Das inklusive Museum ‑ eine Frage von Kooperation und Vernetzung
Nadja Al-Masri-Gutternig und Monika Daoudi-Rosenhammer im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme
Fühlen sich eure Zielgruppen durch Inhalte, auf die sie im Museum treffen, selbst repräsentiert?
Monika Daoudi-Rosenhammer: Das ist eigentlich nicht das Thema. Umgekehrt ist es mir passiert, dass ich mit Menschen mit Lernschwierigkeiten in eine Ausstellung von Gugginger Künstlern gegangen bin – weil ich glaubte, dass sie sich dort gut wiederfinden – und einige haben gesagt: „Das soll Kunst sein? Das kann ich auch!“ Mit dem herkömmlichen Kunstbegriff können sie speziell im Museum sehr wohl etwas anfangen. Ich glaube nicht, dass Menschen mit Lernschwierigkeiten sich ausgeschlossen fühlen, wenn sie einmal (bzw. zweimal oder dreimal) den Fuß über die Schwelle gesetzt haben.
Nadja Al-Masri-Gutternig: Was diesen Punkt betrifft, ist in den letzten Jahren sehr viel passiert. Von vielen Einrichtungen wird versucht, Themen aus den verschiedensten Blickwinkeln zu beleuchten. Dadurch ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sich verschiedene Besucher repräsentiert fühlen. Ich möchte hier ein Beispiel aus der Praxis geben. Bei der in Kürze startenden Ausstellung „Stille Nacht 200“ wird ein großflächiges Video gezeigt, in dem ein Gebärdensprachchor das Lied „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ gebärdet. In einem anderen Bereich werden Videos zu sehen sein, in denen Menschen aus anderen Kulturkreisen erzählen, welche Feste bei ihnen gefeiert werden, die mit Weihnachten vergleichbar sind, wie sie das Weihnachtsfest kennengelernt haben oder wie sie Weihnachten feiern. Diese verschiedenen Blickwinkel ermöglichen verschiedenen Menschen, Anknüpfungspunkte zu den gezeigten Inhalten zu finden. So fühlen auch sie sich als Teil des Dargestellten und repräsentiert.
Was sind eure Visionen in Bezug auf kulturelle Teilhabe in Salzburg?
Monika Daoudi-Rosenhammer: Ich stelle es mir fröhlicher vor, wenn ich durch die Stadt gehe. Ich mag auch die Festspielzeit, weil sich viel auch außerhalb auf den Straßen und Plätzen tut, es zu der Zeit zum Beispiel besonders viele Straßenkünstler gibt. Ich mag es gern, wenn ich nicht wo reingehen muss, sondern durch die Stadt gehe und viel sehe: Bilder, Musik etc. Ich würde mich freuen, wenn im Supermarkt ein paar schöne Bilder hängen würden. Kunst im öffentlichen Raum ist ganz toll. Ich glaube, dass das die Stimmung einer Gesellschaft völlig verändern würde. Das würde auch die Kreativität viel mehr anregen, mehr Zusammenkünfte ermöglichen, sodass man sich beteiligen und aktiv werden kann. Die Hemmschwelle sollte ganz niedrig angesetzt werden, sodass man sich einfach wo dazustellen und ausprobieren kann. Natürlich sollen qualitativ wahrscheinlich weit hochwertigere tolle Konzerte, Theater- und Opernaufführungen und Ausstellungen beibehalten werden. Ich würde mir noch viel mehr aktive Kunst wünschen. Ich kann mich daran erinnern, als die ARGE Rainberg[1] ihr Haus im Nonntal bekommen hat. Das war toll, weil ganzunterschiedliche Leute aus verschiedensten Initiativen mitgearbeitet haben, das Haus beziehbar zu machen. Jeder leistete einen Beitrag dazu und damit wurde einfach auch wieder eine Identität gestiftet, die ich sehr wichtig finde. Ich wünsche mir mehr Präsenz im Alltag, sodass ich durch die Stadt gehe und weiß, es ist eine Kunststadt.
Nadja Al-Masri-Gutternig: Eine sehr schöne Vorstellung wäre natürlich, dass alle Aspekte, über die wir heute gesprochen haben, nicht mehr diskutiert werden müssen, sondern kulturelle Teilhabe und Kultur für alle selbstverständlich wäre. Also dass alle Menschen sich in kulturellen Angeboten und im kulturellen Leben wiederfinden würden und für sie geeignete Zugänge nützen könnten. Ich bin auch sehr für Begegnungsräume. Ich glaube, es ist wichtig, dass es mehr Durchmischung gibt. Dass sich zum Beispiel der*die Universitätsprofessor*in mit dem*der Elektriker*in trifft. Ich habe deshalb Lokale gern, wo alle hineingehen, weil sich dort meistens alles an der Bar trifft und es funktioniert. Ich bin mir sicher, dass ein großer Teil der Menschheit offen wäre. So wie du, Monika, sagst, würde das alles fördern. Oft ändert das beim Menschen viel, wenn Musik auf der Straße ist oder wenn ein*e Künstler*in dort ist, der*die porträtiert. In Hamburg gibt es zum Beispiel ein tolles Hotel, wo Menschen mit und ohne Beeinträchtigung arbeiten. Das verändert etwas bei der Haltung der Besucher. Wir haben mittlerweile eine perfektionistische Welt, sodass alles schnell gehen muss. Bei Führungen mit der Lebenshilfe dauert es eben einfach eine Weile, bis wir im ersten Stock sind, aber man kommt auch selbst wieder ein bisschen zur Ruhe. Man lernt, dass es nicht ganz so schnell und ganz so perfekt laufen muss. Deshalb wünschte ich mir, dass sich alle zusammen mehr begegnen.
Monika Daoudi-Rosenhammer: Mir ist bei deiner Schilderung das Bild von Gemeinschaftsgärten eingefallen, die so ein tolles Beispiel sind – also weit besser als jede Schulungsmaßnahme, als jede moderierte Veranstaltung – um Menschen aus verschiedenen Kulturen und Altersgruppen zusammenzubringen. Genau das bräuchten wir. Ich denke, vielleicht kann man das auch bei ganz niederschwelligen Kunstprojekten ansetzen. Oder Kochen und Brotbacken, solche Sachen. Das hat alles mit Kunst und Kultur zu tun. Ich finde es auch wichtig, dass man kulturelle Teilhabe als etwas Wichtiges für die Gesellschaft betrachtet, das der Gesellschaft sehr viel bringt, wenn es unterstützt wird.
Danke für dieses Gespräch!
Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme, Nadja Al-Masri-Gutternig, Monika Daoudi-Rosenhammer ( 2018): Das inklusive Museum ‑ eine Frage von Kooperation und Vernetzung. Nadja Al-Masri-Gutternig und Monika Daoudi-Rosenhammer im Gespräch mit Persson Perry Baumgartinger, Dilara Akarçeşme. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 09 , https://www.p-art-icipate.net/das-inklusive-museum-%e2%80%91-eine-frage-von-kooperation-und-vernetzung/