Das ‚Ganze‘ im Blick behalten

Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber

Das ist super. Wir kommen als Team sehr aus dem Bereich der Vermittlung, aus Kunst und Kultur. Wir sind auch viel kleiner und würden unser Projekt als Experiment eines Reallabors bezeichnen. Wir wollen es einmal im Kleinen versuchen und Erfahrungen sammeln. Die Zielrichtung, die Sie beschreiben, ist für uns sehr interessant. Aber darüber hinaus ist der Aspekt der Vermittlung in unserem Projekt zentral. Wir fokussieren die Entwicklung experimenteller Vermittlungsräume, wobei wir künstlerisch-kulturelle und mediale Strategien als besonders wichtig erachten. Wir beschäftigen uns auch viel damit, nicht top-down zu arbeiten, sondern setzen unsere Schwerpunkte auf Bottom-up-Prozesse, auf das gemeinsame, partizipative und kollaborative Tun. Was bedeutet für Sie Vermittlung?

Da bin ich zunächst einmal blank. Mit dem Begriff der Vermittlung habe ich noch nicht gearbeitet. Aber ich versuche gern, dazu ein paar Gedanken zu äußern. Vermittlung heißt, dass man sich irgendwo trifft. Verständnis und Verständigung stecken in diesem Begriff auf jeden Fall drinnen. Das ist auch etwas, worauf wir sehr achtgeben, dass das passiert.

Und weil Sie top-down angesprochen haben: Wissensvermittlung kann auch top-down funktionieren. Aber wie Leute ihr Leben zu führen haben, funktioniert nicht top-down. Zumindest hat man innerhalb einer freien Gesellschaft das Ideal, dass es anders passieren sollte. Und dem, würde ich sagen, sind wir auch im Rahmen unseres Projektes verpflichtet. Wir versuchen allen auf Augenhöhe zu begegnen. Gleichzeitig heißt das dann aber nicht, dass die eigenen Positionen, das eigene Wissen und die eigene Kompetenz zurückgestellt werden sollten. Das darf auch nicht passieren. Ich bin niemand, der sozusagen das Allheilmittel in Partizipation sieht. Experten:innen haben ihren Sinn. Sie haben eine Expertise im Hinblick auf ein Thema und wissen, wie die Welt in Bezug darauf funktioniert. Wie der Alltag einer Bürgerin oder eines Bürgers in Karlsruhe aussieht, wissen sie aber eben nicht. Der fruchtbare Austausch zwischen den beiden, um bei dem Beispiel zu bleiben, wäre etwas, worunter ich Vermittlung auch fassen würde. Als einen Prozess, der in beide Richtungen geht. Es wird nicht nur in eine Richtung vermittelt, sondern es kommt auch etwas aus der anderen Richtung zurück.

Ich glaube, die Beispiele, die Sie vorher genannt haben, wie Reparaturcafé, Pflanzentausch oder Kleidertausch wären für uns Formate der Vermittlung. Gemeinsames Möbelbauen wäre für uns ein experimenteller Vermittlungsraum. Ich denke, wir haben einfach nur eine andere Perspektive auf die Dinge, es geht uns aber um Ähnliches. Ich finde die Aspekte, die Sie bei Ihrer Arbeit leiten, sehr wichtig. Wie geht man an eine Sache heran bezüglich Offenheit, Augenhöhe etc.? Auch, dass man Formate hat, die nicht mit Sprache funktionieren, sondern etwa über Körperarbeit.

Diese Offenheit gilt auch für Wissenschaftler:innen. Nicht alle sind für Reallaborarbeit geeignet. Mir sind viele über den Weg gelaufen, die überhaupt keine Lust hatten, so etwas zu machen. Sie sind viel lieber mit ihren Texten beschäftigt oder in ihren technischen Labors unterwegs. Sie wollen in ihren Forschungen gar nicht direkt mit Menschen zu tun haben. Das ist auch ihr gutes Recht. Man darf und kann sie auch nicht dazu zwingen. Andere wiederum haben eigentlich Lust und Interesse, wissen aber nicht, wie. Es gehört schon ein bisschen Kompetenz und vielleicht auch Training dazu, um als Wissenschaftler:in ‚da draußen‘ in der Praxis auch wirklich anschlussfähig zu sein oder mehr noch: gelingende partizipative Reallaborarbeit zu leisten.

Im Kontext Vermittlung haben wir abschließend noch eine spezifische Frage: Wir befassen uns im Rahmen unseres Projektes auch mit digitalen Vermittlungsräumen. Welche Bedeutung messen Sie dem digitalen Raum bei, auch im Rahmen von Quartier Zukunft? Worin sehen Sie Potenziale, wo Nachteile? Wie nutzen Sie den digitalen Raum in Ihrem Projekt?

Eine große Chance besteht garantiert darin, relativ einfach und mit eher wenig Aufwand sehr viele Menschen zu erreichen, auch für Reallabore. Eine weitere Chance gibt es aus ressourcentechnischer Sicht. Man spart sich Zeit, Energieaufwand und schont das Klima. Das ist auch eine Dimension, die mit der Nutzung des digitalen Raumes verbunden ist. Eine weitere Chance ist, eine gewisse andere Klientel erreichen zu können. Wir nutzen Facebook und Twitter auch, um gerade jüngere Personen zu erreichen. Ich glaube, da gibt es schon eine Affinität, die auch nicht überall in der Gesellschaft gleich ist. Manche lassen sich damit aber super einfangen.

Wenn wir Geld hätten, würden wir sicher ein digitales Spielformat entwickeln. Wir arbeiten auch mit Nachhaltigkeitsspielen in Workshops oder im Rahmen von Spieleabenden. Angefangen von einfachen Brettspielen bis hin zu ausgefeilten spielerischen Lösungen, etwa Rollenspielen, mit denen man Stadtverwaltung oder unterschiedliche Akteur:innen zusammenbringen kann, ist alles dabei. Wir könnten uns gut vorstellen, so etwas auch einmal digital umzusetzen.

Ich sehe aber auch mehrere Risiken bzw. Grenzen von digitaler Kommunikation. Aufgrund von Corona hatten wir in letzter Zeit vor allem Online-Treffen. Es wurde klar, dass es online gut geht, Dinge zu erledigen oder sich auszutauschen. Aber richtig kreativ werden oder tief in Inhalte einzusteigen, ist digital vermittelt nicht so einfach. In dieser Hinsicht spielt das Medium meines Erachtens doch eine Rolle. Vielleicht bin ich auch einfach schon zu alt für anderes, aber ich bin schon ein Fan von Face-to-Face bzw. von ‚Körper-zu-Körper‘-Kommunikation, also von physischen Treffen und physischen Begegnungen. Und ich bin mir nicht sicher, ob nicht genau darin, dass wir viel physisch kommunizieren, in vielen intensiven Einzel- und Gruppengesprächen, auch ein Erfolgsfaktor von Quartier Zukunft besteht. Mit dem Zukunftsraum sind wir erreichbar, ansprechbar und gehen in den persönlichen Kontakt. Ich glaube, um eine wirkliche Verbindung und Vertrauen aufzubauen, eignet sich das persönlich-physische Gespräch einfach besser. Bei der Online-Kommunikation hört die Tiefe irgendwo auch wieder auf. Ich habe, übertragen gesprochen, das Gefühl, dass die Bässe von so mancher Kommunikation abgeschnitten werden. Irgendwo ist das Spektrum dann zu Ende. Insofern sehe ich schon auch Grenzen digitaler Kommunikation und digitaler Arbeit.

Interview am 22.07.2020

Klimaschutz gemeinsam wagen ist ein Projekt, in dem Menschen dazu ermutigt werden, in ihrem Alltag klimafreundlicher zu werden. Entlang der Handlungsfelder Ernährung, Mobilität und Konsum schlägt das Projekt beispielsweise konkrete Selbstexperimente vor, die als Anstoß dienen, das eigene Verhalten zu reflektieren und gegebenenfalls zu ändern. Mehr Informationen auf der Website: https://www.klimaschutzgemeinsamwagen.de/

Mehr Informationen auf der Website: https://www.dialog-energie.de/

Oliver Parodi, Katharina Anzengruber, Elke Zobl ( 2021): Das ‚Ganze‘ im Blick behalten. Wie das Quartier Zukunft – Labor Stadt globale Fragen mit dem lokalen Leben zusammenbringt.
Oliver Parodi im Gespräch mit Elke Zobl und Katharina Anzengruber . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/das-ganze-im-blick-behalten/