Verstörende Zuversicht

Eine künstlerische Intervention im Bildungskontext

Reflexion zum Workshop-Projekt: „My profession in 20 years: Dreams, obstacles and possibilities – react and act!” im Rahmen der Lehrveranstaltung „Projektentwicklung künstlerische und kulturelle Interventionen II“ im Sommersemester 2014, in Zusammenarbeit mit dem Büro für Mädchenförderung des Landesjugendreferats Salzburg (make it) während der Veranstaltung womens`s space 2014 – International Youth Exchange for Young Women am 30. April 2014.

Eine Gruppe von rund 35 jungen Frauen aus Italien, Frankreich, Spanien, Tunesien, Moldawien, Estland, Ägypten und Österreich wurden von rund 20 StudentInnen an einem Nachmittag eingeladen, in zweieinhalbstündigen Workshops künstlerische/kulturelle Interventionen im öffentlichen Raum zu entwickeln. Einen Workshop von elf Personen leitete ich zusammen mit zwei Mitstudentinnen.
Diese Intervention fand in zweifacher Weise in einem Bildungssetting statt: sowohl für die TeilnehmerInnen von women´s space als auch für uns als Studentinnen. Daher möchte ich in meinem Bericht einen Schwerpunkt auf spezifische Qualitäten künstlerischer Interventionen „in education“ legen.
Für mich war der gesamte Prozess eine außerordentlich spannende Angelegenheit, da ich – als Studentin im Studienschwerpunkt Cultural Production & Arts Management – meinen Lernprozess über künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum mit einer langen Berufserfahrung in Bildungseinrichtungen und als Lehrtrainerin für Gestaltpädagogik verbinden konnte. Die Gestaltpädagogik ist eine Form ganzheitlicher, kreativer „selbstermächtigender“ Pädagogik und Erwachsenenbildung, die teilweise ähnliche Ziele verfolgt wie spezifische künstlerische Interventionen: die bewusste Wahrnehmung einengender Stereotypen, deren Dekonstruktion und Veränderung (vgl. Reichel 2005,star (*5) Svoboda 2012star (*8)). Allerdings konzentriert sie sich mehr auf die inneren Räume der Person und die Räume unmittelbarer Interaktion. Es scheint jedoch, als ließen sich die beiden Ansätze füreinander fruchtbar machen, wie ich das am Beispiel dieses Workshops verdeutlichen möchte.

1. Künstlerische Interventionen im Bildungssetting

Künstlerische und kulturelle Intervention meint unter anderem die Konfrontation mit Widersprüchen und Stereotypien, deren Aufdeckung und Dekonstruktion im öffentlichen Raum. Menschen können sich durch die Botschaft der Intervention involvieren (lassen), so dass sie sich ihrer eigenen Betroffenheit bewusst werden und sie von Reagierenden zu Agierenden werden können: „Intervention […] bezeichnet im Kontext künstlerischen Handelns Arbeitsweisen, die sich bewusst der Kriterien, Haltungen, Rituale und Wechselwirkungen gesellschaftlicher Subsysteme bedienen um, […] .die Wahrnehmung sensibilisierenden Phänomene zu evozieren, die auf das funktionalisierte gesellschaftliche Subsystem wirken; szenische-geplante, u.U. choreografierte Einflussnahme auf gesellschaftliche Subsysteme. […] Ihre Intentionen reichen von Störungen und Irritationen bis hin zum Willen nach Veränderung.“ (v. Borries 2012: 126)star (*11)

Chantal Mouffe spricht von Selbstermächtigung und Selbstrepräsentation als Zielsetzung kritischer Kunst: „[…] art that foments dissensus, that makes visible what the dominant consensus tends to obscure and obliterate. It is constituted by a manifold of artistic practices aiming at giving a voice to all those who are silenced within the framework of the existing hegemony (Mouffe 2008: 12).star (*4)
So geht es gleichermaßen um die Aufdeckung von Hegemonien: im Kontext selbsterfahrungsorientierter Gestaltpädagogik mehr um die verinnerlichten, im Kontext künstlerischer Interventionen mehr um die äußerlich sichtbaren; wobei beide Ebenen einander bedingen und verstärken.

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Hiesl, Angie and Kaiser, Roland (2011): ”Dressing the city”. http://angiehiesl.de/eng/index.php?page=art&artid=128

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Krauss, Annette (2007): Hidden Curriculum. Utrecht: Casco.

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Miessen, Markus (2012): Kollaboration und Konflikt. In: Ders.: Albtraum Partizipation. Berlin: Merve.

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Mouffe, Chantal (2008): Art and Democracy. Art as an Agnostic Intervention in Public Space. In: Open 2008/ No. 14/ Art as a Public issue.

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Reichel, René/Scala, Eva (2005): Das ist Gestaltpädagogik. Münster: Ökotopia Verlag.

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Rogoff, Irit (2012): Wenden. In: Jaschke, B/Sternfeld, N. (Hg.): educational turn. Handlungsräume der Kunst- und Kulturvermittlung. Zürich: Turia + Kant.

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Sternfeld, Nora (2012): Segeln. In: Jaschke, B/Sternfeld, N. (Hg.): educational turn. Handlungsräume der Kunst- und Kulturvermittlung. Zürich: Turia + Kant.

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Svoboda, Ursula et al. (2012): Gestaltpädagogisch lernen und beraten. Berlin: dohrmannVerlag.berlin.

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Tschötschel-Gänger, Christine (2014): Reaktivieren wir die politische Dimension der Gestaltpädagogik! Online unter: http://www.gestaltpaedagogik.at/downloads/politDimGP.pdf  sowie in: Zeitschrift für Gestaltpädagogik Heft 1/2014 , S.44-49

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Tschötschel-Gänger, Christine/Sendlhofer, Maria (2014): Kopfoben Scheitern. Seminardesign. Online unter: http://www.gestaltpaedagogik.at/Seminare.html#14

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von Borries, Friedrich et al. (2012): Glossar der Interventionen. Hamburg.

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Zobl, Elke: Handout zur Veranstaltung: VÜ: Artistic interventions and education as critical practice. Künstlerische Interventionen II SS 2014 – Universität Salzburg – Contemporary Arts & Cultural Production

Christine Tschötschel-Gänger ( 2014): Verstörende Zuversicht. Eine künstlerische Intervention im Bildungskontext. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 05 , https://www.p-art-icipate.net/verstorende-zuversicht/