Das ‚Ganze‘ im Blick behalten
Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber
Ein weiterer wichtiger Punkt ist, konkret zu werden. Diese Erfahrung haben wir bzw. habe zunächst ich gemacht. 2011, als ich die Idee hatte, Quartier Zukunft gemeinsam mit der Stadt Karlsruhe zu initiieren, bin ich frohen Mutes mit dem Konzept an die Stadtverwaltung, Amtsleitung und Bürgermeister herangetreten. Ich dachte: „Das ist ein super Konzept. Da müssen sie doch mitmachen!“ Damit bin ich zunächst zwar nicht gegen Wände gelaufen, habe aber auf jeden Fall Irritation verursacht. Meine Idee war der Stadt Karlsruhe damals viel zu abstrakt und abgehoben. Sie konnten damit wenig anfangen. „Nachhaltige Entwicklung, ja! Aber wie? Was wollen Sie denn konkret machen, Herr Parodi?“ Erst an dem Punkt, an dem wir konkret und handfest wurden, wurden wir anschlussfähig für die Stadtverwaltung.
Der Aspekt des Konkret-Werdens spiegelt sich seither auch in den Veranstaltungen und Aktivitäten, die wir organisieren, wider. Bei vielen Veranstaltungen achten wir sogar darauf, dass die Sprache nicht im Mittelpunkt steht, sondern konkretes Handeln. Kleidertauschpartys etwa haben zunächst nichts mit Sprache zu tun. Ein Reparaturcafé geht auch weitgehend ohne oder zumindest mit wenigen Worten: „Kaputt.“ Dann ist klar, worum es sich handelt. Dann guckt jemand, die:der sich auskennt, was los ist. Wir haben zum Beispiel auch Pflanzentauschpartys gemacht, oder Möbelbauworkshops, wo man mit wenig Geld ganz einfache Möbel bauen kann. Solche Aktivitäten eignen sich, um Akteur:innen ins Boot zu holen, die sonst wenig am gesellschaftlichen Diskurs teilhaben und auf Bürger:innenversammlungen oder Bürger:innenforen, die wir ebenso durchführen, nicht zu finden sind. Hier waren manchmal 200, 300 Menschen vor Ort: tolle Partizipationsprozesse. Wir haben aber erhoben, dass die meisten Teilnehmer:innen einen höheren Bildungsabschluss hatten. Ich glaube sogar, dass die Mehrzahl einen akademischen Abschluss hatte. Dann bewegt man sich einfach in einer bestimmten Klientel und an andere kommt man nicht heran. Da hilft es tatsächlich auch, konkret ins Handeln zu kommen, sodass die Sprache zur Nebensache wird.
In unserem Projekt Räume kultureller Demokratie arbeiten wir gerade mit einer Gruppe von ungefähr 30 Personen zusammen. Im Moment entwickeln wir in Arbeitsgruppen Ideen für Experimentierräume im Kontext von Klimawandel und Nachhaltigkeit. Das Interessante ist, dass es im Rahmen dieses Prozesses von Anfang an den Konsens gab, dass es um einen positiven Wandel gehen müsse. Dass es darum gehen müsse, positive Geschichten des Wandels und eine Vision der Zukunft zu skizzieren, die wünschenswert ist. Prägt dieser Gedanke, also dieser Wunsch nach Optimismus, auch Ihre Arbeit?
Ja, durchaus. Ich muss sagen, dass ich in dieser Hinsicht hybrid bin. Ich weise schon auch gerne auf die globalen Defizite, die es gibt, hin. Ich glaube, die darf man – bei allem Positiven – auch nicht vergessen. Viele Dinge liegen global gesehen einfach sehr im Argen. Aber letztlich schöpft man die Kraft schon aus dem Positiven. Daraus, zu wissen, dass man auch anders und anders gut leben kann. Dazu gibt es viele schöne Beispiele. Es kommen junge Menschen mit Ideen zu uns, zum Beispiel zu Kleidern aus Recyclingmaterialien oder was auch immer. Sie laufen bei uns auf und man merkt, dass sie so richtig dafür brennen, etwas zu verbessern. So etwas aufzugreifen und zu unterstützen, tut einem selber auch gut. Man profitiert selber auch dabei, wenn man in diesem positiven Strom Richtung Zukunft schwimmt. Wenn Sie auf den Blog von Quartier Zukunft schauen, sehen Sie, dass wir oft Beispiele veröffentlichen, wie man Sachen auch anders gut machen kann. Es steht nicht im Vordergrund, dass die Elefanten in Simbabwe ausgestorben sind, sondern geht eher in die andere Richtung.
Klimaschutz gemeinsam wagen ist ein Projekt, in dem Menschen dazu ermutigt werden, in ihrem Alltag klimafreundlicher zu werden. Entlang der Handlungsfelder Ernährung, Mobilität und Konsum schlägt das Projekt beispielsweise konkrete Selbstexperimente vor, die als Anstoß dienen, das eigene Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern. Mehr Informationen auf der Website: https://www.klimaschutzgemeinsamwagen.de/
Mehr Informationen auf der Website: https://www.quartierzukunft.de/es-ist-vollbracht-zukunftsraum-eroeffnet/
Oliver Parodi,
Katharina Anzengruber,
Elke Zobl
(
2021):
Das ‚Ganze‘ im Blick behalten.
Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber
. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten
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https://www.p-art-icipate.net/das-ganze-im-blick-behalten/