Im Borg3 in Wien wiederholten und adaptierten wir Anil Jains Übung zu Rassismus. Die SchülerInnen setzten sich mit den Themen Normalität und Norm auseinander und diskutierten darüber, was Rassismus ist und wie man selbst darin verstrickt ist. Einige SchülerInnen entwickelten auch Abwehr gegen die „Unterstellung“, sie seien rassistisch und schrieben auf: „Ich bin nicht rassistisch!“ Anderen SchülerInnen wollte keine Situation einfallen, in der sie selbst rassistisch gehandelt hatten. Interessant waren hier die „Hilfestellungen“ ihrer MitschülerInnen: „Denk doch mal nach, hast du niemand in der Familie, der rassistisch daherredet? Das färbt doch ab, wenn du das ständig hörst. Ich hab zum Beispiel so einen Onkel.“ Die SchülerInnen erzählten sich erlebte Situationen und überlegten, wo und wie man widersprechen bzw. anders agieren kann. Die Notizen zu den Gründen für die eigenen Rassismen wurden dann geordnet, diskutiert und dienten den SchülerInnen als Ausgangspunkte für eine Postkartenserie. Eine Notiz lautete z.B.: „Ich bin rassistisch, weil ich Gedanken habe, die ich nicht haben möchte.“ In Gruppen machten die SchülerInnen Fotos zu den einzelnen Themen und kreierten Slogans für die Postkarten. Abschließend luden wir Carlos Toledo*4 *(4) zur Reflexion der Ästhetiken und Inhalte der Postkartenserie ein.
Warum sind wir antirassistisch?
Im Vorfeld des Workshops an der Universität Salzburg wurden wir von den Organisatorinnen nach unseren Intentionen zu und Erfahrungen mit der Übung zu Rassismus gefragt und sie gaben vorsichtig zu bedenken, dass die Studierenden erst wenig Wissen zum Thema hätten und es daher geschehen könnte, dass problematische Äußerungen fallen oder einzelne Personen sich angegriffen fühlen. Nun ist es aber Programm der von Anil Jain entwickelten Übung, dass Einzelne sich als Mehrheitsangehörige angesprochen und provoziert sehen und genau dadurch eigenes rassistisches Denken, Sprechen und Handeln erkennen und reflektieren lernen. Tiefergehende Reflexion kann erst dann geschehen, wenn eigene Gedanken und Erfahrungen benannt werden dürfen und die AkteurInnen nicht vorauseilend zensurieren, was sie als möglicherweise im Workshop nicht erwünscht oder passend erachten. Der Einwand der Organisatorinnen brachte uns jedoch zum Nachdenken bzw. zur Weiterentwicklung von Anil Jains Übung und wir fragten die Studierenden in Salzburg schließlich nicht nur: „Warum seid ihr rassistisch?“, sondern auch: „Warum seid ihr antirassistisch?“
Im Workshop arbeiteten wir in zwei Gruppen, denen auch Studierende mit Migrationshintergrund angehörten. Eine Studentin verwies auf die Migrationsgeschichte ihrer Familie, um ihre Argumentation zu begründen und diese bzw. sich selbst zu verorten. (Selbst-)Verortung ist bereits der erste Schritt zur SprecherInnen-Position der „politischen Migrantin“, wie Encarnación Gutiérrez Rodríguez (2000) (*5) und viele andere AutorInnen beschrieben haben und beschreiben. Hier stellt sich aber auch die Frage nach der (Selbst-)Verortung aus einer Mehrheitsposition: Wie könnten Studentinnen und Studenten ohne Migrationshintergrund ihre Positionen zeigen und von ihnen aus argumentieren, ohne diese Mehrheitspositionen dadurch unkritisch zu bestärken? Im Workshop zeigte sich neben den strukturellen Unterschieden zwischen den Studierenden und ihren SprecherInnenpositionen aber vor allem auch der solidarische Wunsch, eine gemeinsame Basis für ein Zusammen-Sein, Zusammen-Denken und Zusammen-Handeln (mit allen Differenzen und diesen zum Trotz) herzustellen.
Klub Zwei ( 2014): Arbeiten an der Öffentlichkeit. Radikalen „Eigensinn“ sichtbar machen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 04 , https://www.p-art-icipate.net/arbeiten-an-der-offentlichkeit/