Annäherungen an Ljubljana oder: ein Baukasten zur Stadterkundung

Wir begeben uns auf die Suche nach weiteren Experimentierräumen und finden so einen Weg zu der und durch die Stadt. In Ljubljana entdeckt man an allen Ecken und Enden Graffitis, an dafür vorgesehenen Plätzen ebenso wie an Orten, die – ginge es nach der Stadtverwaltung – davon freibleiben sollten. Und wenn man weiß, was man sucht, weiß man auch besser, was man sieht: Ein Referenzsystem zwischen rivalisierenden ästhetischen/politischen SprayerInnengruppen; ein Spannungsfeld zwischen vollendeter Sprayer-Technik und schlichtem, aber wirkungsvollem politischen Statement. Wir finden Wege zwischen Fassaden, Mauern, Böden, auf der Suche nach versteckten wie expliziten, nach adaptierten, transformierten oder übersprayten Botschaften und Bildern.

Diese Wege führen uns schließlich zu einem weiteren autonomen Kunst- und Kulturzentrum Ljubljanas. Wir finden uns in Metelkova wieder, einem Ort, dessen Geschichte ähnlich begann wie die des Rog, allerdings einen anderen Verlauf nahm: Es handelt sich hierbei um einen leerstehenden Kasernenkomplex, der von KünstlerInnen und AktivistInnen Anfang der 1990er Jahre besetzt wurde, um die Gebäude vor dem Abriss zu bewahren und sie für künstlerische Praxen zu nutzen. Dies gelang und so entwickelte sich Metelkova zu einem Zentrum alternativer Kultur. Mittlerweile ist es fixer Bestandteil des kulturellen Lebens Ljubljanas und wird als Ort der Kulturproduktion – es gibt dort einige Musikclubs und Galerien – nicht mehr in Frage gestellt, sondern sogar staatlich subventioniert.

Wir bewegen uns weiter am Übergang zwischen freier und subventionierter bzw. institutionalisierter Kulturszene. Wir durchqueren Park- und Wohnanlagen, schlittern über massive Eisplatten, spazieren auf Kopfsteinpflaster, Asphaltstraßen, Schotterwegen und gelangen zu Vodnikova domačija, dem Geburtshaus des slowenischen Schriftstellers Valentin Vodnik, um dort die slowenische Lyrikerin Anja Golob zu treffen. Auch sie bewegt sich zwischen institutionalisierter Anerkennung (sie wurde zweimal mit dem Jenko-Preis ausgezeichnet) und Experiment (als Comic-Verlegerin). Dieser kleine Gutshof, der kürzlich renoviert wurde, strahlt mit seinen niedrigen Räumen und knarrenden Holzfußböden besonderen Charme aus. Neben zwei Dauerausstellungen über Leben und Werk Vodniks besteht das Programm des Literaturhauses zu einem wesentlichen Teil in der Leseförderung von Kindern sowie Erwachsenen. In einladend gestalteten Leseräumen befinden sich Bücherregale und vielfältige Sitzmöglichkeiten, um es sich lesend gemütlich zu machen. Auch Räumlichkeiten für Instrumentalunterricht stehen bereit und in einem Nebengebäude findet sich eine Galerie mit wechselnden Ausstellungen. Wir sind hier also an einem Ort der Kulturvermittlung, einem Experimentierraum in dem Sinne, als man nicht müde wird, sich diesbezüglich neue Konzepte und Formate zu überlegen. Dabei werden auch immer wieder neue und ungewöhnliche Wege beschritten: So organisiert man dort beispielsweise die Bibliothek unter Baumkronen, eine Freiluftveranstaltung, die jährlich im Sommer stattfindet.

Katharina Anzengruber ( 2017): Annäherungen an Ljubljana oder: ein Baukasten zur Stadterkundung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/annaherungen-an-ljubljana-oder-ein-baukasten-zur-stadterkundung/