Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen

Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen

Kennen Sie auch ein Projekt, das nicht funktionierte?

Das eben genannte Projekt. Es hat ja zum Teil auch nicht funktioniert, da die Kulturvermittlerin ausgestiegen ist und es dann eingestellt wurde. Oft wird bei Projekten der Level zu hoch gelegt, so dass die Menschen nicht kommen. Das Zusammenspiel von Projektidee, Sprache und Marketing ist enorm wichtig. Wenn man das nicht richtig trifft, ist ein Projekt von vornherein nicht durchführbar, weil es mangels BesucherInnen nicht umgesetzt werden kann.

In unserem Forschungsprojekt interessieren uns auch digitale Möglichkeiten in Bezug auf kulturelle Teilhabe. Spielt das Thema hier im Museum eine Rolle?

Museen haben die große Möglichkeit, mit einem authentischen Objekt und mit seinen Räumlichkeiten einen Funken überspringen zu lassen, den man mit digitalen Medien in dieser Form nicht hat.

Für das Haus der Geschichte Österreichs haben wir das digitale Projekt Zivilcourage gemacht. Dazu sind wir mit fünf anderen Institutionen in Österreich eingeladen worden und haben gemeinsam mit gold extra, dem Studio West und einer Schule ein Augmented-Reality-Projekt umgesetzt: Was bedeutet für mich Zivilcourage und wo sehe ich das in meinem Alltag? Wo beginnt das? Es wurde ein richtig großes Projekt, weil die SchülerInnen sich absolut damit identifiziert haben, über das Thema, das für sie am interessantesten war, einen Film machen zu können und auch noch durch Augmented Reality zum Leben zu erwecken. Sie waren begeistert, dass sie das Know-how bekommen haben, so etwas herzustellen. Wir hatten dann eine große Ausstellung – in der Schule und auch hier im Museum.

Man merkt, dass SchülerInnen dieser digitale Zugang leichter fällt. Er ist ohne Hemmschwelle. Sie haben das Handy dabei, legen es über das Bild und am Handy beginnt sich etwas zu bewegen und die Geschichte zu erzählen. Das könnte man noch viel weiter ausbauen. Es geht aber um Maß und Ziel.

Ich glaube, dass Beteiligungsprojekte wichtige Möglichkeiten sind, nicht nur zu konsumieren, sondern auch selbst etwas herzustellen und Erfahrungen damit zu machen wie „Was kann ich damit bewirken?“, „Was kann ich damit in Bewegung setzen?“

Und wo es auch wieder um eine Form des Zusammenseins geht.

 

Das Museum als Drehscheibe und Treffpunkt

Genau. Das ist auch hier im Haus ein wichtiges Moment: das Museum als Drehscheibe und Treffpunkt.

Wir waren eines der ersten Museen neben der Nationalbibliothek, die digital inventarisiert haben, damals noch auf Apple. Dann waren wir eines der ersten, die einen virtuellen Rundgang durch das Museum hatten. Wir haben damit immer gute Erfahrungen gemacht und auch neue Besucherschichten angesprochen, diese Formate dann aber auch wieder etwas hintangestellt. Dabei liegt es auch an fehlenden finanziellen Mitteln, dass man nicht alles ausschöpfen kann.

Mit Projektionen würde ich gern viel mehr machen, auch in Verbindung mit dem Internet ‑ digitale Räume schaffen, die man betreten kann, um sich in andere Welten oder Zeiten zu versetzen. Wir haben früher mit der Ars Electronica zusammengearbeitet, so eine Kooperation ist aber teuer. Wir bleiben also bei unseren kleinen Geschichten und hoffen, dass es eben auch so funktioniert.

Als Vorsitzende des Landeskulturbeirats haben Sie einen guten Einblick in die Salzburger Förderlandschaft. Wie beurteilen Sie diese? Welche Erfahrungen gibt es damit, auch in Bezug auf das eigene Museum?

Ich glaube, das Land Salzburg hat eine gut aufbereitete Förderlandschaft. Die Schwierigkeit für kleinere Institutionen, Vereine und KünstlerInnen ist, dass in der Kulturarbeit der Eigenmittelanteil immer noch sehr hoch ist. Für Projekte ist auch die Vorfinanzierung ein Problem. Da gäbe es einiges aufzuholen. Wir sind durch den Kulturentwicklungsplan des Landes Salzburg gerade bei der Aufarbeitung dieser Probleme, auch die Kulturverwaltung arbeitet daran. Ich glaube, dass es noch mehr Beratungen und Beratungsstellen bräuchte: Welche Förderungen gibt es überhaupt? Welche Förderungen gibt es im Bund und in der EU?

Kreative oder künstlerische Projekte bei LEADER einzureichen, ist zum Beispiel schier unmöglich, weil es große Missverständnisse gibt. Inzwischen wird zwar ein Teil der Konzeptarbeit gefördert. Die Antragstellung an sich muss man aber immer noch unter Ausnutzung von Menschen machen, weil sie nicht bezahlt wird und damit für viele Vereine oder kreative Menschen nicht leistbar ist.

Budgets für Kulturarbeit haben aber auch etwas mit den Gemeinden zu tun. Es müssten kulturpolitische Weichen in der Kommunalpolitik gestellt werden. In den Kommunen gibt es viele Pflichtaufgaben, die immer oberste Priorität haben. Ich glaube aber, dass eine gute Straße genauso wichtig wie eine gute Kulturplattform ist, wenn man die soziokulturellen Aspekte mitbedenkt. Den gesellschaftspolitischen Ansatz, den zeitgenössische Kunst erfüllt, müsste man in die Köpfe der Bürgermeister bringen. Es bräuchte auch so etwas wie einen Kultureuro, also dass Gemeinden pro Einwohner jährlich ein bis drei Euro einheben und der Kultur zukommen lassen.

Wichtig wäre außerdem, dass gerade auch talentierte Künstler und Künstlerinnen vor Ort unterstützt werden. Man sollte nicht nach dem Gießkannenprinzip fördern, sondern schauen, was Qualität hat. Aber dafür braucht es überhaupt einmal ein eigenes Kulturbudget auf Gemeindeebene.

 

Die Ethischen Richtlinien für Museen des International Council of Museums (ICOM) bilden eine zentrale Grundlage der professionellen Arbeit von Museen und Museumsfachleuten. Man kann sie hier downloaden: http://icom-oesterreich.at/publikationen/icom-code-ethics (20.9.2019)

Anita Moser, Ingrid Weydemann ( 2019): Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen. Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/das-regionalmuseum-als-lokaler-treffpunkt-und-ort-mutiger-kritischer-fragen/