CREATE!

Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit

Auch der am 9. August 2021 erschienene erste Teil des Sechsten Sachstandsberichtes des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC, Weltklimarat) – der erste in seiner Form seit acht Jahren – macht auf Basis einer Auswertung der wissenschaftlichen Daten klar, dass wir dringlichst handeln müssen. Der Bericht legt dar, dass sich die Atmosphäre, die Ozeane und die Landflächen „eindeutig“ durch den Einfluss des Menschen erwärmt haben und das Ausmaß dieser Veränderungen beispiellos ist. Es treten unumkehrbare Folgen ein, und Wetterextreme, wie Hochwasser, Hitzewellen und Brände, häufen sich. Außerdem, so der Bericht, steige die globale Durchschnittstemperatur schneller als bisher angenommen: Schon in den nächsten zehn Jahren wird sich die Erde um etwa 1,5 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter erwärmt haben. Das ist zehn Jahre früher als noch 2018 prognostiziert!

Wie aber kommen wir vom Wissen zum Handeln, um die Klimakatastrophe einzudämmen und gesellschaftliche Transformationsprozesse anzustoßen? In universitären Kontexten müssen „große gesellschaftliche Herausforderungen zum Ausgangspunkt [von] Forschung und Lehre [gemacht werden]“, um den Anforderungen einer nachhaltigen Entwicklung gerecht zu werden, so das Argument von Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (vgl. Schneidewind 2014: o.S.).star (*9) Seine Forderung: Es brauche „transformative Hochschulen“, an denen transdisziplinär gearbeitet wird und Transformationsprozesse zusammen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteur:innen initiiert und gestaltet werden. Es kommt also dem ‚Co-Produzieren‘ und ‚Co-Kreieren‘ von Wissen und Erfahrungen mit unterschiedlichen gesellschaftlichen Akteur:innen eine wichtige Rolle zu. Wir gehen davon aus, dass dies nicht nur für universitäre Bereiche gilt, sondern auch für Institutionen und Einrichtungen im Bildungs- und Vermittlungsbereich im Allgemeinen, etwa Museen, Kultureinrichtungen oder Schulen.

Nachhaltig zu handeln, um der Klimakrise zu begegnen, hat sehr stark mit Vorstellungen von Zukunft zu tun und mit der Frage, wie wir als Gesellschaft im Sinne eines guten Lebens für alle, immer und überall, zusammenleben wollen. In vielen künstlerischen und kulturellen Projekten, aber auch in Bildungs- und Vermittlungsprojekten, gibt es vielfältige Ideen für die Entwicklung von Visionen einer wünschenswerten Zukunft, um diese konkreter vorstellbar zu machen. Das künstlerisch-kulturelle Experimentieren sowie das Eröffnen von Räumen, in denen das möglich ist, nimmt bei der Entwicklung von Zukunftsvorstellungen eine wichtige Rolle ein.

Wie genau können nun solche Prozesse der transdisziplinären Zusammenarbeit, der ‚Co-Produktion‘ und ‚Co-Kreation‘ aussehen und initiiert werden? Wer produziert Wissen und macht Erfahrungen für wen und wo fließt beides hin? Welche Implikationen ergeben sich vor diesem Hintergrund für Räume – physische, digitale und mobile – die geeignet sein sollen, Transformationsprozesse anzustoßen? Welche Rolle kommt dabei dem Experiment(ieren) zu? Und: Worin liegt das Potenzial künstlerisch-experimenteller Praktiken? Diesen Fragen widmen sich die Beiträge dieser Ausgabe #12 des eJournals p/art/icipate mit dem Titel CREATE! Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit – aus verschiedenen Perspektiven und vor dem Hintergrund verschiedener Rahmenbedingungen sowie theoretischer Ansätze.

Mit diesen Fragen beschäftigen auch wir uns im Rahmen des transdisziplinären Forschungsprojektes Räume kultureller Demokratie, einer auf drei Jahre angelegten Kooperation zwischen der Interuniversitären Einrichtung Wissenschaft & Kunst (Paris-Lodron Universität Salzburg/Universität Mozarteum Salzburg) und dem Salzburg Museum. Ziel des vom Land Salzburg geförderten Projektes ist es, über einen Zeitraum von drei Jahren gemeinsam mit Menschen aus verschiedensten Bereichen Experimentierräume zu den Themen Klimawandel und Nachhaltigkeit zu entwickeln, umzusetzen und zu evaluieren. Das Projekt versteht sich darüber hinaus als offene und kreative Plattform für Ideen, Visionen und Experimente, an denen Menschen sich aktiv beteiligen können.

Räume kultureller Demokratie bildet die Basis für die vorliegende Ausgabe: Alle Beiträge der drei Hauptrubriken Articles, Interviews und Open Space gewähren Einblicke in verschiedene Aktivitäten im Projekt, reflektieren diese vor dem Hintergrund der Forschungsfragen sowie theoretischer Ausgangspunkte, oder beschäftigen sich mit Themen, die im Zusammenhang mit Forschungsinteressen des Projektes stehen.

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Cort, Todd/Frank, Theresa (2020). Ergebnisbericht des Global Survey zu Nachhaltigkeit und den SDGs. Bekanntheit, Prioritäten, Handlungsbedarf. Hamburg. Online unter https://www.globalsurvey-sdgs.com/wp-content/uploads/2020/01/20200123_SC_Global_Survey_Ergebnisbericht_deutsch_final.pdf, abgerufen am 10.10.2021.

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Di Giulio, Antonietta/Defila, Rico (Hrsg.) (2018). Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer VS.

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Figueres, Christina/Rivett-Carnac, Tom: The Future We Choose. Surviving the Climate Crisis. London: Manilla Press, 2020.

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Göpel, Maja: Unsere Welt neu denken. Eine Einladung. Berlin: Ullstein Verlag, 2020.

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Guterres, Antonio (2020). In United Nations (Hrsg.), Ziele für nachhaltige Entwicklung. Bericht 2020 (S. 2). New York. Online unter https://www.un.org/Depts/german/millennium/SDG%20Bericht%202020.pdf, abgerufen am10.10.2021.

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Helga Kromp-Kolb und Herbert Formayer: Plus zwei Grad: Warum wir uns für die Rettung der Welt erwärmen sollten. Graz: Molden Verlag: 2018.

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Lenton, Timothy M./Rockström, Johan/Gaffney Owen/Rahmstorf, Stefan/Richardson, Katherine/Steffen, Will/Schellnhuber, Hans Joachim: Climate tipping points ‑ too risky to bet against. Nature 575, 592-595 (2019). doi: 10.1038/d41586-019-03595-0. Online unter https://www.nature.com/articles/d41586-019-03595-0.

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Quartier Zukunft (Hg.): Dein Quartier und Du. Nachhaltigkeitsexperimente im Reallabor zu Nachbarschaften, Bienen, Naschbeeten, Kreativität und Konsum. Karlsruhe: Scientific Publishing, 2020.

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Schneidewind, Uwe (2014): Von der nachhaltigen zur transformativen Hochschule: Perspektiven einer „True University Sustainability“. In: Umweltwirtschaftsforum, Jg. 22, Nr. 4, S. 221-225, 2014. Online unter http://dx.doi.org/10.1007/s00550-014-0314-7

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Welzer, Harald: Alles könnte anders sein. Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen. Frankfurt am Main: Fischer, 2019.

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Wiedmann, Thomas/Lenzen, Manfred/Keyßer, Lorenz T./Steinberger, Julia K. Scientists’ warning on affluence. Nature Communications (2020) 11: 3107.

Maja Göpel bei Fridays for Future in Berlin, zitiert in https://www.emma.de/artikel/maja-goepel-die-visionaerin-337675.

Beispiele für verschiedene Beteiligungsformate finden sich auf der Website zum Projekt „Energietransformation im Dialog“ des „Quartier Zukunft“: https://www.quartierzukunft.de/forschung/energiedialog/; https://www.dialog-energie.de/formate/.

Verschiedene Initiativen arbeiten in diesem Bereich, zum Beispiel Museums for Future  (http://www.museumsforfuture.org), Ki Culture  (https://www.kiculture.org/), Curating Tomorrow  (https://curatingtomorrow236646048.files.wordpress.com/2019/12/museums-and-the-sustainable-development-goals-2019.pdf).

Elke Zobl, Katharina Anzengruber ( 2021): CREATE!. Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/create/