Bedingungen für Begegnung schaffen – Autor*innenschaft verhandeln
Der Videoarbeit gingen einige Organisations- und Produktionsschritte voraus. Ein Treffen mit den Redakteur*innen in den Räumen von Apropos; und als Ausgangspunkt für die gemeinsame Arbeit mit den Verkäufer*innen ein Workshop im Salzburg Museum. Die Idee war es, zunächst das Museum und das Sattler-Panorama, das als szenischer Hintergrund diente, vorzustellen. Der „offizielle“ Charakter der Einladung mit Führung durch das Panorama und Einführung zum Projekt in den Vermittlungsräumen des Museums half eine gemeinsame Basis herzustellen und sich in der Folge auf Augenhöhe zu begegnen. Die beiden Institutionen traten als Partner*innen für das Projekt auf, und so fühlten sich auch die Verkäufer*innen mit ihren Erfahrungskontexten und ihrem Wissen ernst genommen: als Expert*innen für die Dinge, die sie erlebt haben und die sie regelmäßig im Rahmen der Zeitung beschreiben und veröffentlichen, oder tagtäglich beim Zeitungsverkauf vermitteln.
Mir ist es wichtig, gute Bedingungen für eine Begegnung miteinander zu schaffen. Diese Arbeit an einem geeigneten gemeinsamen Umfeld, einem ‚Setting’ im räumlichen, aber auch im psychologischen Sinne begreife ich als wesentlichen Teil eines Projekts. Es bildet den Referenzrahmen und das gemeinsame Arrangement, innerhalb dessen zusammengearbeitet wird und in dem Austausch stattfinden kann.
Arbeitet man als Künstler*in mit großen Institutionen wie einem Museum zusammen, steht man als Einzelperson einer hierarchisch organisierten Struktur gegenüber. Das bedeutet, dass man erst einmal selbst die Bedingungen für die Durchführung eines Arbeitsvorhabens aushandeln muss: auf struktureller, organisatorischer und nicht zuletzt finanzieller Ebene.
Diese Hierarchien und die eigene Abhängigkeit von der Institution Museum wirken sich natürlich auch auf die am Projekt Beteiligten aus. Durch den institutionellen Rahmen der Zeitung Apropos und das Engagement der Redakteur*innen konnten jedoch die Bedingungen im Sinne der Verkäufer*innen direkt mit dem Museum ausgehandelt werden – wie beispielsweise die Bezahlung oder die bestmöglichen Arbeitszeiten. Da das Salzburg Museum täglich geöffnet ist, konnte erst ab 17 Uhr gedreht werden, was sich beispielsweise als problematisch für die rumänischen Verkäufer*innen herausstellte, da sie darauf angewiesen waren, abends rechtzeitig in der Notschlafstelle der CARITAS einzutreffen, um dort einen der begrenzten Schlafplätze zu erhalten. Das Problem wurde gelöst, indem am ersten Drehtag die Notschlafstelle über ein verspätetes Eintreffen informiert und am zweiten das Interview mit Familie Miu vorgezogen wurde. So wurde versucht, die Bedürfnisse aller Beteiligten (Einzelpersonen und Institutionen) aufeinander abzustimmen.
Diese Hierarchien wirken auch auf die Ausverhandlung von Autor*innenschaft: Die Autor*innenschaft der PerformerInnen/Straßenzeitungsverkäufer*innen setzte sich, über die Mitwirkung in der Videoarbeit hinausgehend, in einer Ausgabe der Zeitung Apropos fort und verschränkte sich dabei mit meiner Autor*innenschaft, die sich auf die Gestaltung und Produktion der Videoarbeit bezog, indem ich mich gemeinsam mit meinem Team*1 *(1) um das Setting, Darstellung und die Bildfindung gekümmert habe.
Moira Zoitl ( 2016): „Außer Sichtweite ‑ ganz nah“. Künstlerische Teilhabe praktizieren. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/auser-sichtweite-%e2%80%91-ganz-nah/