„Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“

Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner

Vielleicht kannst du noch konkreter darauf eingehen: Welche Materialien und Formate wurden in der Raumgestaltung eingesetzt und wie wurden sie integriert?

Wir machten uns über Materialität und darüber, wie etwas präsentiert werden kann, sehr eingehende Gedanken und tauschten uns auch mit anderen Kolleginnen, zum Beispiel mit zunder zwo, aus. Ein Beispiel dafür, was ich meine, wenn ich von Materialität und deren Wichtigkeit spreche, waren die Befragungsbücher, die ich vorhin angesprochen habe. Diese Station haben wir dann auch für das zweite Studio Geschichte zu Stille Nacht übernommen. Da ging es dann um persönliche Erinnerungen an die Kindheit und an Weihnachtsfeste. Beide Male waren das ganz persönliche Befragungen, wobei jede:r Besucher:in sozusagen die Möglichkeit hatte, sich zu verewigen. Da gäbe es, was die Materialien betrifft, unterschiedliche Wege: Man könnte anstatt eines Buches beispielsweise Post-its verwenden. Über solche Dinge haben wir uns lange Gedanken gemacht. Wir entschieden uns bewusst für das Format des Buches, weil das so etwas Persönliches ist. Wir wollten ein Medium, in das man sich eintragen, das man wieder schließen kann, das analog ist. Das war uns wichtig. Die Bücher waren grafisch schön gestaltet und hatten einen Leineneinband. Die Menschen sollten Lust darauf haben, sich einzutragen, und das als etwas wahrnehmen, das Qualität und Beständigkeit hat. Die Bücher wurden inventarisiert und kamen in eine Vitrine in das Studio Geschichte. Das sind Kleinigkeiten, die meines Erachtens aber für die Besucher:innen spürbar waren.

Wir haben aber auch gesagt, wir wollen auch das Potenzial des Digitalen nutzen, um zum Beispiel Lust zum Schmökern zu machen. Es gab etwa eine interaktive QR-Station. Im Rahmen der Station Orte der Erinnerung haben wir historische Fotografien auf Karten gedruckt, die eine schöne Haptik hatten. Diese Karten konnte man an der Station auflegen und man erfuhr dann digital, welche Orte die Karten zeigen. Das Ganze funktionierte also wie eine Art Quiz. Außerdem hatten wir beispielsweise ein großes Möbel mit vielen Türen im Studio Geschichte. Man konnte die Türen einzeln öffnen. Hinter den Türen waren die Objekte der Geschichtenkurier:innen zu sehen. Es war uns sehr wichtig, dass diese Geschichten einzeln für sich stehen und dass man sie nicht alle auf einmal sieht oder miteinander vergleicht.

Sandra Kobel mit einer Geschichtenkurierin.

Keine Wertung?

Keine Wertung. Die Geschichtenkurier:innen waren durch ihr Objekt, ein Foto und ein persönliches Zitat präsentiert.

Übrigens: Wie erwähnt spielte der Gedanke der Nachhaltigkeit eine Rolle, besonders deutlich wird er aber in Bezug auf dieses Möbel: Wir hatten beim ersten Studio Geschichte 13 Geschichtenkurier:innen. Es waren also nur 13 Türen bespielt, die anderen waren nicht zu öffnen oder als Türen zu erkennen. Eigentlich hatte das Möbel aber– in Hinblick auf die Stille-Nacht-Ausstellung – 24 Türen, weil wir wussten, dass wir dafür einen großen, raumübergreifenden und interaktiven Adventskalender haben möchten. Auch solche Überlegungen spielten bei der Auswahl des Materials oder der Formate eine Rolle.

Das Salzburg Museum ist Kooperationspartner im Projekt Räume kultureller Demokratie. Ab 8. April 2022 wird das Studio Geschichte unter dem Motto „Nachhaltig genießen“ neu eröffnet und knüpft dabei an Zwischenergebnisse des Projektes an. Auch Vermittlungsformate, die im bisherigen Forschungsprozess entwickelt wurden, sollen erprobt und aufgegriffen werden.

Das Interview wurde vor Beginn der Corona-Pandemie geführt. Mittlerweile gibt es verschiedene digitale Vermittlungsformate am Salzburg Museum, die auch kontinuierlich weiterentwickelt werden: beispielsweise live stattfindende Online-Führungen, digitale Veranstaltungen oder digitale bzw. hybride Workshops für Schulklassen. Seit Mai 2020 produziert das Salzburg Museum darüber hinaus einen Podcast mit dem Titel Museum am Sofa. Jede Woche samstags werden darin Geschichten aus den vergangenen Jahrhunderten erzählt.

Sandra Kobel, Timna Pachner ( 2021): „Das Museum als Ort ehrlicher Kommunikation“. Das Studio Geschichte im Salzburg Museum Neue Residenz als Experimentierraum zur dialogischen Kulturvermittlung.
Sandra Kobel im Gespräch mit Timna Pachner . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/das-museum-als-ort-ehrlicher-kommunikation/