die Messe der eigenen Kirche mit den Kindern sehen könnten, wäre das etwas ganz Wertvolles.
Man kann auch in einer Schule am Land etwas übertragen, das in der Stadt passiert oder Ähnliches. Es gibt auch oft Filmvorführungen oder Vorträge mit anschließender Diskussion. Da könnte man auch digital Fragen stellen. Natürlich wäre das möglich. Oft gibt es aber die Sorge, dass dann gar niemand mehr kommt. Das Digitale ist zwar kein Ersatz, aber es ist besser, dass Leute in dieser Form teilnehmen, als wenn sie es gar nicht tun.
Dilara Akarçeşme, Diana Schmiderer ( 2020): „Alle arbeiten alleine an gleichen Problemstellungen dahin“. Diana Schmiderer im Gespräch mit Dilara Akarcesme über LEADER Saalachtal und die Rolle der Vernetzung in der ländlichen Kunst- und Kulturarbeit. . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 11 , https://www.p-art-icipate.net/leader-saalachtal/