Entstehungskontext von Culture Jamming
Der Begriff Culture Jamming wurde erstmals 1984 von der Audio-Collage-Band Negativland aus San Francisco verwendet, um unterschiedliche Formen der Mediensabotage zu beschreiben. (Vgl. Dery 1993: 5) (* 9 ) Wie Klein (2005: 292) (* 18 ) treffend feststellt, ist es beinahe unmöglich, die genauen Ursprünge von Culture Jamming zurück zu verfolgen. Es lassen sich jedoch besonders prägende Einflussfaktoren isolieren. Die in den 1960er Jahren in den USA entstandene Graffiti-Bewegung (vgl. Baudrillard 1978) (* 2 ) prägte vor allem die Arbeitsweisen der Culture Jammer. Das Sprühen von Graffiti kann in diesem Zusammenhang als Versuch gewertet werden, die öffentliche Sphäre zurück zu erobern und den öffentlichen Raum zu besetzen. Die politischen Fotomontagen von John Heartfield wurden in den 1930er Jahren als „ein neues Medium politischer Agitation” (Behnke 2003; S. 4) (* 3 ) betrachtet. Er arbeitete mit den Produkten der Medien und kreierte durch das Montieren dieser Produkte neue Botschaften. In dieser Zeit entwickelte Heartfield seine berühmte Montagetechnik und profilierte sich als Gesellschaftskritiker, der auf Seiten der Arbeiterklasse und gegen Hitler kämpfte. In ähnlicher Weise inspirierte die Cut-up Technik des US-amerikanischen Schriftstellers William S. Burroughs (1914-1997) die Arbeitsweise der Culture Jammer (vgl. Conrads 2005) (* 5 ). Burroughs sah in der Technik des Cut-up eine Möglichkeit, Gerüchte in die Welt zu setzen und so etwaige (politische) GegnerInnen zu diskreditieren (vgl. Blisset et al. 2001: 180 f.) (* 4 ), indem beispielsweise Originalaufnahmen einer Rede mit fiktiven Tonbandaufnahmen gemischt werden. „Die verschiedenen Techniken der Toncollage, der Schnitte, Überblendungen und Verzerrungen” (ebd.) kamen dabei zum Einsatz.
Spektakel, Konsumkritik und soziale Kontrolle
Neben diesen Einflussfaktoren finden sich in den Aktionen, Motiven und auch im Selbstverständnis der Culture Jammer häufig Hinweise auf situationistische Einflüsse. Die Situationistische Internationale wurde in den 1950er Jahren von dem französischen Künstler und Revolutionär Guy Debord gegründet und trat gegen die damals in Europa vorherrschenden Machtverhältnisse und Hierarchien ein, wobei sie ein besonderes Augenmerk auf die damalige Medienkultur legten. Debord liefert mit seinem Hauptwerk “Die Gesellschaft des Spektakels” von 1967 eine wichtige Grundlage einer fundamentalen Kritik an der modernen kapitalistischen Gesellschaft, auf die sich einige nachfolgende Bewegungen beziehen, so auch die des Culture Jamming. Debord (1996: 8) (* 7 ) beschreibt darin das „gesamte Leben der Gesellschaften, in denen die modernen Produktionsbedingungen herrschen, […] als eine ungeheure Ansammlung von Spektakeln. Alles, was unmittelbar erlebt wurde, hat sich in einer Repräsentation entfernt”. Es geht also um das Spektakel des modernen Lebens, womit jedwede inszenierte Repräsentation von Erfahrungen gemeint ist, angefangen von der Werbung und den Massenmedien über Freizeitveranstaltungen bis hin zur Modeindustrie. Er formuliert eine Konsumkritik und eine Medienkritik gleichermaßen. Lasn (2000a: 418) (* 22 ) sieht das Spektakel auch als Instrument sozialer Kontrolle, das das herrschende System aufrechterhält. Dies geschehe dadurch, dass den KonsumentInnen Wahlfreiheit im Konsum vorgegaukelt werde, obwohl die Freiheit nur darin bestehe, zwischen bereits vorselektierten Produkten eine Auswahl zu treffen. Hier seien nicht nur materielle Produkte gemeint, sondern auch Events, Politikskandale oder Stars werden – von den Massenmedien – ausgewählt, aufbereitet und zur Wahl gestellt. „Wie eine avantgardistische Performance führte das Spektakel eine Ideologie der Freiheit auf.” (Greil 1992: 104) (* 15 )
Daniela Prantl ( 2012): Culture Jamming. Ein Blick hinter das Spektakel. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/culture-jamming/