Zwei Beispiele: Marken- und Gesellschaftskritik
Bei einem Subvertisement werden Werbesujets globaler Konzerne oder auch politischer Parteien gejammt. Elemente daraus werden abgeändert, sodass sich daraus eine subversive Botschaft ergibt, wie im Détournement beschrieben. Diese Änderungen beziehen sich entweder auf das verbale Register, indem textlichen Elemente wie Slogans (minimal) verändert werden, oder auf das visuelle Register (vgl. Eco 1972: 271) (* 12 ), also die Änderung von bildlichen Elementen einer Werbung. In seltenen Fällen können auch beide Register verändert werden. Dabei muss aber das Original dahinter noch erkennbar bleiben, sodass „vor dem Hintergrund eingeübter Seh- und Lesegewohnheiten” (Blissett et al. 2001: 51) (* 4 ) die Absicht hinter dem Culture Jam erkennbar bleibt. Durch diese künstlerisch-subversiven Änderungen werden die Werbebotschaften neu kontextualisiert und neue Bedeutungszusammenhänge entstehen. Culture Jammer wollen „umdeuten, umcodieren, zweckentfremden, dekontextualisieren und rekontextualisieren” (Liebl et al. 2005: 15) (* 23 ). Das hier abgebildete Subvertisement beinhaltet die Formel Work, Buy, Consume, Die – Arbeite, Kaufe, Konsumiere, Stirb! Gemeinsam mit der dahinterstehenden Kritik an der Macht globaler Marken ergibt dies eine Anspielung auf die heutige Konsumkultur, in der Menschen hauptsächlich arbeiten, um zu konsumieren und dabei die „wahren” Kosten ihres Handelns übersehen.
Culture Jammer deuten vor allem Zeichen und Symbole um, die von den Massenmedien verbreitet werden, um damit das Wertesystem einer Gesellschaft zu hinterfragen. So auch die spanische Aktionskünstlerin Yolanda Domínguez, die 2011 mit der Performance Poses auf sich aufmerksam gemacht hat. (Vgl. o.V. 2012) (* 24 ) Dabei nimmt sie sich Darstellungen von weiblichen Models aus der Hochglanzpresse zum Vorbild und lässt die dargestellten Posen der Models von „normalen“ Frauen nachstellen – im Supermarkt, auf einer Parkbank oder an einer Bushaltestelle. Die Reaktionen von PassantInnen auf diese als unnatürlich wahrgenommenen Verrenkungen waren Verwunderung, Beschämung und Sorge um den Gesundheitszustand der Frauen. Das erklärte Ziel dieser Aktion: “to make it clear how ridiculous, and at times harmful, it can be to follow these models that the world of glamour impose on us.” (http://www.yolandadominguez.com/Poses/index.html) Die Art der Darstellung von Frauen in den Medien wird also kritisiert durch deren Herauslösung aus dem ursprünglichen Kontext. Das zur Performance erstellte Video entwickelte sich zur Meme (vgl. Dawkins 1978) (* 6 ) und wurde mittlerweile über 710.000-mal angeklickt:
Yolanda Domínguez` Performance weist Parallelen zu Flashmobs auf, welche entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung auch immer mehr zur Erreichung bestimmter (politischer) Ziele eingesetzt werden. (Vgl. Englert et al. 2010) (* 13 ) Auch bei dieser Form des Aktionismus ist die Rolle der (zufälligen) RezipientInnen zentral: “Each spectator is free to choose their position and this is what it is about.” (http://www.yolandadominguez.com/impact/index.html) Es geht also nicht vordergründig darum, Menschen zu informieren, sondern Situationen zu kreieren, die Menschen aus ihrem gewohnten “Spektakel” herausholen, aufrütteln und verwundern sollen. Darin spiegelt sich die situationistische Methode des Dérive.
Daniela Prantl ( 2012): Culture Jamming. Ein Blick hinter das Spektakel. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 01 , https://www.p-art-icipate.net/culture-jamming/