Resümee: Kunst : Partizipation : Öffentlichkeit
Die Leistung der beschriebenen Kunstprojekte liegt zuallererst in der Beförderung der Publikumspartizipation. In Hinblick auf das Tagungsthema „Kunst der Partizipation“ kann darin eine Stärkung des – als Voraussetzung für Partizipation ausgemachten – „empowerment“ konstatiert werden. Die Theaterprojekte lassen sich auch mit dem Postulat Robert Jungks, die Phantasie sei bedeutsames Gestaltungsmittel für eine bessere Zukunft, zusammenbringen (Jungk 2009: 9ff). (* 9 ) Indem die SchauspielerInnen und ModeratorInnen die Wünsche und Vorschläge der ZuseherInnen in die Handlung der Stücke einarbeiteten, zeigten sich die partizipativen Möglichkeiten jedes/r einzelnen Teilnehmenden.
Durch Vor- und Nachbereitung konnten die Kunstprojekte nicht nur vermittelt, sondern auch in größere Zusammenhänge gestellt werden. Die Teilnehmenden wurden zudem über die jeweiligen Themen eingehend informiert und in gesellschaftsrelevante Diskurse mit einbezogen. Theoretische Informationen zum Thema Partizipation, die Konfrontation mit gesellschaftspolitischen Themen und dem eigenen Mitmachen bzw. Nicht-Mitmachen können als eine Beförderung der Sensibilisierung hinsichtlich der eigenen Rolle in Beteiligungsprozessen gewertet werden. Anhand der durch Zeitungs- und Forumstheater praktischen Umsetzung der Theatertheorien Boals konnte Partizipation auch als soziopsychologischer Empathiebegriff im Sinne eines „social and participating concerns“ (Zahn-Waxler/Radke-Yarrow 1990: 132) (* 12 ) fruchtbar gemacht werden.
Vor allem in den beiden Theaterprojekten und der von Boal formulierten Theatertheorie liegt ungemeines Potenzial einer gelungen, öffentlichkeitswirksamen Form von Teilhabe. Eine Möglichkeit, hierbei Nachhaltigkeit zu garantieren, wäre – wie von Boal intendiert – die Dokumentation bzw. einen gemeinschaftlich formulierten Text an (Kommunal-)PolitikerInnen zu übermitteln. Ganz im Jungkschen Verständnis aktiver Mitwirkung des/der Einzelnen an der Gestaltung wünschenswerter „Zukünfte“ (vgl. dazu: v. a. Jungk/Müllert 1981) (* 8 ) liegt auch die Intention Boals darauf, sich mit potentiellen zukünftigen Entwicklungen auseinanderzusetzen und aktiv an diesen Entwicklungen zu partizipieren. Eine Verbindung von Boals Ansätzen mit politischen Theorien, wie Oliver Marchart hinsichtlich community und participatory art Projekten einfordert, könnte für eine Weiterentwicklung des Modells angedacht werden (Marchart 1999).
(* 10 )
Kunst : Rezipient
Das Mitmachen der ZuschauerInnen bei derlei Projekten ist – so auch die Erfahrung der VeranstalterInnen – keineswegs selbstverständlich. Im Falle des Literaturhaus-Projekts zeigte sich das Megafon als Möglichkeit, der Angst und den Bedenken der potentiellen AkteurInnen entgegenzusteuern. Den damit erfolgten Rollentausch vom Rezipienten zum Akteur, von der Rezipientin zur Akteurin der Aktion hatten sich einige der TeilnehmerInnen – so der Konsens in der Reflexion nach dem Projekt – (vorerst) nicht zugetraut. Die Selbstermutigung und Selbstermächtigung der Beteiligten (empowerment) zur aktiven Mitgestaltung der Aktion hatte damit auch pädagogischen und psychologischen Wert (zur pädagogischen und psychologischen Wirkung von empowerment siehe Moser 2010: 87ff). (* 5 )
Die beiden Theaterprojekte zielten ebenfalls auf eine „Erziehung“ ihres Publikums ab: Einerseits – frei nach Kant – sich seines eigenen Verstandes zu bedienen, anstatt vorgefertigte Meinungen von Presse oder Politikern zu übernehmen. Andererseits wurden in der aktiven Teilnahme am Theatergeschehen verschiedene Handlungsstrategien erprobt, die in der anschließenden Diskussion von den TeilnehmerInnen – hinsichtlich der tendenziell polarisierenden Meinungen bestimmte Themen betreffend – als erhellend empfunden wurden.
Claudia Höckner ( 2013): Betroffene zu Beteiligten machen. Chancen und Grenzen partzipativer Kunstprojekte. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/betroffene-zu-beteiligten-machen-chancen-und-grenzen-partzipativer-kunstprojekte/