„Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“

Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner

Das heißt, der Hintergrund war, eine neue Form zu finden, um verschiedene Öffentlichkeiten anzusprechen?

Nicht nur. Wir haben das gar nicht so zielgruppendifferenziert gesehen, im Sinne von: „Wir machen einen Raum, um noch mehr Schüler:innen zu erreichen!“ Das war nicht das hauptsächliche Anliegen, aber natürlich – im Nachhinein – ein positiver Nebeneffekt. Für uns war wichtig, dass das Museum ein Ort ehrlicher Kommunikation ist. Das Konzept für das Studio Geschichte entstand vor dem Hintergrund der Frage: „Wie können wir mit Besucher:innen zu gewissen Themen, die Brisanz haben, in einen ehrlichen Dialog treten und mit ihnen vielleicht auch neue Formate entwickeln oder Dinge anders befragen?“

Welche theoretischen und methodischen Bezugspunkte waren wegweisend für die Entwicklung des Studio Geschichte?

Ich beziehe mich jetzt, um klarer zu sein, vor allem auf das erste Studio-Geschichte-Projekt, das im Rahmen von Anschluss, Krieg & Trümmer entstand. Der Aspekt der Nachhaltigkeit spielte eine wichtige Rolle. Wir wollten einen Raum schaffen, der interaktiv funktioniert, zum Beispiel mit viel Hands-on. Der Raum sollte so beschaffen sein, dass die Möblierung für eine neue inhaltliche Bespielung wieder verwendet werden kann, sich aber dennoch ein neuer Raumeindruck ergibt bzw. ohne dass das eine Projekt dem anderen zu sehr gleicht. Das war eine ganz praktische, aber auch reizvolle Voraussetzung.

Inhaltlich beschäftigten wir uns im ersten Studio-Geschichte-Projekt natürlich mit ganz konkreten Fragestellungen: „Wie vermittelt man heute Zeitgeschichte?“, „Wie vermittelt man das Thema Nationalsozialismus 80 Jahre nach dem sogenannten Anschluss?“, „Welche Initiativen oder methodischen Ansätze existieren in diesem Kontext?“ Wir stützten uns dabei auf verschiedene Aspekte. Wir setzten uns zum Beispiel sehr mit Erinnerungstheorien auseinander, weil eine für uns grundlegende Frage war: „Wie geht man 80 Jahre nach dem Anschluss mit diesem Thema um?“ Die Theorien von Aleida Assmann waren für uns wichtig: „Was bedeutet Erinnerung heute?“ Da spielen zum Beispiel Aspekte wie der Wandel durch die Digitalisierung hinein. Wir befassten uns auch mit theoretischen Ansätzen, zum Beispiel mit Vermittlungsansätzen zum Thema Holocaust. Wir recherchierten, wie beispielsweise Gedenkstätten wie Yad Vashem, die sehr stark mit Biografien arbeiten, damit umgehen. Und wir schauten uns interaktive Ausstellungen an und wie diese in der Praxis funktionieren können. Es gibt bei solchen Projekten eine sehr lange Recherche- und Findungsphase.

Teil unseres Forschungsprojektes Räume kultureller Demokratie*1 *(1) sind die Aspekte der Beteiligung und der Vermittlungsarbeit. Was bedeutet Kulturvermittlung für dich? Was ist dein Rollenverständnis als Vermittlerin?

Kulturvermittlung bedeutet für mich unter anderem, Kommunikationsprozesse zu initiieren oder Möglichkeitsräume zu schaffen. Man agiert gewissermaßen als eine Art Brückenbauer:in. Ein Museum ist ein Geschichtenspeicher – mit vielen Bezugspunkten zur Gegenwart. Es sollte für jede:n da sein. Hier Brücken zu bauen, sehe ich als Aufgabe der Kulturvermittlung an. Dabei ist die Vermittlung für mich etwas, das nicht hierarchisch ist, sondern auf Augenhöhe passieren muss, und auch immer vor dem Hintergrund einer Reflexion aktueller Forschungsergebnisse, gesellschaftlicher Veränderungen etc. Darüber hinaus hat Kulturvermittlung für mich auch sehr viel mit Haltung zu tun. Man vermittelt sozusagen auch die Haltung der eigenen Institution und das ist ja auch immer ein Prozess. Kulturvermittlung ist für mich etwas sehr Prozesshaftes.

Das Salzburg Museum ist Kooperationspartner im Projekt Räume kultureller Demokratie. Ab 8. April 2022 wird das Studio Geschichte unter dem Motto „Nachhaltig genießen“ neu eröffnet und knüpft dabei an Zwischenergebnisse des Projektes an. Auch Vermittlungsformate, die im bisherigen Forschungsprozess entwickelt wurden, sollen erprobt und aufgegriffen werden.

Das Interview wurde vor Beginn der Corona-Pandemie geführt. Mittlerweile gibt es verschiedene digitale Vermittlungsformate am Salzburg Museum, die auch kontinuierlich weiterentwickelt werden: beispielsweise live stattfindende Online-Führungen, digitale Veranstaltungen oder digitale bzw. hybride Workshops für Schulklassen. Seit Mai 2020 produziert das Salzburg Museum darüber hinaus einen Podcast mit dem Titel Museum am Sofa. Jede Woche samstags werden darin Geschichten aus den vergangenen Jahrhunderten erzählt.

Sandra Kobel, Timna Pachner ( 2021): „Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“. Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/das-museum-als-ort-ehrlicher-kommunikation/