Kultur für alle!?
Unter dem Titel Kultur für alle!? fanden im Wintersemester 2017/18 zwei Lehrveranstaltungen statt, die das Thema der Teilhabe aus zwei unterschiedlichen Perspektiven beleuchteten.
Die Lehrveranstaltung von Elke Zobl thematisierte vor allem die Bereiche der Teilhabe, Zugänge, Barrieren und Ausschlüsse in Kunst und Kultur. Um diese zu erarbeiten, teilten wir uns in Kleingruppen auf und betrachteten anhand von Literatur und bereits bestehenden Checklisten eine ausgewählte Kunst- oder Kulturinstitution genauer. Unser Augenmerk lag auf bestehenden Barrieren in Bezug auf sehen, hören, verstehen und bewegen und den Möglichkeiten diese abzubauen.
Von der Homepage, der Erreichbarkeit mit privaten und öffentlichen Verkehrsmitteln über die Bewegungsfreiheit innerhalb der Institution bis hin zum Programm wurde alles genau betrachtet und dokumentiert. Dieser bewusste Fokus auf potenzielle Barrieren und Einschränkungen schärfte unsere Wahrnehmung sehr schnell und uns wurde so manche Hürde ins Bewusstsein gerufen, die man im Alltag schnell übersieht, wenn sie im eigenen Leben keine Rolle spielt: Schwere Türen ohne Türöffner, sehr klein gedrucktes Infomaterial, anspruchsvolle Beschreibungstexte oder auch hohe Gehsteigkanten können schon Hindernisse darstellen.
Die gesammelten Informationen, Erfahrungen und Fotos wurden am Ende des Semesters als Grundlage für eine Ausstellungsgestaltung verwendet.
Zusätzlich zu unserer eigenen Beschäftigung mit einzelnen Kunst- und Kulturinstitutionen fand eine Gesprächsreihe statt, in der uns jeweils weitere Blickwinkel eröffnet wurden. Den Anfang machte hier das W&K-Forum Kultur für alle! Wozu eigentlich?, in dem Max Fuchs (Erziehungs- und Kulturwissenschaftler an der Universität Duisburg-Essen) mit Martin Hochleitner (Leiter des Salzburg Museum) und Elisabeth Schneider (Obfrau des Kulturkreises Das Zentrum Radstadt) über Teilhabe und Partizipation sprach. Eingangs ging es im Vortrag von Max Fuchs darum, dass der Slogan „Kultur für alle“ eine kulturpolitische Forderung der Moderne ist, die jedoch noch nicht eingelöst wurde. Es gebe nach wie vor viel Handlungsbedarf im Kunst- und Kulturbereich, um die Partizipation – vor allem minorisierter Gruppen – zu ermöglichen. Als Lösungsansatz erwähnte er unter anderem eine engere und flächendeckendere Kooperation von Schulen und Kultureinrichtungen, um insbesondere Kinder und Jugendliche bereits früh zu erreichen.
Das zweite Gastgespräch fand unter dem Titel Kulturelle Teilhabe in Salzburg. Wer macht wo was für wen im Kulturland Salzburg – ein Praxistest mit Andrea Folie und Karl Zechenter (beide Dachverband Salzburger Kulturstätten) statt. Thematisiert wurden unter anderem Unterschiede der Kulturarbeit in der Stadt und auf dem Land, Finanzierungs- und Fördermöglichkeiten, Projekte des Dachverbandes und das Kulturimage der Stadt Salzburg. Zuerst wurde ein Blick auf die Geografie des Landes Salzburg geworfen. Dabei zeigt sich deutlich, dass durch die vielen verzweigten Täler oft weite Wege zu den Kulturzentren oder größeren Städten nötig sind, was die Partizipation erschwert. Beim Blick auf die Finanzierung von Kunst- und Kultureinrichtungen wurde sehr schnell deutlich, dass Salzburg den Hochkulturinstitutionen einen viel höheren Stellenwert beimisst als den freien Kunstinitiativen: Die namhaften Institutionen (Landestheater, Festspiele …) werden mit hohen Summen gefördert, wohingegen sich die freie Szene einen kleinen Prozentsatz des Gesamtbudgets aufteilen muss.
Zum Thema Sprachliches Handeln und Diskriminierung hielt Persson Perry Baumgartinger eine queeropedia lecture, bei der viele verschiedene Aspekte von Sprache, sprachlichem Handeln und Kommunikation aufgezeigt wurden. Sprache bedeute Macht. Man nehme beim Sprechen immer eine gewisse Position ein und dies solle man sich bewusst machen. Es gibt laut Baumgartinger viele Möglichkeiten, über Sprache Zugänge zu schaffen, wie zum Beispiel über Leichte Sprache. Bei der Leichten Sprache handelt es sich um eine eigene Sprachform, die es ermöglicht, auch komplexe und abstrakte Sachverhalte in eine leicht verständliche Sprache zu übersetzen. Weitere Möglichkeiten seien unter anderem feministische, antirassistische, postkoloniale und queere Strategien. Wichtig sei, dass sich Sprache ständig in einem Wandlungsprozess befinde und in dieser Veränderung auch ernst genommen werden müsse.
Im vierten Gastvortrag sprachen Nadja Al-Masri-Gutternig (Salzburg Museum) und Monika Daoudi-Rosenhammer (Lebenshilfe Salzburg) über Kulturelle Teilhabe im Museum. Die Kultureinrichtung barrierefrei zu gestalten, ist dem Salzburg Museum ein großes Anliegen, einige Maßnahmen werden auch schon umgesetzt. Neben den baulichen Aspekten wird hier auch stark daran gearbeitet, inhaltliche Barrieren abzubauen. So werden beispielsweise Führungen in Leichter Sprache angeboten, die für unterschiedliche Zielgruppen den Zugang zum Museum ermöglichen. Auf diesem Weg entstehen auch neue Begegnungsräume im Museum.
Der letzte Vortrag der Gesprächsreihe fand zu den Themen Körper-Vielsprachigkeit und (Un)-Sichtbarkeiten im Kontext von Dis_ability statt. Elisabeth Magdlener und Eva Egermann gingen in ihren Vorträgen unter anderem auf den Unterschied zwischen Inklusion und Integration, Begriffe wie „Othering“ (das Zum-Anderen-Machen) oder „Compulsory Ableness“ (Zwang zur Nicht-Behinderung/ Zwang zum Funktionieren) und die Crip-Theory ein. Die Crip-Bewegung ist eine Bewegung der Selbstermächtigung von Menschen mit unterschiedlichsten Behinderungen, um sich aus der Unsichtbarkeit zu heben.
Die zweite Lehrveranstaltung unter dem Titel Kultur für alle!? fand unter der Leitung von Elke Smodics statt und beschäftigte sich mit dem Aspekt der Entwicklung von Vermittlungsformaten im Kunst- und Kulturbereich. In Bezug auf den Slogan „Kultur für alle“ und unterschiedliche Vermittlungsformate wurden zwei große Fragen gestellt: „Wer sind Alle?“ und „Wer spricht?“
Im Zuge der Lehrveranstaltung sahen wir uns zum einen bereits bestehende Formate und Ausstellungen an und versuchten die Fragen nach der Narration (Wer spricht?) und den Adressat*innen zu beantworten. Zum anderen entwickelten wir unser eigenes kleines Zine.
Wir besuchten die Ausstellung Thick Time. Installationen und Inszenierungen von William Kentridge im Museum der Moderne und sammelten unsere Eindrücke und Assoziationen. In einer gemeinsamen Nachbesprechung gingen wir dann genauer auf die Narration, die Zielgruppen und die in den Werken dargestellten Themen ein. Hier war es sehr spannend zu sehen, welche unterschiedlichen Assoziationen dieselbe Ausstellung in den einzelnen Personen hervorrief.
Der Versuch, ein Vermittlungsformat zu entwerfen, war nicht weniger spannend. Gerade beim Entwickeln und Erarbeiten von Formaten muss man sich die Frage stellen, wen man damit ansprechen möchte und auch wie man die Personen ansprechen bzw. erreichen möchte. Der Forderung „Kultur für alle“ gerecht zu werden und mit einem Format alle anzusprechen, stellt sich schnell als Herkulesaufgabe heraus. Wenn man sich nun eingesteht, nicht alle gleichermaßen ansprechen zu können, tut sich auch schon das nächste Problem auf. Wenn man nicht alle ansprechen kann, muss man wohl oder übel gewisse Ausschlüsse produzieren, oder – etwas positiver formuliert – sich auf ein Zielpublikum beschränken. Bis das fertige Vermittlungsformat dann steht, ist es nicht immer einfach. Ich hatte eine Menge gute Ideen und musste viele davon auch recht rasch wieder verwerfen. Eines der großen Fettnäpfchen für mich war die Reproduktion von Ausschlüssen, Vorurteilen und Stereotypen. Man muss ständig die Perspektive, die man vertritt und aus der man spricht, kritisch betrachten und überarbeiten. Durch diese ständige Reflexion und das eine oder andere Fettnäpfchen lernt man jedoch sehr viel.
Ich habe mir persönlich sehr viel aus dieser Lehrveranstaltung und den Gastgesprächen mitnehmen können. Die unterschiedlichen Perspektiven nicht nur mittels Textlektüre zu erarbeiten, sondern zusätzlich die Gelegenheit zu haben, mit Personen aus dem Kunst- und Kulturbereich ins Gespräch zu kommen und anhand anschaulicher Praxisbeispiele zu sehen, wie es funktioniert oder auch nicht funktioniert, hat einen großen Mehrwert. Vor allem der Versuch, selbst ein Vermittlungsformat zu entwerfen, hat mir sehr viel Spaß gemacht und mein Interesse geweckt, mich weiterhin mit künstlerischen Herangehensweisen an Problemstellungen zu beschäftigen.
Links:
Podcast „Kulturelle Teilhabe in Salzburg“ (Audio und Video)
Podcast „Partizipative Kultur- und Medienarbeit in Salzburg“ (Video)
Claudia Simair ( 2018): Kultur für alle!?. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/kultur-fuer-alle/