Geschichten ‚mit Zukunft‘

Pop-Up-Erzähllabore als künstlerische Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit

„Wir sollten ja Geschichten des Gelingens sammeln, […] Tipps und Tricks, persönliche Strategien zu Klimawandel und Nachhaltigkeit. Aber wenn man sich so öffnet, dass man mit den Leuten auch wirklich ernsthafte und persönliche Gespräche führt, dann führt das Gespräch auch in eine intuitive Ecke, die man nicht lenken kann. Gerade dieses Lenken ist ein Problem, finde ich.“ (Klaus Erika Dietl)

„Die große Frage […] ist: Wie kann man die Geschichten organisch festhalten? […] Ich weiß noch nicht, wie das Form annehmen kann. Man kann natürlich etwas in ein Buch schreiben, oder aufnehmen, aber ich überlege noch: Wie kann das ein Vektor werden, sodass mehrere Vektoren dann eine Mauer durchschlagen können? Jetzt mal blumig gesprochen.“ (Klaus Erika Dietl)

„Schon ganz zu Beginn kam die Frage auf: Wie viel Mut haben wir eigentlich auf das Prozessorientierte? Wie […] drängt sich dann doch wieder diese Suche nach einem Ergebnis mit rein? Was muss am Ende dann, weil es ja auch ein Forschungsprojekt ist, hergezeigt werden? Wie weit darf das in dem Suchen, im Fragen bleiben?“ (Stephanie Müller)

Einleitung

Die Künstler:innen Jan-Phillip Ley, Stephanie Müller und Klaus Erika Dietl waren vom 14. bis zum 23. Mai 2021 in Kooperation mit Supergau, einem Festival für zeitgenössische Kunst, und dem Projekt Räume kultureller Demokratie im Ortskern von Mattsee (einer Marktgemeinde im Land Salzburg) präsent und eröffneten Pop-Up-Erzähllabore, die die Einwohner:innen sowie Festivalbesucher:innen zum Hören und Erzählen von inspirierenden Geschichten ‚mit Zukunft‘ einluden.

Die einleitenden Zitate stammen aus Reflexionen, die im Rahmen dieses Aufenthalts entstanden sind. Es handelt sich dabei um Erfahrungen, die die Künstler:innen zum einen in Audioprotokollen festhielten, zum anderen im Rahmen von Gesprächen am Ende des Aufenthaltes in Mattsee thematisierten. Wir stellen sie an den Anfang dieses Textes, weil sich entlang dieser und weiterer konkreter, auf die Aktivitäten in Mattsee bezogener Aussagen auf einer allgemeineren Ebene Themenfelder und Fragestellungen eröffnen, die einerseits in diesem Text diskutiert werden sollen, uns andererseits aber auch im Rahmen des transdisziplinären Forschungsprojektes Räume kultureller Demokratie beschäftigen: Welche Implikationen ergeben sich für Vermittlungsräume, die geeignet sein sollen, Themen rund um Klimawandel und Nachhaltigkeit zu verhandeln? Worin liegt dabei das Potenzial künstlerischer und experimenteller Praktiken? Wie können künstlerische Experimentierräume konkret im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit eröffnet werden? Und: Welche Rolle kann dabei dem Sammeln, Erzählen, Hören und Weitertragen von Geschichten ‚mit Zukunft‘ zukommen?

Diesen Fragen spüren wir im Folgenden vor dem Hintergrund des Forschungsprojektes Räume kultureller Demokratie nach. Es handelt sich dabei um eine auf drei Jahre angelegte Kooperation zwischen der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst (Paris Lodron Universität Salzburg/Universität Mozarteum Salzburg) und dem Salzburg Museum. Auf kurze Erläuterungen zu dessen theoretischen Ausgangspunkten folgt eine knappe Einführung in das Projekt. Basierend darauf zoomen wir am Beispiel der Aktivitäten in Mattsee hinein in jenen Teil des Projektes, in dem es um die Eröffnung von Pop-Up-Erzähllaboren als künstlerische Experimentierräume geht. Das Sammeln, Erzählen und Weitertragen von Geschichten, in denen sich das Wissen und die Erfahrungen, aber auch die Bedürfnisse und Anliegen der Zivilgesellschaft zu Themen rund um Klimawandel und Nachhaltigkeit widerspiegeln, steht hier im Fokus. Wie aber gelingt es, Experimentierräume zu eröffnen, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen? Wie hält man die Geschichten fest? Und: Wo fließen sie in welcher Form hin? Diesen Fragen widmen wir uns im letzten Teil dieses Textes.

I. Experimentierräume als ‚Erfahrungsräume kultureller Demokratie‘

Angesichts der Dringlichkeit und der Komplexität der Herausforderungen rund um die Klimakrise im Speziellen und nachhaltige Entwicklung im Allgemeinen, aber auch aufgrund eines nach wie vor stark von Wissens-, Ergebnis- und Zielorientierung geprägten Verständnisses von Lehren und Lernen, setzt man in Bildungs- und Vermittlungskontexten vielfach noch immer darauf, Wissen und Kenntnisse ‚top-down‘ zu ‚übermitteln‘. Dies erweist sich für Zusammenhänge, in denen Transformationsprozesse initiiert werden sollen, als nicht angemessen, da damit nicht jene Ebene erreicht wird, die Menschen dazu veranlasst, auch tatsächlich zu handeln (vgl. z.B. Welzer 2013;star (*12) Krämer 2018;star (*7) Seitz 2018star (*10)). Klaus Seitz, Erziehungswissenschaftler und Leiter der Abteilung Politik von Brot für die Welt in Berlin, schlägt vor, die Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft als „ergebnisoffenen, gesellschaftlichen Suchprozess“ zu begreifen, der auf „eine breite Partizipation der Menschen und ihre kreativen Potenziale“ setzt (Seitz 2018: 9).star (*10) Damit betont er das transformative Potenzial von kulturellen und kreativen Praktiken und plädiert für einen „kulturellen Wandel“ (ebd.).star (*10) Darüber hinaus spricht er in diesem Zitat mit Prozesshaftigkeit, damit verbundener Handlungsorientierung, Partizipation und Ergebnisoffenheit zentrale Aspekte an, die unseres Erachtens experimentelle Handlungen maßgeblich prägen.

Daher besteht aus unserer Sicht für Kontexte, in denen Transformationsprozesse initiiert werden sollen (aber auch darüber hinaus) ein geeigneter Zugang darin, Experimentierräume zu eröffnen. Dabei begreifen wir Experimentierräume als Erfahrungsräume, in denen sich Menschen in kommunikativen und kollaborativen Prozessen – unter Einbezug ihres individuellen Wissens und ihrer Erfahrungen sowie globaler Zusammenhänge – Visionen von einer wünschenswerten Zukunft aktiv ‚ermitteln‘ können. Das Wort ‚ermitteln‘ verwenden wir vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Erfahrungen zwar „in Form von Wissen und Kenntnissen, nicht [aber] als Erfahrungen des Subjekts vermittelbar“ sind. Vielmehr müssen sie durch das Subjekt in seiner „eigenen materiellen oder ideellen Tätigkeit“, also unmittelbar (selbst) gemacht werden (Sandkühler 2010: 565).star (*9) Für Situationen, die als Erfahrungsräume inszeniert sind, müsste mit Blick auf die Personen, die sich in diese Räume begeben, der Begriff der Vermittlung daher richtigerweise durch jenen der ‚Ermittlung‘ ersetzt werden. Um Prozesse der ‚Ermittlung‘ zu ermöglichen, muss allerdings der adäquate Rahmen geschaffen werden. Dies ist unseres Erachtens eine Anforderung, die Personen, die diesen Raum eröffnen – die Vermittelnden –, erfüllen sollen/müssen. Um begrifflich klar zu sein, sprechen wir deshalb im Folgenden von Experimentierräumen, für die Ermittlung und Vermittlung im oben beschriebenen Sinne eine Rolle spielen.

In dem Projekt Räume kultureller Demokratie beschäftigt uns nun die Frage, wie solche Experimentierräume an der Schnittstelle von Wissenschaft, Kunst und Kultur konkret aussehen können. Theoretischer Ausgangspunkt ist der Kulturbegriff im Sinne der Cultural Studies. Dieser geht davon aus, dass Kultur eine dynamische und konflikthafte Praxis ist, die im Alltagshandeln der Menschen ihren Ausdruck findet. Das traditionelle westliche, bürgerliche Verständnis von Kultur ist geprägt von der Differenzierung zwischen vermeintlich ‚Eigenem‘ und ‚Fremden‘ sowie von Hierarchisierung und damit einhergehenden Ausschlüssen (vgl. Mörsch 2016: o.S.).star (*8) In solch ein elitäres, von der Idee einer Hochkultur geprägtes Verständnis intervenieren die Cultural Studies.*1 *(1) Sie nehmen die Analyse von Macht und Ungleichheiten, von Ausschlüssen, aber auch von Selbstrepräsentation und Ermächtigung, Solidarität und gesellschaftlicher Verantwortung in den Fokus. Entscheidend ist dabei, dass sie die Gleichsetzung von ‚Kultur‘ mit ‚Hochkultur‘ dezidiert ablehnen. Stattdessen verstehen die Cultural Studies Kultur als umfassende Praxis, als „doing culture“, die alltagskulturell reproduziert wird und eng mit dem Sozialen verbunden ist (vgl. Hörning/Reuter 2004).star (*5) Indem damit eine Vielzahl ganz unterschiedlicher Praktiken in den Blick rückt, wird ein Zugang eröffnet, der künstlerische Ausdrucksformen und alltagskulturelle, mediale Produktionen auf eine Ebene stellt und auch ihre Überschneidungen und Brüche umfasst. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Menschen in die kulturelle Bedeutungsproduktion und die damit einhergehenden Machtverhältnisse eingreifen können, indem sie selbst Kultur produzieren, werden hegemoniale Strukturen und Ausschlüsse in den Blick genommen und analysiert (vgl. Klaus/Zobl 2019).star (*6)

Unter solch einem Kulturbegriff gerahmte Praktiken können das Erreichen des übergreifenden Ziels, gesellschaftlichen Wandel im Sinne von Demokratie, Inklusion und Emanzipation aller Menschen zu erreichen, stützen. Dabei geht es nicht darum, eine Demokratisierung von Kultur – im Sinne einer Erweiterung des Zugangs zu und der Partizipation an dominanten kulturellen Formen und traditionellen Kunstinstitutionen – anzustreben, sondern um die Ausgestaltung einer „kulturellen Demokratie“ (vgl. Gaztambide-Fernandez 2013).star (*4) Ihr Ausgangspunkt sind die kulturellen Praktiken, Alltagswelten und Erfahrungen der Citizens*2 *(2) sowie die dringlichen Themen, die sie – uns – beschäftigen und betreffen.

II. Räume kultureller Demokratie: Einblicke in das Forschungsprojekt

Um nun unterschiedliche kulturelle Interessen und Ansprüche in einer sich demografisch verändernden, transkulturellen Gesellschaft geltend zu machen, geht es in Räume kultureller Demokratie konkret darum, auf Basis von künstlerischen und kulturellen Elementen und Praktiken transdisziplinäre Experimentierräume im Kontext der Klimakrise und einer notwendigen nachhaltigen Entwicklung zu konzipieren, umzusetzen und zu reflektieren. Sie können Möglichkeiten für verschiedene Menschen öffnen, sich im Sinne einer kulturellen Demokratie als aktiv Beteiligte und Produzierende mit diesen dringlichen Themen zu befassen.

In dem Prozess der Erarbeitung der Experimentierräume greifen wir Charakteristika der Reallaborarbeit*3 *(3) (vgl. dazu Quartier Zukunft 2020: 76)star (*11) auf, wie sie im Folgenden entlang des Räume-Projektes*4 *(4) beschrieben werden:

So orientieren wir uns – eines der zentralen Merkmale von Reallaboren – an den Sustainable Development Goals der UN als Leitbild für eine nachhaltige Entwicklung. Auch arbeiten wir transdisziplinär. Das heißt Wissenschaft und außerwissenschaftliche Akteur:innen, im Besonderen auch aus der Zivilgesellschaft, arbeiten sowohl in der Entwicklung von Ideen der Experimentierräume – die ihrerseits auch transdisziplinär angelegt sind – als auch im Zuge von deren Umsetzung zusammen. So haben wir in einer ersten Projektphase über einen Zeitraum von neun Monaten mit über 30 Menschen aus Wissenschaft (Kulturwissenschaft, Kommunikationswissenschaft, künstlerische Forschung, Klima- und Nachhaltigkeitsforschung, Kunst- und Kulturvermittlung), Bildung (Jugendarbeit, Erwachsenenbildung, Schule), Kunst und Kultur (Kulturarbeiter:innen und Künstler:innen), Expert:innen und Vermittler:innen im digitalen Raum und zivilgesellschaftlichen Akteur:innen kooperiert. Im Rahmen von 20 Treffen – teils in der Großgruppe, teils in kleineren Arbeitsgruppen – kristallisierten sich als Zwischenergebnis unter dem Motto Zukunft mit Zukunft vier Aspekte heraus, die die konzeptionelle Basis für unsere künstlerischen Experimentierräume bilden sollten:

  • Das Sammeln und Erzählen von ermutigenden Geschichten, die in Richtung einer wünschenswerten Zukunft weisen und die der emotionalen Schwere und Gefühlen der Hilflosigkeit, die mit der Komplexität der Thematik einhergehen, etwas entgegensetzen.
  • Das Gestalten von temporären, laborartigen ‚Zwischenräumen‘ im öffentlichen Raum, die an verschiedenen Orten in Salzburg zum ‚Mitmischen und Mitgestalten‘ einladen, wobei dem Geschichten-Erzählen hier große Bedeutung zukommt.
  • Über ‚spielerische‘ Zugänge – etwa Selbstexperimente im digitalen Raum – Nachhaltigkeit zu erfahren, um das bestehende, umfangreiche Wissen mit Emotionen, persönlicher Erfahrung und Begeisterung in Verbindung zu bringen.
  • Handlungsorientierung, also ‚ins Tun zu kommen‘ und ‚von- und miteinander zu lernen‘.

Gegenwärtig befinden wir uns in der zweiten Projektphase, in der Umsetzung verschiedener künstlerischer Experimentierräume, insbesondere der Pop-Up-Erzähllabore. Diese sind an der Idee von Realexperimenten*5 *(5) – ein weiteres Charakteristikum von Reallaboren – angelehnt. Das heißt, wir, das Forschungsteam, sind aktiv involviert in die Gestaltung und Umsetzung der Experimente, die Transformationsprozesse anstoßen sollen. Gleichzeitig nehmen wir die stattfindenden Prozesse aber auch auf einer Metaebene, im Rahmen einer Begleitforschung, in den Blick. Ziel von Realexperimenten ist im Sinne eines Modellcharakters auch eine Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse und Problemlösungen auf andere Kontexte. Inwiefern wir dies im Rahmen künstlerischer, prozessorientierter und ergebnisoffener Experimentierräume leisten können (und ob wir dahingehend überhaupt von ‚Realexperimenten‘ sprechen können), ist eine offene Frage, die uns fortlaufend beschäftigt und im letzten Teil dieses Textes auch diskutiert wird.

Besondere Bedeutung kommt in unserem Projekt den Bildungszielen – die in Reallaboren neben den Forschungs- und Praxiszielen verfolgt werden (vgl. dazu Fußnote 2) – zu: Wir verstehen Räume kultureller Demokratie als Projekt, in dem Bildung und Vermittlung auf zwei Ebenen stattfinden: einerseits im Rahmen des kollaborativen und co-kreativen Miteinander-Tuns und Voneinander-Lernens, wie es bereits im Zuge der Ideenentwicklung stattgefunden hat und gegenwärtig in der Umsetzung dieser Ideen unter Einbezug vieler weiterer Menschen Fortsetzung findet. Andererseits möchten wir in einer dritten Projektphase aus dem Umsetzungsprozess hervorgehendes Wissen und Erfahrungen dokumentieren, bündeln – und im Sinne von Übertragbarkeit – aufbereiten. Ziel ist es, vielfältige Materialien und Ideen, die in unterschiedlichen Kontexten eingesetzt und weiterentwickelt werden können, zur Verfügung stellen zu können.

Ein wesentlicher Aspekt, der unser Projekt prägt und uns von den meisten der bisher existierenden Reallabore*6 *(6) unterscheidet, liegt im bereits angesprochenen Einbezug von künstlerischen Praktiken und Strategien in unsere Experimentierräume. Dabei gehen wir davon aus, dass künstlerisch-experimentelle, prozesshafte Zugänge sich für das ‚Erfahren‘ von Nachhaltigkeit als produktiv erweisen. Denn sie ermöglichen es, an verschiedene Lebenswelten anzuknüpfen und Wahrnehmungs-, Handlungs- und Begegnungsräume als zunächst ergebnisoffene ‚Zwischenräume‘ – ohne ‚Setzungen‘ und vordefinierte Ziele – zu eröffnen. Gerade auch das gemeinschaftliche, künstlerisch-experimentelle Tun birgt das Potenzial, alternative Blickwinkel und Perspektiven sichtbar zu machen, Wahrnehmungs- und Handlungsroutinen in Frage zu stellen und zu durchbrechen. Dort, wo eingeschliffene Wahrnehmungsbahnen verlassen werden, indem beispielsweise die Perspektive auf bisher Unhinterfragtes gelenkt wird, wo sich im Austausch Reibungsflächen ergeben oder sich Handlungsalternativen auftun, können unseres Erachtens Transformationsprozesse angestoßen werden. Neue Räume können sich erschließen, die dazu inspirieren und motivieren, sich Visionen und Szenarien für eine Zukunft ‚mit Zukunft‘ zu ‚ermitteln‘. Gleichzeitig ergeben sich allerdings gerade auch in diesem Findungsprozess künstlerischer Experimentierräume als ‚Erfahrungsräume‘ viele Herausforderungen und offene Fragen, die wir im abschließenden Teil dieses Textes noch diskutieren werden.

III. Zukunft mit Zukunft: Einblicke in die Praxis

Wie künstlerische Experimentierräume im Rahmen des Räume-Projektes konkret aussehen können, das werden wir im Folgenden am Beispiel der Pop-Up-Erzähllabore, wie wir sie in Mattsee im Rahmen des Supergau Festivals unter dem Motto Zukunft mit Zukunft umgesetzt und erprobt haben, skizzieren.

Pop-Up-Erzähllabore als Experimentierräume zum Sammeln und Erzählen von Geschichten ‚mit Zukunft‘

Das Sammeln und Erzählen von Geschichten, die in eine wünschenswerte Zukunft weisen bzw. Menschen dazu inspirieren können, von- und miteinander zu lernen, über verschiedene Zukünfte ‚mit Zukunft‘ nachzudenken, selbst ins Tun zu kommen und ihre eigenen Geschichten ‚mit Zukunft‘ zu ‚schreiben‘ und zu erzählen, erwies sich – wie bereits angesprochen – als ein zentraler Gedanke der ersten Projektphase. Er zog sich wie ein roter Faden durch die Diskussionen und tauchte sowohl an verschiedenen Stellen im Prozess als auch in unterschiedlichsten Zusammenhängen immer wieder auf. Daraus entstand die Idee für Experimentierräume, in denen ein Geschichtenerzählen,*7 *(7) das unmittelbar von den Dringlichkeiten, den Erfahrungen und dem Wissen der Menschen ausgeht, ermöglicht wird. In kollaborativen und co-kreativen, fortlaufenden Prozessen und im Rahmen verschiedener künstlerisch-experimenteller Settings sollten Geschichten ‚mit Zukunft‘ gesammelt und geteilt werden: in einer ersten Ausgabe im Rahmen der Pop-Up-Erzähllabore in Mattsee.

Fahrrad-Erzähl-Werkstatt

Ein solches Pop-Up-Erzähllabor in Mattsee stellte die Fahrrad-Erzähl-Werkstatt, konzipiert vom Künstler Jan-Phillip Ley, dar. Es handelte sich dabei um eine temporäre Fahrradwerkstatt im öffentlichen Raum, die zum einen tatsächlich Anlaufstelle für das Reparieren von Rädern war. Zum anderen wurden im Vorfeld, in Zusammenarbeit mit Studierenden, Geschichten ‚mit Zukunft‘ als kurze Audiobeiträge produziert. Diese in ihrer Machart sehr unterschiedlichen Beiträge reichten von Gesprächen mit Menschen, die in und um Mattsee zukunftsweisende Projekte umsetzen, über sehr strukturierte Interviews, etwa zum Thema Bio-Zertifikate, bis hin zu eher experimentellen Tracks, in denen man beispielsweise einen Waschbären auf seiner Suche nach Nahrung begleitet. Sie konnten einerseits über an Rädern montierte, eigens angefertigte Audiogeräte angehört werden, andererseits bestand auch die Möglichkeit, sich durch diese Geschichten zum Erzählen und Aufnehmen eigener Geschichten ‚mit Zukunft‘ inspirieren zu lassen – die Geräte konnten auch als Aufnahmegeräte eingesetzt werden. Neben der Option, sich eines der mit den Geräten versehenen Fahrräder auszuleihen und eigene Touren zu unternehmen, wurden auch geführte Radtouren angeboten, die physische Begegnungen mit je einer:einem der Protagonist:innen der Geschichten beinhalteten.

Transformierte Bushaltestelle Mattsee-Ortsmitte

Das Künstler:innen-Duo Stephanie Müller und Klaus Erika Dietl verwandelte die Bushaltestelle Mattsee Ortsmitte in ein temporäres Erzähllabor, das auch sehr spontan transformiert und umfunktioniert wurde: Beispielsweise als Näh-Werkstätte oder Teestube eingerichtet, fanden dort zufällige, teils sehr intensive Begegnungen und Gespräche mit bzw. zwischen unterschiedlichsten Menschen statt. Im Vordergrund stand hier nicht eine komplett fertige Inszenierung im Sinne einer Theater-Bühne, sondern vielmehr das Flüchtige, das Unfertige, das offene Anknüpfen an die Bedürfnisse der Passant:innen. Dabei verharrten die beiden Künstler:innen nicht als Wartende auf potenzielle Besucher:innen. Stattdessen zeigten sie sich im Arbeitsprozess und ließen sich dabei gerne ‚stören‘. Den Menschen mit großer Offenheit zu begegnen, keine thematischen Setzungen vorzunehmen, sondern ihnen „zunächst einfach zuzuhören“ (Stephanie Müller) stand für sie im Fokus – ein Zugang, der sich für unsere Pop-Up-Erzähllabore als der zentrale Aspekt herausgestellt hat.

Dieser Aspekt dient uns als Ausgangspunkt für den nun folgenden abschließenden Teil. Unter Rückgriff auf konkrete Zitate, in denen sich unseren Beobachtungen und Erfahrungen in Mattsee widerspiegeln, thematisieren wir weitere Aspekte, die unseres Erachtens einerseits für die Eröffnung von Erzähllaboren im Speziellen zentral sind. Andererseits kommt ihnen aber für künstlerische Experimentierräume, wie wir sie verstehen und hier skizzieren, im Allgemeinen, sowohl in konzeptioneller als auch in inhaltlicher Hinsicht, wesentliche Bedeutung zu.

„Es hat immer am besten funktioniert, wenn man am Anfang nicht über Nachhaltigkeit geredet hat.“

„Und dann sieht man: ‚Nicht nur ich trage selbstgenähte Kleidung, sondern die andere Person auch.‘ Darüber kommt man dann zum Beispiel ins Gespräch. Und dabei merkt man, dass eigentlich so vieles Bezüge zum Thema Nachhaltigkeit aufweist. Das ist cool.“ (Jan-Phillip Ley)

Eine wesentliche Erfahrung im Hinblick auf unsere Erzähllabore in Mattsee besteht darin, dass es – abgesehen von an der Oberfläche verbleibenden Kurz-Konversationen – hemmend und eher abschreckend wirkt, Gesprächssituationen ausgehend vom Thema „Nachhaltigkeit“ selbst zu initiieren. Diese Erfahrung spiegelt sich nicht nur in den Reflexionen der Künstler:innen an verschiedenen Stellen wider, sondern deckt sich auch mit den Beobachtungen des gesamten Projektteams. Es braucht offene und demokratische Orte der Begegnung auf Augenhöhe, in denen von den Dringlichkeiten der Menschen ausgegangen wird und in denen spezifische Erwartungshaltungen oder gar ein erhobener Zeigefinger keine Rolle spielen. Müller und Dietl beschreiben ihre Vorgehensweise in Mattsee wie folgt: „Wir arbeiten uns immer mehr dazu hin, dass wir als großes Fragezeichen in der Stadt stehen, also als Menschen, die zunächst einfach wissbegierig sind“ (Klaus Erika Dietl), „die erstmal nachforschen: Welche Themen schwimmen da unter der Oberfläche? Wir haben dabei nicht diese Fragen parat, wie: ‚Was machen Sie denn zum Thema Nachhaltigkeit?‘ ‚Haben Sie sich da schon auseinandergesetzt?‘. […] Da ergibt sich dann aber so viel.“ (Stephanie Müller)

„Es geht […] darum, eine Art Reizstück oder einen Katalysator zu schaffen, …“

„… der die Menschen vor Ort reizt, sich mit uns zu unterhalten. Und ja, interessanterweise könnte man fast sagen, dass wenn man irgendwas da liegen hat, dann kommt man mit Menschen ins Gespräch.“ (Klaus Erika Dietl)

Als besonders wichtig für unsere Pop-up-Erzähllabore stellten sich kleine Interventionen spielerischen Charakters heraus, die zunächst einmal irritierten und auf diese Weise mit Konventionen zu brechen vermochten. Die tönenden Audiogeräte an den Fahrrädern, herumliegendes Werkzeug, um an seinem Fahrrad zu schrauben, oder eine alte, mechanische Nähmaschine im Wartehäuschen der Bushaltestelle veranlassten Passant:innen dazu, anzuhalten und – vielfach durchaus auch kritisch – im Sinne von „Was ist das denn?“ nachzufragen. Vor allem aber fungierten sie als eine Art „Eisbrecher“ (Stephanie Müller) und inspirierten die Menschen dazu, sich auszutauschen und selbst aktiv zu werden.

Die Audiogeräte wurden unter die Lupe genommen, auf ihre Funktion hin untersucht und dabei Geschichten angehört, um sie anschließend zu kommentieren, selbst etwas zu erzählen oder eine Tour zu unternehmen. Das Werkzeug wurde benutzt, um gemeinsam mit anderen Menschen sein:ihr Rad zu reparieren und im Tun voneinander zu lernen. Die Nähmaschine setzte Erinnerungen frei – an Omas Nähzimmer aus Kindheitstagen und den Geruch und die Haptik der alten Stoffe etwa, die sie in einer Truhe aufbewahrt und aus denen sie die schönsten Verkleidungen genäht hatte. Bald fanden sich auch anfängliche Skeptiker:innen im Wartehäuschen wieder – auf einer der dortigen Sitzgelegenheiten sitzend oder direkt an der Nähmaschine werkend.

Die Brücke hin zu Themen rund um Nachhaltigkeit ließ sich nicht immer schlagen, aber doch sehr oft. – Spätestens dann, wenn zum Beispiel eine ältere Frau einer Mutter, die über Überlastung klagte, anbot, gelegentlich auf ihre Kinder aufzupassen, wenn plötzlich Rezepte ausgetauscht wurden, in den örtlichen Kräutergarten eingeladen wurde, oder im Laufe der Zeit, die die Künstler:innen in Mattsee verweilten, vegetarisches Essen, Stoffreste oder getrocknete Kräuter vorbeigebracht wurden – die übrigens sogleich als Anlass genommen wurden, die Näh- in eine Teestube umzufunktionieren.

„Am Ende haben die Menschen gesagt, die die Woche über mehrmals da waren: ‚Jetzt ist unsere Anlaufstelle weg.‘“ (Stephanie Müller)

Bushaltestelle und angrenzender Stiftsplatz wurden in Mattsee in der Zeit des Festivals zu einer Art Anlaufstelle: für Besucher:innen des Festivals Supergau, für interessierte Einwohner:innen, vor allem aber für Menschen in Mattsee, die sich wenig ‚gehört‘ fühlen. Letztere kamen immer wieder und verweilten oft sehr lange am Stück. Im Bedauern dieser Menschen darüber, dass mit Ende des Festivals auch die Erzähllabore abgebaut wurden und dem damit einhergehenden Wunsch, weiterhin eine ‚Anlaufstelle‘ zu haben, offenbart sich ein Problem, mit dem wir einerseits im Räume-Projekt konfrontiert sind, das darüber hinaus aber auch in der Reallabor-Forschung prominent thematisiert wird: Reallabore müssten, um Transformationsprozesse adäquat begleiten und per se nachhaltig agieren zu können, langfristig und – ohne dabei an Dynamik einzubüßen –  auf Verstetigung hin angelegt sein. Diesem Desiderat stehen die Konventionen entgegen, wie sie die Förderlandschaft im deutschsprachigen Raum derzeit prägen – Projekte werden immer nur über bestimmte, oftmals sehr kurze Zeiträume gefördert. (vgl. das Interview mit Oliver Parodi in diesem eJournal).

Die Rahmenbedingungen, wie wir sie im vom Land Salzburg geförderten Räume-Projekt vorfinden, lassen zu, an verschiedenen Orten in Salzburg temporäre Experimentierräume zu eröffnen, die sich allerdings nach einem sehr begrenzten Zeitraum wieder ‚schließen‘. Ungeachtet der Tatsache, dass wir das Räume-Projekt nicht als Reallabor definieren, sondern uns an Charakteristika dieser Einrichtungen orientieren, gilt dafür dasselbe Desiderat: Um – im wahrsten Sinne des Wortes – ‚nachhaltig‘ agieren zu können, bräuchte es langfristig angelegte, lokale Anlaufstellen – offene Orte der Begegnung, des Austausches, des Miteinander-Tuns und Voneinander-Lernens. Dann ließen sich unsere künstlerischen Experimentierräume, etwa die Erzähllabore, als Realexperimente begreifen und langfristig ‚denken‘.

„Die große Frage […] ist: Wie kann man die Geschichten organisch festhalten?“

„[…] Ich weiß noch nicht, wie das Erfahrene Form annehmen kann. Man kann natürlich etwas in ein Buch schreiben, oder aufnehmen, aber ich überlege noch: Wie kann das ein Vektor werden, sodass mehrere Vektoren dann eine Mauer durchschlagen können? Jetzt mal blumig gesprochen.“ (Klaus Erika Dietl)

Fragen wie diese, von denen anzunehmen ist, dass Klaus Erika Dietl sie nicht nur aus seiner Rolle als Künstler stellt, sondern er wohl auch den Kontext ‚Forschungsprojekt‘, in dem das künstlerische Tun im Räume-Projekt steht, im Hinterkopf hat, beschäftigen uns grundsätzlich sehr. In ihnen spiegeln sich exemplarisch Herausforderungen wider, wie sie sich für Projekte, die an den Schnittstellen von Wissenschaft, Kunst und Gesellschaft angesiedelt sind, ergeben. Mit Blick auf die Erzähllabore in Mattsee – um beim konkreten Beispiel zu bleiben – war es nicht nur Intention der beteiligten Künstler:innen, diese als offene Räume für Begegnungen und soziale Interaktionen auf Augenhöhe zu inszenieren. Dieser Zugang ist auch dem Räume-Projekt mit dem ihm zugrundliegenden Gedanken, Experimentierräume als ‚Erfahrungsräume kultureller Demokratie‘ zu eröffnen, sehr nah. Gleichzeitig handelt es sich beim Räume-Projekt aber um ein universitär verankertes Forschungsprojekt, ein Kontext, der – wissenschaftliche Verfahrensweisen und Wissensproduktion betreffend – mit bestimmten Erwartungshaltungen und Konventionen, einhergeht. Diese stehen dem Offenen, dem Prozesshaften, dem Nicht-Unmittelbar-Greifbaren und Nicht-Per-Se-Output-Orientierten, wie es für künstlerische Prozesse im hier beschriebenen Sinne konstitutiv ist, entgegen.

Sowohl aus künstlerischer als auch aus wissenschaftlicher Perspektive gilt es im Räume-Projekt deshalb kontinuierlich auszuloten: Wie viel Prozessorientierung ist möglich? Was muss im Rahmen des Projektes an konkreten Ergebnissen entstehen? Reicht es aus, Formate wie etwa die Erzähllabore als solche auszuprobieren und – wie in diesem Text– in ihrer Funktion als Experimentierräume zu reflektieren? Oder: Impliziert das Sammeln von Geschichten nicht immer auch deren Dokumentation und – davon ausgehend – die (Weiter-)Entwicklung von (neuen) Formaten? Wie kann eine solche Dokumentation aussehen? Wird man offenen, oft sehr persönlichen Gesprächen gerecht, wenn man sie beispielsweise streng mitprotokolliert? Und was passiert konkret dann damit?

Hinzu kommen die je unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Menschen, die sich ‚in unsere Räume begeben‘ und sie individuell nutzen und ausgestalten (sollen). Welche Bedingungen möchten etwa jene Menschen vorfinden, um über eine Zukunft mit Zukunft zu sprechen und ins Tun zu kommen, die in Mattsee an unseren Erzähllaboren vorbeigegangen sind?

Und nicht zuletzt ist da noch die Herausforderung der Übertragbarkeit der künstlerischen Experimentierräume, beispielsweise der Erzähllabore: Können sie auf andere Kontexte – etwa schulische oder museale – übertragen werden? Was muss kontextbezogen adaptierbar sein? Und: Welche Rolle spielt dabei, welche Person(en) sie jeweils ‚eröffnen‘?

„Wie viel Mut haben wir eigentlich auf das Prozessorientierte?“

„Wie […] drängt sich dann doch wieder diese Suche nach einem Ergebnis mit rein? Was muss am Ende dann, weil es ja auch ein Forschungsprojekt ist, hergezeigt werden? Wie weit darf das in dem Suchen, im Fragen bleiben?“ (Stephanie Müller)

Wenn Stephanie Müller in diesem Zitat noch einmal sehr klar auf den Punkt bringt, worin zentrale Herausforderungen dieses Projektes – wie sie oben bereits angesprochen wurden und ihrerseits alleiniger Forschungsgegenstand sein könnten – bestehen, so sind es in erster Linie die beiden Fragen, die diese Aussage rahmen, die uns als passend erscheinen, um diesen Text abzuschließen und gleichzeitig, im Sinne eines Ausblicks, nächste Projektschritte anzudeuten:

Tatsächlich resultiert aus unseren bisherigen Erfahrungen – nicht nur in Bezug auf Mattsee, sondern den gesamten Projektprozess betreffend – die Erkenntnis, dass sich nicht nur für unsere verschiedenen künstlerischen Experimentierräume das gemeinsame künstlerisch-experimentelle Tun als methodisches Handlungsprinzip im Sinne eines prozesshaften, ergebnisoffenen ‚Ermittelns‘ von wünschenswerten Zukünften als konstitutiv erweist. Auch das Entwickeln und Erproben verschiedener Umsetzungsformate und Materialien selbst muss als ergebnisoffener, gemeinschaftlicher Suchprozess verstanden werden, in dem Verschiedenes ausprobiert, adaptiert, weiterentwickelt, aber auch wieder verworfen werden kann. Die damit verbundenen Unsicherheiten sind nicht immer leicht auszuhalten, hierin besteht allerdings die Spur, die wir versuchen weiterzuverfolgen.

Zusammenfassend erweisen sich für uns neben den Herausforderungen, die Prozessorientierung und Ergebnisoffenheit mit sich bringen, Fragen von Dokumentation, der Umgang mit Erwartungshaltungen und das Abbilden von Vielstimmigkeit als zentral.

Mitte September 2021 eröffneten wir in Seekirchen am Wallersee weitere künstlerische Experimentierräume und konnten wiederum viele neue Erfahrungen sammeln. Die Reflexion der dabei gemachten Erfahrungen und Beobachtungen stellt einen wichtigen weiteren Schritt in unserem Projekt dar, insbesondere in Hinblick auf die Auseinandersetzung und die weitere Diskussion von – im vorliegenden Beitrag aufgeworfenen – Fragen. Fortsetzung folgt.

 

Dank

Wir danken Klaus Erika Dietl, Jan-Phillip Ley und Stephanie Müller für ihre großartige Arbeit in Mattsee und für ihre detaillierten Reflexionen zum dortigen Prozess, die die Basis für diesen Text bilden. Darüber hinaus bedanken wir uns bei Fabian Schmid und dem OTELO Mattsee, das für uns eine wertvolle Andockstation vor Ort darstellte. Unser Dank gilt auch der so großartig motivierten und motivierenden Reallabor-Gruppe sowie dem Projektteam Sandra Kobel (Salzburg Museum), Timna Pachner und Sophia Reiterer (beide Universität Salzburg) für die intensive und produktive Zusammenarbeit.

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Anzengruber, Katharina/Zobl, Elke (erscheint im November 2021): Zukunft mit Zukunft. Künstlerische Experimentierräume und kulturelle Nachhaltigkeit. In: Rauscher, Erwin/Sippl, Carmen (Hrsg.), Kulturelle Nachhaltigkeit lernen und lehren. Innsbruck, Wien: Studienverlag.

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Di Giulio, Antonietta/Defila, Rico (Hrsg.) (2018): Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer VS.

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Fischer, Daniel/Fücker, Sonja/Selm, Hanna/Storksdieck, Martin/Sundermann, Anna (2021): SusTelling: Storytelling für Nachhaltigkeit. In: Fischer, Daniel/Fücker, Sonja/ Selm, Hanna/Sundermann, Anna (Hrsg.); Nachhaltigkeit erzählen. Durch Storytelling besser kommunizieren? S. 21–36. München: oekom.

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Gaztambide-Fernández, Rubén (2014): Warum die Künste nichts tun. Auf dem Weg zu einer neuen Vision für die kulturelle Produktion in der Bildung. In: Hamer, Gunhild  (Hrsg.): Wechselwirkungen. Kulturvermittlung und ihre Effekte, S. 51–86. München: Kopaed.

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Hörning, Karl H./Reuter, Julia (Hg.) (2004): Doing Culture. Neue Positionen zum Verhältnis von Kultur und sozialer Praxis. Bielefeld: transcript.

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Klaus, Elisabeth/Zobl, Elke (2019): Kritische kulturelle Produktion im Kontext von Cultural Studies und Cultural Citizenship. In: Zobl, Elke/Klaus, Elisabeth/Moser, Anita /Baumgartinger, Persson Perry (Hrsg.): Kultur produzieren. Künstlerische Praktiken und kritische kulturelle Produktion, S. 19–31. Bielefeld: transcript.

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Krämer, Georg (2018): Transformative Bildung: Zwischen Katastrophen-Pädagogik und Subjektorientierung. In: VENRO (Hrsg.): Globales Lernen: Wie transformativ ist es?. Impulse, Reflexionen, Beispiele, S. 12–15. Berlin: VENRO.

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Mörsch, Carmen (2016): Urteilen Sie selbst: Vom Öffnen und Schließen von Welten. In Kultur öffnet Welten. Online unter https://www.kiwit.org/kultur-oeffnet-welten/positionen/position_2944.html, abgerufen am 12.10.2021.

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Sandkühler, Hans Jörg (Hrsg.) (2010): Enzyklopädie Philosophie. Hamburg: Meiner.

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Seitz, Klaus (2018): Globales Lernen als Transformative Bildung für eine zukunftsfähige Entwicklung. In: VENRO (Hrsg.): Globales Lernen: Wie transformativ ist es?. Impulse, Reflexionen, Beispiele, S. 7–11. Berlin: VENRO.

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Quartier Zukunft (Hrsg.) (2020): Dein Quartier und Du. Nachhaltigkeitsexperimente im Reallabor zu Nachbarschaften, Bienen, Naschbeeten, Kreativität und Konsum. Karlsruhe: Scientific Publishing.

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Welzer, Harald (2013): Selbst Denken. Eine Anleitung zum Widerstand. Frankfurt am Main: Fischer.

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Zobl, Elke (2019): Kritische kulturelle Teilhabe. Theoretische Ansätze und aktuelle Fragen. In: Zobl, Elke/Klaus, Elisabeth/Moser, Anita/Baumgartinger, Persson Perry (Hrsg.): Kultur produzieren. Künstlerische Praktiken und kritische kulturelle Produktion, S. 47–60. Bielefeld: transcript.

Mörsch weist darauf hin, dass verschiedene Bewegungen an der Erweiterung des Kulturbegriffs beteiligt waren, wie „die europäischen Bewegungen der Arbeiterbildung, […], die sich gegen die ‚musische Bildung’ abgrenzende ‚kulturelle Bildung’ in der BRD, die lateinamerikanische Befreiungspädagogik oder die Widerstandsbewegungen der Dekolonisierung und der Indigenen“ (Mörsch 2016: o.S.).

Wir beziehen uns hier auf das aus dem angloamerikanischen Raum stammende Konzept der Cultural Citizenship, das zivilgesellschaftliche Ansprüche auf eine Mitgestaltung kultureller Bedeutungsproduktion betont (Klaus/Zobl 2019).

Reallabore bezeichnen „ein Forschungsformat, in dem transdisziplinär geforscht wird und gleichzeitig ein expliziter transformativer Anspruch verfolgt wird“ (Defila/Giulio 2018: 9). Es handelt sich dabei um hybride Gebilde (Projekte, Unternehmungen) an der Schnittstelle von Wissenschaft und Gesellschaft. Dementsprechend sind sie partizipativ auf die Beteiligung von Wissenschafter:innen und Akteur:innen aus der Praxis und Zivilgesellschaft angelegt und verfolgen eine dreifache Zielsetzung: die Produktion von Erkenntnissen und Wissen (Forschungsziele), das Anstoßen von Transformationsprozessen (Praxisziele) sowie ein Voneinander-Lernen und Vermitteln (Bildungsziele) (vgl. Defila/Giulio 2018: 11).

Im weiteren Textverlauf verwenden wir auch die Abkürzung Räume-Projekt zur Bezeichnung des Projektes Räume kultureller Demokratie.

Realexperimente sind der Kern von Reallaboren. In ihnen werden Innovationen erprobt und in Bezug auf ihre Übertragbarkeit auf andere Kontexte überprüft. Sie sind demnach stark selbstreflexiven Charakters und können temporär und/oder langfristig angelegt sein. Zentral ist es, in diese Realexperimente verschiedene Beteiligungsformate mit je unterschiedlicher Beteiligungsintensität zu integrieren.

Um sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wie Reallabore umgesetzt werden können, empfehlen wir die Website der Plattform Netzwerk Reallabore der Nachhaltigkeit: https://www.reallabor-netzwerk.de.

Dem Geschichtenerzählen wird in Nachhaltigkeitskontexten – dann vielfach unter dem Begriff ‚Storytelling‘ gefasst – große Bedeutung beigemessen. Storytelling wird zum einen dazu herangezogen, „um ganz konkrete Lösungsansätze für komplexe und verzwickte (wicked) Nachhaltigkeitsherausforderungen zu entwickeln, [ist] zum anderen jedoch daran geknüpft, Menschen in eine Auseinandersetzung mit diesen komplexen Problemstellungen zu bringen und sie an der Ko-Produktion möglicher Lösungen zu beteiligen“ (Fischer et al. 2021: 22). Die Ziele, die damit einhergehen, sind demnach „bildend auf Rezipierende zu wirken (Bildungswirkung) und den Wandel im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung zu fördern (Nachhaltigkeitswirkung)“ (Fischer et al. 2021: 27). Wenngleich dem Storytelling im hier beschriebenen (und den Diskurs um Storytelling und Nachhaltigkeit im Allgemeinen prägenden) Sinne also auch eine ‚aktivierende‘ Funktion zukommt, so steht doch die Wirkungsorientierung im Vordergrund – und damit einhergehend der Moment der ‚Übermittlung‘ im Sinne von: „Mit welchen erzählerischen Strategien kann der:die Erzähler:in bei den Rezipient:innen einen möglichst starken Effekt erzielen und sie dazu motivieren zu handeln?“. Wir versuchen im Räume-Projekt ein Stück weit den ‚umgekehrten‘ Weg zu gehen, also nicht Erzählstrategien zu nutzen, um komplexe Probleme verständlich aufzubereiten und die Menschen dazu zu bewegen, sich an deren Lösung zu beteiligen, sondern unmittelbar bei ihnen anzusetzen. Da dieser Zugang also nicht den – wenngleich auch sehr breit gefächerten – Konzepten von Storytelling entspricht, verwenden wir das deutsche Pendant „Geschichtenerzählen“.

Katharina Anzengruber, Elke Zobl ( 2021): Geschichten ‚mit Zukunft‘. Pop-Up-Erzähllabore als künstlerische Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/geschichten-mit-zukunft/