Anfang der 2000er Jahre führten Klub Zwei eine Reihe von Kunstprojekten im öffentlichen Raum durch, die wir in Zusammenarbeit mit politischen Migrantinnen*1 *(1) konzipiert hatten. Allen voran war und ist die feministische Organisation maiz, das autonome Zentrum von und für Migrantinnen in Linz, für uns ein wichtiger Bezugspunkt. Gegründet von Frauen mit unterschiedlichen Migrationsgeschichten, Arbeitsschwerpunkten und Berufsbiografien wandte und wendet maiz künstlerische Methoden in der politischen (Bildungs-, Beratungs- und Öffentlichkeits-)Arbeit an. So dienen etwa Methoden aus der Theaterarbeit dazu, reale gesellschaftliche Situationen nicht nur zu beschreiben, sondern diese auch zu kritisieren und Änderungen einzufordern. Als wir mit maiz zu arbeiten begannen, lernten wir vor allem eines von ihnen: dass wir alle, auch wenn wir dies nicht wollen, in rassistische und sexistische Strukturen eingebunden sind. Als weiße, westlich sozialisierte Mehrheitsangehörige, Simone mit deutschem Pass und Jo mit österreichischem, profitieren wir von diesen diskriminierenden Strukturen. Zur Illustration dessen brauchen wir uns nur einige kurze Fragen zu stellen: Warum sind in unserem Arbeitsfeld, dem Kunst-, Kultur- und Bildungsbereich, hauptsächlich Weiße (Männer) in entscheidenden Funktionen tätig? Wie viele MigrantInnen sind unter unseren KollegInnen und wie viele von ihnen sind politische MigrantInnen? Wer macht in unseren Arbeitsräumen sauber und wer renoviert unsere Wohnungen und Häuser? Wer hat diese Arbeiten historisch verrichtet und muss sie heute nicht mehr machen? Wer wird im öffentlichen Raum vielfach angestarrt und muss ständig auf einen unangenehmen Kommentar vorbereitet sein? Wer kann Staatsgrenzen und Gesichtskontrollen passieren, ohne auch nur einen Ausweis vorzeigen zu müssen? Wer darf wählen, wer nicht?
Wer macht wen oder was sichtbar?
Ausgehend von der Auseinandersetzung mit strukturellem Rassismus und Heterosexismus in Deutschland und Österreich, sowie unserer eigenen Teilhabe an der Fortführung von Diskriminierungen, setzten wir uns zunehmend mit dem Thema „Öffentlichkeit“ auseinander. Nancy Fraser (1992) (*3) weist im Anschluss an Jürgen Habermas in ihren Arbeiten darauf hin, dass es nicht nur eine einzige Öffentlichkeit gibt, sondern mehrere, und untersucht die Rolle von Öffentlichkeit/en für die Durchsetzung politischer Rechte von minorisierten Gruppen. Die Verwendung des Plurals „Öffentlichkeiten“ erscheint uns wichtig, um auf Kontexte aufmerksam zu machen, deren Diskussionen nur allzu oft unsichtbar gemacht werden oder denen eine Wichtigkeit abgesprochen wird. Wir würden diese Öffentlichkeiten jedoch nicht als „Gegenöffentlichkeiten“ bezeichnen. Denn auch wenn sie sich gegen (Diskriminierungen durch) die dominante Öffentlichkeit wenden, so definieren sie sich nicht nur durch den Negativbezug auf etwas, sondern stellen auch radikalen „Eigensinn“ her, das heißt, sie setzen ihre Themen als öffentliche Belange, stellen politische Forderungen und schaffen im besten Fall antidiskriminatorische Strukturen und Kommunikationsformen, die uns ein paar Schritte weiter in Richtung der Utopie einer egalitären Gesellschaft ohne Rassismus, Sexismus und Antisemitismus bringen. Diese „eigensinnigen“ Öffentlichkeiten zeichnen sich vor allem dadurch aus, dass sie auf selbstkritischen Aushandlungsprozessen gründen, die eine strukturelle Gleichberechtigung aller AkteurInnen erreichen wollen und auch Widersprüche zulassen können, also ein öffentliches (Wider)Sprechen üben, das sich politische Asymmetrien bewusst macht und diesen auf allen Ebenen (die eigenen Kontexte miteingeschlossen) entgegenzutreten sucht.
Klub Zwei ( 2014): Arbeiten an der Öffentlichkeit. Radikalen „Eigensinn“ sichtbar machen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/arbeiten-an-der-offentlichkeit/