Das Projekt SISI: Ein „Spekulatives Institut für Soziale Interventionen“
Auf der Suche nach neuen Räumen der Gemeinschaft im städtischen und digitalen Raum.
Jan Phillip Ley und Theresa Muhl im Gespräch mit Anita Thanhofer
Welche Rolle spielte in diesen Räumen das Experimentieren? Oder das Ausprobieren von Neuem? Oder künstlerische, kulturelle Praktiken?
JPL: Ich glaube, da müssen wir noch einmal betonen, dass SISI in Wien ein Erstversuch war. Es war ein experimentelles Projekt, basierend auf einer Idee, die wir einfach mal in den Raum geworfen und ausprobiert haben. Das ist oft so. Da braucht es jetzt wieder Zeit, um Konzepte anzupassen, sodass die Leute in das Projekt involviert werden wollen und sich Ideen aneignen.
TM: Ich glaube, in der Wunschvorstellung ist es so, wie Jan Phillip das gerade beschrieben hat. Es kommt aber auch darauf an, welche Personen Teil eines Projekts sind oder werden wollen. Nicht jede:r hat eine künstlerische Idee, wie sie:er sich ein bestimmtes Thema aneignet. Wir haben verschiedene Tools zur Verfügung gestellt. Wir haben zum Beispiel gesagt, dass das Erstellen von Fotos ein Weg sein kann, sich Themen anzueignen. Eine andere Möglichkeit waren Voice-Memos, die man hochladen hätte können. Das heißt, man hätte auch Sound aufnehmen können. Man hätte auch selbst Audioaufnahmen oder Videos machen oder eine Fotoreihe erstellen können. Aber das war gar nicht das Ziel. Der Raum war offen, sodass diese Praktiken Optionen darstellten, aber nicht verpflichtend oder gar notwendig waren.
JPL: Beteiligung und Interaktion sind in diesem ersten Versuch in Wien nur teilweise passiert. Einige Gründe dafür haben wir bereits genannt. Ein weiterer besteht darin, dass Tools oft viele Schritte und Regeln haben, die man erstmal durchschreiten muss. Da braucht es schon ein großes Interesse, dass die Leute von Anfang bis Ende dabei sind.
TM: Ich glaube, man kann sagen, dass es in den Räumen selbst wenig künstlerische Beteiligung gab. Aber in der Findung der Räume hat sich für uns herauskristallisiert, dass wir selbst immer kreativer wurden, was neue Räume angeht. Unsere Grafikerin hat zum Beispiel mit einem Freund einen Raum aufgemacht, wo man in einen kleinen Tunnel geht und sich danach in ein Tier verwandelt. Das war ein spielerischer Zugang, den öffentlichen Raum anders zu nutzen. Diese Verspieltheit hineinzubringen war schön.
JPL: Ich glaube, es ist wichtig, dass man Fragen spielerisch angeht. Es gab zum Beispiel den Raum Public Playlist. Das war ein Raum von Zaha Hadid in einem Gebäude am Donaukanal, das jetzt das Schicksal hat, ein Leerstand zu sein. Dort wurde ein Raum eingerichtet, wo Leute ihre Lieblingsmusik teilen und sich treffen konnten, um gemeinsam dieses Leerstandsareal neu zu beleben. Das ist genau dieses Spielerische, Künstlerische, Experimentelle, das für einige gut funktioniert. Andere brauchen eine klare Funktion, eine Funktionalität und einen funktionalen Mehrwert. Im besten Fall ergibt sich die Nutzung aus dem Prozess und aus den Menschen heraus, wir als Künstler:innen wollen nur den Anstoß geben.
Ihr habt euch im Rahmen des Projekts SISI dazu entschieden, den digitalen Raum für euch aufzumachen bzw. ihn einzubeziehen. Wo, glaubt ihr, liegen Potenziale, wo Herausforderungen und Schwächen?
JPL: Es gibt zwei Aspekte, die ich in diesem Kontext erwähnen möchte. Das ist einerseits die fehlende Haptik. Die Wahrnehmung im digitalen Raum ist im Vergleich zum konkreten Raum – zum Stadtraum zum Beispiel – einfach eine andere, weil unser Körper und unsere Sinne ganz anders involviert sind. Aber das sind Prozesse, die wir mit zunehmender Digitalisierung lernen müssen. Der zweite Aspekt ist der der sozialen Praktiken. Ein Leben, beispielsweise in der Stadt, ist immer etwas Soziales. Wir sind soziale Wesen und auch die Art und Weise, wie wir miteinander interagieren und kommunizieren, ist ein sozialer Prozess. Die sozialen Praktiken, die wir in der Stadt oder auf dem Land schon gelernt haben und die wir immer wieder aufs Neue lernen müssen, weil wir neuen Menschen begegnen oder weil sich Strukturen ändern, müssen wir auch im digitalen Raum verstehen lernen. Ich glaube, daran müssen wir noch schwer arbeiten. Das war einer der Kernpunkte, weswegen wir bei SISI diesen Mechanismus entwickelt haben, dass die digitalen Räume nicht für sich selbst existieren können, die konkreten Räume aber auch nicht. Eigentlich ist es der Versuch einer Verbindung genau dieser beiden Aspekte, die ich gerade beschrieben habe. Ich finde es gegenwärtig, im Zuge der Corona-Pandemie, sehr spannend zu beobachten, ob wir diese sozialen Praktiken in dieser Zeit ein bisschen mehr verstehen lernen.
Jan Phillip Ley,
Theresa Muhl,
Anita Thanhofer
(
2021):
Das Projekt SISI: Ein „Spekulatives Institut für Soziale Interventionen“.
Auf der Suche nach neuen Räumen der Gemeinschaft im städtischen und digitalen Raum.
Jan Phillip Ley und Theresa Muhl im Gespräch mit Anita Thanhofer
. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten
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