Das Handy als Moment der Erzeugung von Utopien

Potenziale des Gaming, Fragen zu Digital Citizenship und digitale Spiele als Kunst.
Dilara Akarçeşme und Timna Pachner im Gespräch mit Sonja Prlić.

Wie kann der digitale Raum als Raum kultureller und künstlerischer Teilhabe genutzt werden? Was bedeutet die sogenannte Gamifizierung unserer Gesellschaft? Wie steht es um den Begriff des Digital Citizenship, der aktuell in Kunst, Wissenschaft und Forschung Hochkonjunktur hat? Wie halten Institutionen im Zuge der Digitalisierung mit? Dies sind nur einige Fragen, die im Folgenden mit Sonja Prlić, Mitgründerin der Salzburger Künstler*innengruppe gold extra, thematisiert werden. Sie arbeitet als freie Regisseurin, Dramaturgin und Autorin an Projekten zwischen Performance, Neuen Medien und Technologien.

Wie setzt ihr als gold extra in euren Projekten kulturelle Teilhabe um?

Ich habe eine Ausbildung im Theaterbereich als Dramaturgin. Wir sind in den letzten sieben Jahren in den digitalen Raum gegangen und machen seit zehn Jahren verstärkt Computerspiele. Politische Themen und digitale Kultur waren für uns immer schon wichtig. Es war ein Thema für uns, wie man eine größere Zielgruppe erreichen und Menschen teilhaben lassen kann, gerade wenn es um politische Themen geht. Das ist einer der Hintergründe, warum wir in den Computerspielbereich gegangen sind. Computerspiele sind Medien, die auf verschiedenste Weise niederschwellig sind. In unserem Fall war das erste Spiel ein Multiplayercomputerspiel. Dadurch konnten wir auf einmal mit Leuten in Kontakt treten, mit denen wir vorher nie Kontakt hatten. Wir haben ein Spiel zum Thema Flucht gemacht, das europäische Grenzen porträtiert, und es als Kommunikationsraum und Möglichkeit genutzt, um ein künstlerisch-politisches Thema niederschwellig anzusprechen.

Wie kann man den digitalen Raum nutzen: als Raum der Teilhabe, Raum der Kommunikation über politische Themen und auch als Raum, Kunst zu machen? Es stellt sich auch die Frage, wie wir abgesehen von einem Experten- oder Kunstpublikum Menschen mitmachen lassen können. Daher beschäftigt uns auch das Thema Vermittlung. Wie könnte man zum Beispiel Workshops machen und mit Jugendlichen Praxen üben, die wir selbst künstlerisch anwenden? Wie kann man selbst ein Game machen oder Augmented Reality nutzen?

So ist auch unser Forschungsprojekt Schnittstellen zustande gekommen, das wir gerade an der Neuen Mittelschule Lehen durchführen. Wir entwickeln mit Jugendlichen im Bereich Augmented Reality, AR, ein ganzes Jahr lang Computerspiele. Pokémon Go ist das berühmteste Beispiel für ein AR-Spiel. Man schaut durch das Handy die Realität an, über die aber noch eine Schicht gelegt ist. Das ist auch ein spannendes kulturelles Tool. Wie kann ich meine Realität, Umwelt, Utopien oder Fantasien neu denken und in meinen Alltag bringen? Es ist ein interessantes Mittel, um künstlerische oder kulturelle Teilhabe zu erzeugen. Man gibt den Leuten das Handy als Tool in die Hand, doch das Handy ist gleichzeitig auch ein Moment, um Utopien zu erzeugen. Wir arbeiten nicht mit klassischen Theaterformen, sondern suchen Formen, die sich popkultureller Phänomene annehmen.

Kannst du uns Beispiele geben?

Wir haben zum Beispiel zwei Theaterstücke gemacht, wo Roboter die Hauptrollen übernommen haben. Das waren eine Hamlet- und eine Frankenstein-Adaption. Wir waren mit den Robotern auf Tour und hatten in Belgrad ein schönes Erlebnis. Wir haben unter freiem Himmel gespielt, wo viele Straßenkinder waren. Wenn du in Österreich so ein Theaterstück machst, dann schauen sich das Studenten an. In Belgrad sind viele Familien mit Kindern gekommen. Roboter faszinieren Kinder genauso wie Puppentheater. Oft sind solche Mittel auch eine Möglichkeit, wie man mit Jugendlichen und anderen Gruppen kommunizieren kann, die sich vielleicht klassische Theaterstücke nicht anschauen können. Technologie spielt einfach eine große Rolle und du kannst damit Brücken schlagen.

Unsere ersten Roboter waren umgebaute Spielzeugpanzer. Wir haben nur die Ketten dieser Panzer genommen und auf diese Kettenfahrzeuge noch Elektrogeräte wie alte Magnetophone oder Waschmaschinen aus den 50er, 60er Jahren gestellt. Das waren quasi Roboterkinder, weil sie noch nicht sehr technologisch waren. Diese kleinen Elektrogeräte, die herumgefahren sind, sahen sehr putzig aus. Und wenn sie auf Kinderhöhe sind, ist das natürlich eine ganz andere Art des Kommunizierens.

gold extra: Black Box

gold extra: Black Box

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Prensky, Marc. (2001): Digital Natives. Digital Immigrants Part 1. On the Horizon, 9 (5), S. 1-6.

Dilara Akarçeşme, Timna Pachner, Sonja Prlić ( 2019): Das Handy als Moment der Erzeugung von Utopien. Potenziale des Gaming, Fragen zu Digital Citizenship und digitale Spiele als Kunst. Dilara Akarçeşme und Timna Pachner im Gespräch mit Sonja Prlić.. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/das-handy-als-moment-der-erzeugung-von-utopien-potenziale-des-gaming-fragen-zu-digital-citizenship-und-digitale-spiele-als-kunst/