Wer hat die Deutungshoheit, die Herrschaftsmacht und die Sprech*position, um Kultur zu schaffen oder sie zu demokratisieren?

Eva Egermann im Interview mit Dilara Akarçeşme und Persson Perry Baumgartinger

Was bedeutet kulturelle Teilhabe in Salzburg und darüber hinaus? Welche Rolle spielt der Körper dabei? Was können Disability und Crip Theory zum Thema beitragen? In diesem Gespräch teilt Eva Egermann ihr Wissen über (Körper-)Normierungen als eines der wirkmächtigsten Konzepte der Moderne, involvierende Kunstpraktiken, Begrifflichkeiten sowie barrierearme Zugänge.

Eva Egermann ist Künstlerin und lehrte an Hochschulen in Wien, Linz, Luzern, Zürich und Innsbruck. Sie initiierte zahlreiche künstlerische Projekte, Publikationen oder kuratorische Projekte und war Teil verschiedener Kollaborationen (wie z.B. der Manoa Free University oder der Gruppe Girls on Horses). Sie war Visiting Researcher an der U.C. Berkeley und absolviert ein PhD in Practice Studium an der Akademie der bildenden Künste Wien. In recherchebasierten künstlerischen Projekten beschäftigte sie sich mit Aneignungen, Sozialen Bewegungen und Popkulturen, die mit Krankheit und Behinderung zu tun haben. Verschiedenste Materialien finden sich in ihren Projekten wieder, re-inszeniert, überarbeitet, zum Beispiel in Form des Crip Magazine, das sie herausgibt.

Coverdesign Crip Magazine Ausgabe 2

Eva Egermann, Coverdesign Crip Magazine #2 von Anna Voswinckel, 2017.

 

Was bedeutet für dich „Kultur für alle“ bzw. kulturelle Teilhabe in Salzburg und darüber hinaus? Was fällt dir dazu ein?

Mein Hintergrund ist der einer bildenden Künstlerin, die an einer Kunstuniversität studiert hat. Ich habe konzeptuelle Kunst und Medienkunst studiert; d.h. konzeptuelle, partizipative und ortsbezogene Kunstpraktiken der 1990er Jahren, die u.a. die Öffentlichkeit involvierten und mit öffentlichen Diskursen, öffentlicher Wahrnehmung oder Medien arbeiteten, waren wichtig für meine Sozialisation als politisch involvierte, (post-)konzeptuelle und recherchebasierte Künstlerin. Damit war in gewissem Sinn auch ein erweiterter Kunstbegriff gemeint, bzw. eine erweiterte Interpretation von künstlerischer Praxis, also über klassische Disziplinen wie Malerei oder Fotografie hinaus. Partizipation und die Frage danach, an wen sich Kunst richtet bzw. wen sie ansprichtund wo sie stattfindet, wo sie aufgeführt wird und wer zu diesen Orten Zugang hat, war für diese Auseinandersetzung natürlich ebenso wichtig.

Aus dem Verständnis als bildende Künstlerin finde ich die Sichtweise interessant, dass erst eine Öffentlichkeit bzw. die Rezeption (bzw. das Lesen) eines Kunstwerks dieses vollständig macht (bzw. es entstehen lässt, wie es z.B. Roland Barthes mit der Dekonstruktion der Autorenschaft beschreibt). Dass in dem Zwischenraum von Arbeit und Betrachter*in etwas stattfindet, ist wichtig. Im besten Fall spannt sich eine Art relationaler Raum auf (Lefebvre).

Wenn man von „Kunst und Kultur in Salzburg“ spricht, ist meine erste Assoziation natürlich der städtische, öffentliche Raum, aber auch die Rolle, die Kunst im Stadtmarketing zukommt, bzw. dem Schaffen von „besonderen“ Orten dient.

GirlsOnHorses (Elke Auer, Eva Egermann, Esther Straganz, Julia Wieger), Was ist ein Cyborg Platz? Plakatprojekt im öffentlichen Raum, 2007, BORG Platz und Stadtraum Wiener Neustadt, im Rahmen von: „Was ist ein Platz?“ Kunst im öffentlichen Raum.

Das Projekt „Verborgene Geschichte/n. remapping Mozart“ war ein kritisches Kunstprojekt im Rahmen des Mozartjahres 2006.

Dilara Akarçeşme, Persson Perry Baumgartinger, Eva Egermann ( 2018): Wer hat die Deutungshoheit, die Herrschaftsmacht und die Sprech*position, um Kultur zu schaffen oder sie zu demokratisieren?. Eva Egermann im Interview mit Dilara Akarçeşme und Persson Perry Baumgartinger . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/wer-hat-die-deutungshoheit-die-herrschaftsmacht-und-die-sprechposition-um-kultur-zu-schaffen-oder-sie-zu-demokratisieren/