Kunst : öffentlicher Raum
Hinsichtlich der Nachhaltigkeit und des tatsächlichen partizipativen Potentials der Projekte ist v. a. die Rezeption durch eine breitere Öffentlichkeit notwendig. Durch Aufführungen im öffentlichen Raum können relevante Themen an die Menschen herangebracht und öffentlich zur Diskussion gestellt werden. Der Salzburger Hauptbahnhof als Performance-Ort zeigte sich als optimaler Aufführungsort für das Literaturhaus-Projekt: Einerseits aufgrund der hohen Frequenz und Fluktuation von Menschen vor Ort, andererseits auch aufgrund der Varianz verschiedener Menschengruppen (hinsichtlich Alter, Gender, Herkunft). Die Performances in der Wartehalle und an den Bahnsteigen enthielten zudem Provokationspotenzial, denn die Durchsagen und Ansagen über Ankunft und Abfahrt von Zügen konnten aufgrund der Megafon-Performance bald nicht mehr ausreichend verstanden werden. Diese Durchbrechung der bahnhöflichen Geräuschkulisse wurde von einigen Reisenden als Provokation empfunden und mit Kopfschütteln oder verbalen Attacken goutiert. Zugleich wurde der Aktion dadurch aber mehr Aufmerksamkeit geschenkt. Ähnliche Situationen ergaben sich auch bei den anderen Projekten: Die Spannungsfelder zwischen Kunst und öffentlichem Raum zeigten sich hier in einer Szene besonders deutlich: Das Friedensbüro wählte als ersten Aufführungsort einen Platz vor einem Salzburger Café und begann mit der szenischen Aufführung: Der Protagonist Holzer kauerte vor dem Lokal und bat die CafébesucherInnen, die sich gerade beim samstäglichen Brunch befanden, um Geld. Ein anderer Schauspieler, den Kellner mimend, stürmte aus dem Café und vertrieb Holzer mit lautstarken Schimpftiraden und einem Tritt in den Hintern. Bevor die Moderatorin jedoch die schockierten CafébesucherInnen und PassantInnen in die Geschichte einführen und nach (alternativen) Handlungsmöglichkeiten befragen konnte, tauchte der reale Wirt des Cafés auf und drohte mit Besitzstörungsklage. Das Provokationspotenzial und die Reibungsfläche zwischen Personen des öffentlichen (Bahnhof) und des halböffentlichen Raums (Café) wurden hier zugleich zum Aufmerksamkeitsgenerator und sollten auch weiterhin als öffentlichkeitswirksame Strategie gezielt eingesetzt werden (Weinhold 2005: 41). (*11 )
Wie auch im Call für diese Ausgabe formuliert wurde, braucht Kunst einen gewissen Grad an Öffentlichkeit und öffentlichem Interesse. „An die Öffentlichkeit zu gehen“ bedeutete nun hinsichtlich der drei besprochenen Aktionstag-Projekte zweierlei: Einerseits im Sinne der public art im öffentlichen Raum künstlerisch zu agieren und andererseits die Öffentlichkeit – die PassantInnen – in ihre Performance einzubeziehen. Im Falle der drei vorgestellten Projekte ist das der Kunst immanente Bedürfnis nach Öffentlichkeit also nicht nur der grundsätzlichen Notwendigkeit geschuldet, ZuschauerInnen für die eigene Performance zu gewinnen; vielmehr ist das Gelingen der Projekte von Öffentlichkeit/vom Publikum/von RezipientInnen abhängig, die Co-Autorschaft der RezipientInnen für den Schöpfungsprozess wesentliche Voraussetzung. (Gesellschafts-)politische Themen in die Öffentlichkeit zu tragen, sie gemeinsam mit Betroffenen und InteressentInnen zu diskutieren und aktiv und kreativ zu bearbeiten – dieses Ziel konnte bei allen drei Projekten umgesetzt werden. Die Projekte stellen sich somit klar in die Tradition der community bzw. participatory art und tragen damit nicht nur zur Meinungsbildung der ZuschauerInnen bei – die Dokumentation der insgesamt elf Projektergebnisse werden in der Dezember-Ausgabe der JBZ Arbeitspapiere publiziert und einem breiten Publikum zugänglich gemacht, dem es frei steht, die Ergebnisse weiterzubearbeiten, Anleihen zu nehmen und/oder ähnliche Projekte umzusetzen. Die Vermittlung der Projektergebnisse nach der erfolgreichen Durchführung sichert somit nicht nur die Nachhaltigkeit der Ergebnisse, sie kann für interessierte LeserInnen auch Initialzündung sein, wieder aktiv an aktuellen, gesellschaftlichen, politischen, sozialen oder künstlerischen Diskussionen zu partizipieren und von ihrem Recht auf Mitbestimmung Gebrauch zu machen.
Claudia Höckner ( 2013): Betroffene zu Beteiligten machen. Chancen und Grenzen partzipativer Kunstprojekte. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 03 , https://www.p-art-icipate.net/betroffene-zu-beteiligten-machen-chancen-und-grenzen-partzipativer-kunstprojekte/