Culture Jamming

Ein Blick hinter das Spektakel

Culture Jamming (vgl. z.B. Dery 1993;star (* 9 ) Lasn 2000star (* 21 ) star (* 22) und 2005star (* 20 ); Klein 2005star (* 18 )) ist eine im weitesten Sinne politisch-kulturelle Bewegung, die mit gesellschaftlich zirkulierenden Zeichen und Symbolen spielt, diese subversiv umdeutet und kreativ in neue, ungewohnte Kontexte rückt. Subversion kann als eine Grundtechnik der Jammer verstanden werden und meint die „Verdeutlichung von Paradoxien, Irritationen und Umdeutungen, machtvolle Kategorien anzugreifen und deren Ausschlusscharakter damit offenzulegen und zu unterlaufen” (Groß 2003: 89)star (* 16 ).

Oft, aber längst nicht immer, geht es dabei um die Persiflage und Veränderung von Werbung, Marken und Firmenlogos. Angestrebt wird eine Reflexion kapitalistischer Gesellschaftsmodelle mit dem Ziel, auf Missstände aufmerksam zu machen. Die Prozesse der Legitimation von bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen und der gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutungsproduktion sollen sichtbar gemacht werden. Das wohl größte globale Netzwerk von Culture Jammern bildet die kanadische Gruppierung Adbusters, die 2011 mit der Initiierung der Occupy-Bewegung aufhorchen ließ. (Vgl. www.adbusters.org)

Entstehungskontext von Culture Jamming

Der Begriff Culture Jamming wurde erstmals 1984 von der Audio-Collage-Band Negativland aus San Francisco verwendet, um unterschiedliche Formen der Mediensabotage zu beschreiben. (Vgl. Dery 1993: 5)star (* 9 ) Wie Klein (2005: 292)star (* 18 ) treffend feststellt, ist es beinahe unmöglich, die genauen Ursprünge von Culture Jamming zurück zu verfolgen. Es lassen sich jedoch besonders prägende Einflussfaktoren isolieren. Die in den 1960er Jahren in den USA entstandene Graffiti-Bewegung (vgl. Baudrillard 1978)star (* 2 ) prägte vor allem die Arbeitsweisen der Culture Jammer. Das Sprühen von Graffiti kann in diesem Zusammenhang als Versuch gewertet werden, die öffentliche Sphäre zurück zu erobern und den öffentlichen Raum zu besetzen. Die politischen Fotomontagen von John Heartfield wurden in den 1930er Jahren als „ein neues Medium politischer Agitation” (Behnke 2003; S. 4)star (* 3 ) betrachtet. Er arbeitete mit den Produkten der Medien und kreierte durch das Montieren dieser Produkte neue Botschaften. In dieser Zeit entwickelte Heartfield seine berühmte Montagetechnik und profilierte sich als Gesellschaftskritiker, der auf Seiten der Arbeiterklasse und gegen Hitler kämpfte. In ähnlicher Weise inspirierte die Cut-up Technik des US-amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs (1914-1997) die Arbeitsweise der Culture Jammer (vgl. Conrads 2005)star (* 5 ). Burroughs sah in der Technik des Cut-up eine Möglichkeit, Gerüchte in die Welt zu setzen und so etwaige (politische) GegnerInnen zu diskreditieren (vgl. Blisset et al. 2001: 180 f.)star (* 4 ), indem beispielsweise Originalaufnahmen einer Rede mit fiktiven Tonbandaufnahmen gemischt werden. „Die verschiedenen Techniken der Toncollage, der Schnitte, Überblendungen und Verzerrungen” (ebd.) kamen dabei zum Einsatz.

Spektakel, Konsumkritik und soziale Kontrolle

Neben diesen Einflussfaktoren finden sich in den Aktionen, Motiven und auch im Selbstverständnis der Culture Jammer häufig Hinweise auf situationistische Einflüsse. Die Situationistische Internationale wurde in den 1950er Jahren von dem französischen Künstler und Revolutionär Guy Debord gegründet und trat gegen die damals in Europa vorherrschenden Machtverhältnisse und Hierarchien ein, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die damalige Medienkultur legten. Debord liefert mit seinem Hauptwerk “Die Gesellschaft des Spektakels” von 1967 eine wichtige Grundlage einer fundamentalen Kritik an der modernen kapitalistischen Gesellschaft, auf die sich einige nachfolgende Bewegungen beziehen, so auch die des Culture Jamming. Debord (1996: 8)star (* 7 ) beschreibt darin das „gesamte Leben der Gesellschaften, in denen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, […] als eine ungeheure Ansammlung von Spektakeln. Alles, was unmittelbar erlebt wurde, hat sich in einer Repräsentation entfernt”. Es geht also um das Spektakel des modernen Lebens, womit jedwede inszenierte Repräsentation von Erfahrungen gemeint ist, angefangen von der Werbung und den Massenmedien über Freizeitveranstaltungen bis hin zur Modeindustrie. Er formuliert eine Konsumkritik und eine Medienkritik gleichermaßen. Lasn (2000a: 418)star (* 22 ) sieht das Spektakel auch als Instrument sozialer Kontrolle, das das herrschende System aufrechterhält. Dies geschehe dadurch, dass den KonsumentInnen Wahlfreiheit im Konsum vorgegaukelt werde, obwohl die Freiheit nur darin bestehe, zwischen bereits vorselektierten Produkten eine Auswahl zu treffen. Hier seien nicht nur materielle Produkte gemeint, sondern auch Events, Politikskandale oder Stars werden – von den Massenmedien – ausgewählt, aufbereitet und zur Wahl gestellt. „Wie eine avantgardistische Performance führte das Spektakel eine Ideologie der Freiheit auf.” (Greil 1992: 104)star (* 15 )

Détorurnement und Dérive als zentrale Einflussfaktoren

Die SituationistInnen entwickelten zwei zentrale Methoden, mit denen das Spektakel solange aufgehalten werden könne, dass ein kritischer Blick dahinter möglich werde. Beim Détournement geht es darum, Elemente aus ihrem ursprünglichen Kontext herauszulösen und neu zu kombinieren. Diese neuen Kombinationen bringen dann eine neue Beziehung zwischen den Elementen hervor, auch wenn sie ursprünglich nichts gemeinsam hatten. (Vgl. Debord/ Wolman 1989: 9star (* 8 ) und Klein 2005: 293star (* 18 )) Culture Jammer können dadurch eine Botschaft in ihre eigene Anti-Botschaft verwandeln und die Werbeindustrie mit ihren eigenen Waffen schlagen. Denn die Methode des Détournement wird von den Jammern überwiegend beim Verändern von Werbeplakaten angewandt, wenn sie Elemente der Plakate vertauschen, abändern und in neuen Kontexten zusammen setzen, um somit eine subversive Botschaft zu erzeugen.

Die zweite zentrale Methode der SituationistInnen ist das Dérive. Dies bezeichnet ein „mit der Suche nach anziehenden und abstoßenden Zeichen verbundenes Umherschweifen durch die Straßen der Stadt” (Greil 1992: 172)star (* 15 ). Mit diesem Umerschweifen werden Situationen konstruiert: „As a dériviste, you float through the city, open to whatever you come in contact with, thus exposing yourself to the whole spectrum of feelings you encounter by chance in everyday life. […] You embrace whatever you love, and in the process, you discover what it is you hate.” (Lasn 2000a: 416 f.)star (* 22 ) Charakteristisch für diese Methode ist also die Fortbewegung im urbanen Umfeld ohne Ziel. Im Kern steht die Offenheit für Neues, Erwartungsmuster werden abgelegt zu Gunsten eines subjektiven Erlebens des eigenen urbanen Umfeldes. Ein ungelenktes Umherschweifen in einer Stadt ohne Wegweiser und ohne bekannte Elemente aus der Welt des Konsums könnte, so die These, zu einer neuen Selbstfindung und zu einem neuen Erleben der Stadt führen. Das Dérive kann somit aus heutiger Sicht auch aufgefasst werden als ein Versuch der Wiederaneignung öffentlicher Räume, welche durch Konzerne und ihre Werbebotschaften vereinnahmt worden sind.

Strategien und Taktiken des Culture Jamming

Nicht zuletzt auf Grund dieser mannigfaltigen Einflüsse schöpfen Culture Jammer aus einem vielseitigen Repertoire an künstlerischen Strategien und Taktiken. Dery (1993)star (* 9 ) fasst diese Vielfalt in vier zentralen Punkten zusammen. Adbusting oder Subvertising ist die Produktion und Distribution von veränderten Werbeplakaten, Werbespots oder Werbeslogans. Beim Billboard Banditry werden Plakatwände in öffentlichen Räumen – meist nachts – mit Hilfe von Spraydosen, Postern oder anderen Hilfsmitteln übermalt und umgestaltet. Media Hoaxing bezeichnet das absichtliche Verbreiten von falschen Informationen an Mainstream-Medien mit dem Ziel, die Öffentlichkeiten darauf aufmerksam zu machen, dass im Tagesjournalismus nicht die genaue Recherche und das Überprüfen von Informationen an erster Stelle stehen. Audio Agitprop schließlich meint die offenkundige Manipulation von auditiven Medienbeiträgen.

Was Dery vor knapp zwanzig Jahren in seinem Grundlagentext für Culture Jammer nur peripher mitdenkt, ist die Ausweitung des Handlungsfeldes, welche sich mit der Einführung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien ergibt. Hacktivismus und Electronic Civil Disobedience (vgl. z.B. Arns 2002)star (* 1 ) sind mittlerweile ein fester Bestandteil aktivistischer Strategien von Culture Jammern. Das Einsetzen neuer Technologien wie Laser-Tags (vgl. Ruhl 2008)star (* 26 ) bereichert das Sortiment zusätzlich. Culture Jammer reagieren aber auch auf die sich stetig verändernden Rahmenbedingungen und passen ihre subversiven und künstlerischen Strategien den Konzern-Realitäten an. Rubenstein (2012)star (* 25 ) stellt fest, dass Internetwerbung von Unternehmen nicht mehr auf die klassische Weise gejammt werden kann. Durch die verstreute Platzierung ist es schwierig, ein klassisches Subvertising anzufertigen und effektiv zu verbreiten und auch der herkömmliche Boykott einer Werbung würde nichts ausrichten. Denn, so Rubinstein weiter, im Internet zahlt das Unternehmen pro Klick auf die Werbeeinschaltung. Er schlägt folglich eine neue Protestform vor: die Werbungen im Internet anzuklicken: “This would be statistical noisemaking as a form of protest.” (Ebd.)
Anhand von zwei ausgewählten Beispielen soll im Detail verdeutlicht werden, wie Culture Jammer durch semiotische Kommunikationsguerilla (vgl. Eco 1987)star (* 11 ) Raum für ungewohnte Lesarten bieten.

Zwei Beispiele: Marken- und Gesellschaftskritik

Bei einem Subvertisement werden Werbesujets globaler Konzerne oder auch politischer Parteien gejammt. Elemente daraus werden abgeändert, sodass sich daraus eine subversive Botschaft ergibt, wie im Détournement beschrieben. Diese Änderungen beziehen sich entweder auf das verbale Register, indem textlichen Elemente wie Slogans (minimal) verändert werden, oder auf das visuelle Register (vgl. Eco 1972: 271)star (* 12 ), also die Änderung von bildlichen Elementen einer Werbung. In seltenen Fällen können auch beide Register verändert werden. Dabei muss aber das Original dahinter noch erkennbar bleiben, sodass „vor dem Hintergrund eingeübter Seh- und Lesegewohnheiten” (Blissett et al. 2001: 51)star (* 4 ) die Absicht hinter dem Culture Jam erkennbar bleibt. Durch diese künstlerisch-subversiven Änderungen werden die Werbebotschaften neu kontextualisiert und neue Bedeutungszusammenhänge entstehen. Culture Jammer wollen „umdeuten, umcodieren, zweckentfremden, dekontextualisieren und rekontextualisieren” (Liebl et al. 2005: 15)star (* 23 ). Das hier abgebildete Subvertisement beinhaltet die Formel Work, Buy, Consume, Die – Arbeite, Kaufe, Konsumiere, Stirb! Gemeinsam mit der dahinterstehenden Kritik an der Macht globaler Marken ergibt dies eine Anspielung auf die heutige Konsumkultur, in der Menschen hauptsächlich arbeiten, um zu konsumieren und dabei die „wahren” Kosten ihres Handelns übersehen.

Abbildung: Subvertisement WORK-BUY-CONSUME-DIE
Quelle: Bas de Reuver

Culture Jammer deuten vor allem Zeichen und Symbole um, die von den Massenmedien verbreitet werden, um damit das Wertesystem einer Gesellschaft zu hinterfragen. So auch die spanische Aktionskünstlerin Yolanda Domínguez, die 2011 mit der Performance Poses auf sich aufmerksam gemacht hat. (Vgl. o.V. 2012)star (* 24 ) Dabei nimmt sie sich Darstellungen von weiblichen Models aus der Hochglanzpresse zum Vorbild und lässt die dargestellten Posen der Models von „normalen“ Frauen nachstellen – im Supermarkt, auf einer Parkbank oder an einer Bushaltestelle. Die Reaktionen von PassantInnen auf diese als unnatürlich wahrgenommenen Verrenkungen waren Verwunderung, Beschämung und Sorge um den Gesundheitszustand der Frauen. Das erklärte Ziel dieser Aktion: “to make it clear how ridiculous, and at times harmful, it can be to follow these models that the world of glamour impose on us.” (http://www.yolandadominguez.com/Poses/index.html) Die Art der Darstellung von Frauen in den Medien wird also kritisiert durch deren Herauslösung aus dem ursprünglichen Kontext. Das zur Performance erstellte Video entwickelte sich zur Meme (vgl. Dawkins 1978)star (* 6 ) und wurde mittlerweile über 710.000-mal angeklickt:

Video: Poses

Yolanda Domínguez` Performance weist Parallelen zu Flashmobs auf, welche entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung auch immer mehr zur Erreichung bestimmter (politischer) Ziele eingesetzt werden. (Vgl. Englert et al. 2010)star (* 13 ) Auch bei dieser Form des Aktionismus ist die Rolle der (zufälligen) RezipientInnen zentral: “Each spectator is free to choose their position and this is what it is about.” (http://www.yolandadominguez.com/impact/index.html) Es geht also nicht vordergründig darum, Menschen zu informieren, sondern Situationen zu kreieren, die Menschen aus ihrem gewohnten “Spektakel” herausholen, aufrütteln und verwundern sollen. Darin spiegelt sich die situationistische Methode des Dérive.

Prinzip der Verfremdung bricht konventionelle Wahrnehmungsstrukturen auf

Beiden Beispielen inhärent ist das Prinzip der Verfremdung, welches von Culture Jammern, neben dem Prinzip der Überidentifikation, häufig in ihren Arbeiten eingesetzt wird. Dabei wird versucht, „Distanz zu den herrschenden Verhältnissen zu schaffen und so deren scheinbare Natürlichkeit in Frage zu stellen” (Blisset et al. 2001: 54)star (* 4 ). Die kulturelle Grammatik, also das „Regelsystem, das gesellschaftliche Beziehungen und Interaktionen strukturiert” und die „Gesamtheit der ästhetischen Codes und der Verhaltensregeln” (ebd.: 17) umfasst, wird gestört. Konsequenzen aus dieser Störung des gewohnten Ablaufes können Verwirrung, Überraschung oder Schock auf Seiten der RezipientInnen sein. Durch diese Reaktionen wird eine Distanz ermöglicht, die wiederum zulässt, einen kritischen Blick hinter das Spektakel zu werfen, die gewohnten Wahrnehmungsmuster zu durchbrechen und sich dadurch selbst ein Bild zu machen. Das Prinzip der Verfremdung oder Distanzierung funktioniert also vor allem durch die „Störung des gewohnten Ablaufs” (Groß 2003: 87)star (* 16 ).

Mit ihren künstlerischen Strategien und Taktiken wollen Culture Jammer aktiv in die kulturelle Bedeutungsproduktion eingreifen und außerdem eine Verlagerung von passiven KonsumentInnen hin zu aktiven ProduzentInnen (von Kultur) erreichen. „Make your own culture and stop consuming that which is made for you!” (Duncombe 1997: 2)star (* 10 ), lautet daher auch das Credo vieler Culture Jammer. Dieser DIY (Do-It-Yourself)- Gedanke ist vielen Culture Jamming -Projekten inhärent – denn politischer und / oder künstlerischer Aktivismus kann nur im Kollektiv entstehen. Alle sind aufgefordert, selbst aktiv zu werden und durch viele gezielte Angriffe „von innen heraus“ in einer Art Guerilla-Taktik eine Untergrabung der bestehenden Machtverhältnisse zu forcieren und den Kampf um Bedeutungen aufrecht zu erhalten. Culture Jammer dringen in die Welt der Medien ein und versehen die verbreiteten Botschaften immer wieder mit subversiven Bedeutungen. Mit ihren Projekten stellen Culture Jammer eine „permanente Korrektur der Perspektiven, eine laufende Überprüfung der Codes, eine ständig erneuerte Interpretation der Massenbotschaften” (Eco 1987: 155 f.)star (* 11 ) sicher.

Aktuelle Entwicklungen: Avantgarde und Mainstream

Doch Culture Jamming ist heute auch immer dem Vorwurf ausgesetzt, das „Empire of Signs“ lediglich auszudehnen und damit in die Hände von WerbestrategInnen zu spielen, indem sie mit ihren radikalen Ideen den Pool an Branding-Techniken lediglich erweitern. (Vgl. Jordan 2002: 151)star (* 17 ) Auch Behnke (2003)star (* 3 ) konstatiert, dass sich die Reklameindustrie alles aneignet, was „hip“ ist. Culture Jammer ziehen Aufmerksamkeit auf sich, indem sie Bilder und Texte auf neuartige Weise einsetzen und damit schockieren und provozieren, um so ihre oppositionellen Ansichten zu verbreiten. Damit erweitern sie allerdings auch das Repertoire dessen, was von den Öffentlichkeiten als „zeig- und vorstellbar” wahrgenommen wird. So wurde auch längst das enorme Verkaufspotential von T-Shirts, Buttons oder Aufklebern entdeckt, die veränderte Logos oder Anti-Konsumbotschaften aufgedruckt haben. Diese von UnternehmerInnen aufgegriffene Verkaufsnische hat nicht mehr viel mit „ätzende[r, d. Verf.] Sozialkritik” (Klein 2005: 307)star (* 18 ) zu tun, sondern hat sich selbst als Modetrend mit Marktwert herausgebildet. Diese Entwicklungen implizieren, dass Culture Jamming seinen alternativen Charakter verlieren und in das Spektakel integriert werden könnte. Die Wechselwirkungen zwischen Mainstream und Subkultur können aber auch von Culture Jammern bewusst instrumentalisiert werden. Fabo (2008)star (* 14 ) führt den Begriff der „parasitären Strategien“  ein und beschreibt Szenarien, in welchen sich die Subkultur der Infrastruktur des Mainstream bedient, um somit ihre Botschaften von innen heraus zu verbreiten.

Welchen Impact hat nun Culture Jamming als konsumkritische Bewegung? Ist Culture Jamming in der Lage, Prozesse der gesellschaftlichen und kulturellen Bedeutungsproduktion zu verändern? Oder handelt es sich vielmehr um eine Form von Kunst ohne politische Relevanz, in der Culture Jammer als Ideengeber für die Unternehmen agieren? Wie zu erwarten liegt die Antwort wohl irgendwo dazwischen. Kann Culture Jamming auch nicht die alleinige Waffe sein, um nachhaltigen politischen und sozialen Wandel hervorzurufen, so können damit doch bestimmte Aspekte der globalen Konsumkultur kritisch hinterfragt werden. Und ändern globale Unternehmen durch die Aktionen der Jammer auch nicht ihre grundsätzliche Unternehmenspolitik, so kann dadurch doch ein gewisser gesellschaftlicher Druck zu mehr Transparenz erzeugt werden. In jedem Fall aber hat sich Culture Jamming selbst mittlerweile für viele AktivistInnen zu einem attraktiven Label entwickelt, das seinen alternativen Charakter behalten sollte, da es sonst Gefahr läuft, in das Spektakel integriert zu werden.

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