„Außer Sichtweite ‑ ganz nah“

Künstlerische Teilhabe praktizieren

Handlungsspielräume. Agieren und nicht passiv sein!

Die Verkäufer*innen schreiben sich im Rahmen des Projekts in mehrfacher Weise in das Sattler-Panorama als Denkmal ein. Sie schlüpfen in Kostüme aus der Zeit Sattlers und thematisieren zugleich ihre Tätigkeit als Zeitungsverkäufer*in und damit ihr gegenwärtiges Arbeitsleben. Sie sind tagtäglich im Stadtraum präsent und unterwegs und werden trotzdem vielfach nicht als Teil der Stadtgesellschaft begriffen. Einige der verfassten Texte gehen explizit auf diese Ambivalenz ein. Georg Aigner drückt es im Video folgendermaßen aus:

„Heute in unserer Gesellschaft ist meine Beschäftigung als Straßenzeitungsverkäufer zwar eine Form der Beschäftigung, trotzdem wird es aber von vielen Menschen anders gesehen. Oft wird es auch so gesehen, dass man automatisch jemand ist, der am Rande der Gesellschaft steht. Es ist eigentlich etwas, das mitten unter der Bevölkerung jeden Tag geschieht, aber trotzdem abseits ist. Das merkt man an den persönlichen Fragen, die Menschen oft stellen. Ich habe aus diesen Gesprächen, während des Apropos-Verkaufens erkannt, dass unsere Gesellschaft sehr aufklärungsbedürftig ist, wenn es um bestimmte Themen geht. Themen wie Armut, langjährige Haftstrafen oder das Leben auf der Straße. Mir ist in meinem Leben all das widerfahren, bevor ich Apropos-Verkäufer wurde.“

Moira Zoitl, Außer Sichtweite – ganz nah (2015), Georg Aigner, Videostill

Moira Zoitl, Außer Sichtweite – ganz nah (2015), Georg Aigner, Videostill

Im Zuge des Projekts Außer Sichtweite – ganz nah gab es noch eine weitere Dimension des Austauschs und Wissenstransfers. Kurz vor der Eröffnung der Ausstellung WUNSCHBILDER gestern. heute. morgen.,*2 *(2) für die meine Videoarbeit produziert wurde, erschien im November 2015 eine Ausgabe von Apropos, die sich explizit mit dem Thema ‚Wünsche’ auseinandersetzte. Neben einem Interview mit den Kuratorinnen sowie einem von mir verfassten Kurztext zum Projekt, schildern auch die beteiligten Apropos-Verkäufer*innen „ihre Eindrücke von den Dreharbeiten im Sattler-Panorama“ und wie es ist „Teil eines ‚Lebendigen Kunstwerks’ zu sein.“star (*6) Die Texte bilden den Projektverlauf – das ‚Making off’ – auf unterschiedlichste Weise ab. Das beginnt mit der Beschreibung der Drehtage und dass die Beteiligten „in den Pausen gut versorgt“ (Georg Aigner) wurden und sich auch mal untereinander austauschen konnten. Den Verkäufer Jürgen Kling inspiriert das Erlebte zu einem Mundartgedicht über eine Karriere als Filmstar und das schweißtreibende lange Stehen und konzentrierte Schauen unter den Scheinwerfern.

Ogi Georgiev beginnt seine Reflexion über das Projekt mit einer Geschichte aus seiner Kindheit, um dann zu einer Beschreibung des Sattler-Gemäldes überzuleiten:

„Niemand war so erfolgreich wie Meister Sattler in der Fähigkeit, die farbigen Erscheinungsweisen der freien Natur im wechselnden Licht der Tage und Jahreszeiten auf der Leinwand festzuhalten. Wenn ich frage, können Sie mit einem Blick den Horizont vor Ihnen erfassen? Vielleicht antworten Sie, dass wir immer nur sehen, was zulässig ist für die menschliche Übersicht. Aber dort in der alten Stadt Salzburg im „eingesperrten“ Raum werden sie über den Horizont hinaussehen. Kommen Sie und erfreuen Sie sich an der Natur als Kunstwerk im Panorama Museum. Nehmen Sie etwas mit, das Ihnen in schöner Erinnerung bleiben wird und keine Illusion der Zudringlichkeit politischer Trugbilder ist.“

Und endet mit: „Ihr Mitbürger Ogi.“star (*7)

Das Unterschreiben seines Textes mit der Bezeichnung „Mitbürger“ und die direkte Anrede an seine Leser*innen, die Ogi Georgiev wählt, spiegelt den Wunsch danach wider, wahrgenommen zu werden, und kann zugleich als ein Akt des Aufbegehrens gelesen werden, eine Aufforderung ihm zuzuhören und ihn als Bürger der Stadt Salzburg zu begreifen. Auch die anderen Reflexionen in der Zeitung zeigen, wie wichtig der ‚Ort’ Apropos für die Verkäufer*innen ist. Hier haben sie eine Stimme, erfahren Wertschätzung und können das gesellschaftliche Leben aktiv mitgestalten.

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Rancière, Jacques (2013): Geschichtsbilder. Berlin: Merve, 2013, S. 17.

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Vorwort(e), Franziska Lesák und Moira Zoitl im Gespräch. In: Zoitl, Moira (Hg.) (2014): Moira Zoitl – Doppelagent-in/Double Agent. Berlin. S. 20-21.

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Zoitl, Moira (2015): Außer Sichtweite – ganz nah. In: Apropos – Die Salzburger Straßenzeitung, Ausgabe Nr. 146, November 2016, S. 9.

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Menkovic, Biljana (1998): Politische Gedenkkultur. Denkmäler: die Visualisierung politischer Macht im öffentlichen Raum. Wien: Braumüller.

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Schaffer, Nikolaus (2005): An den Ursprüngen der Schaulust. In: Das Salzburg-Panorama von Johann Michael Sattler, Band 1, Salzburg. S. 7-36.

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Apropos – Die Salzburger Straßenzeitung, Ausgabe Nr. 146, November 2016.

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Georgiev, Ogi: Präzision. In: Apropos – Die Salzburger Straßenzeitung, Ausgabe Nr. 146, November 2016. S. 11.

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Peleg, Hila (2014), Der Ort des Konflikts: Narration und das Dokumentarische in Berlin Documentary Forum 3 Magazine.

Das Team beim Dreh von Außer Sichtweite – ganz nah umfasste u.a.: Regieassistenz, Maske, Kostüm: Patrizia Hollosy, Kamera: Nicole Baïer, Ton: Stefan Traunmüller, Andreas Voithofer, Dolmetscherin am Set: Doris Welther, begleitende Kuratorin: Sandra Kobel

WUNSCHBILDER gestern. heute. morgen. Ausstellung im Salzburg Museum. 20.11.2015 bis 27.03.2016, kuratiert von den Kunstvermittlerinnen, Nadja Al Masri-Guttering, Esra Ipek-Kraiger, Sandra Kobel, Renate Wonisch-Langenfelder. www.salzburgmuseum.at

Moira Zoitl ( 2016): „Außer Sichtweite ‑ ganz nah“. Künstlerische Teilhabe praktizieren. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/auser-sichtweite-%e2%80%91-ganz-nah/