Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen

Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen

Gibt es einen bestimmten Kunst- oder Kulturbegriff, mit dem Sie arbeiten? Oder werden hier Diskussionen darüber geführt, was Kunst und Kultur sind?

Diese Diskussion ist immer wieder da. Wir haben schon mit einem Künstler die ganze Fassade verhängt: „Was ist Kunst und was ist Kultur?“ Ich glaube, das ist nicht ausdiskutierbar. Man muss es einfach halten und begreifbar machen, was man für die einzelnen Projekte oder Ausstellung darunter versteht.

Für mich ist die zeitgenössische Kunst ein wichtiger Faktor. Ich schaue immer, dass ich auch KünstlerInnen in unserem Museum ausstelle. Ich bin stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Salzburger Museen und Sammlungen und dort für die Weiterbildung zuständig. Als Thema für dieses Jahr habe ich mir vorgenommen: Was bedeutet Heimatmuseum in Verbindung mit zeitgenössischer Kunst? Ab wann ist etwas Kunst und ab wann Hobbykunst? Wie gehe ich damit um? Was stelle ich in meinem Haus aus? Wie kuratiere ich solche Ausstellungen? Hole ich jemanden von auswärts oder mache ich das selbst? Habe ich das Know-how dazu? Das sind grundsätzliche Fragen, wo es viel zu klären gibt. In den Regionalmuseen könnte man hier sehr viel aufbauen.

 

„Das Wichtigste im Museum ist, allen auf Augenhöhe zu begegnen.“

Spielen Diversity-Ansätze hier im Museum eine Rolle? Wird bewusst versucht, auf unterschiedlichen Ebenen Vielfalt zu ermöglichen?

Ich bin immer auf der Suche nach Projekten, durch die ich das Museum den Menschen öffne, die eben nicht kommen würden, wenn wir ein normales Heimatmuseum oder ein normales geschichtliches Museum wären. Das beginnt damit, wer welche Inhalte anbietet und wie die Herangehensweise ist. Beim Personal selbst haben wir von der Vielfalt her ehrenamtliche und hauptamtliche Angestellte. Das Begegnungscafé findet jeden Montag im Haus statt. Dort treffen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft und von unterschiedlichstem Bildungsstandard bei Kaffee und Kuchen. Dabei tun sich wieder neue Formate auf – Workshops oder auch einmal ein Zine-Abend, wo sich Leute begegnen und Kulturen sich austauschen können.

Wir bieten für Asylwerber auch etwas zum Krampusthema an, indem wir am Krampustag den Krampus und den Nikolaus einladen und erklären, was da passiert.

Warum gibt es sie überhaupt? Muss man Angst haben, wenn diese Hundertschaften durch Neumarkt rennen? Einige der Menschen mit migrantischem Hintergrund übersetzen und machen Führungen im Museum. Sie leiten auch Workshops zur Thematik der jeweiligen Ausstellungen und das funktioniert sehr gut. Das sind aber sehr spontane Sachen, die sich oft aus der Situation heraus ergeben.

Das Wichtigste im Museum ist, allen auf Augenhöhe zu begegnen. Das beginnt bei den Krampuspassen, bei den Bauern, bei den Handwerkern, die wir fallweise einladen. Das beginnt schon allein bei den Vorträgen. Wer kommt zu welchem Vortrag und wer ist der Vortragende?

An unserem Museum wurde der Agenda-21-Prozess begonnen und wir haben zum Beispiel gemeinsam mit der Robert-Jungk-Zukunftsbibliothek eine Veranstaltung gemacht, bei der wir versuchten, die Vielfalt in der Natur in Verbindung mit Kultur zu bringen. Woher kommen unsere Lebensmittel – der Kohlkopf, der Apfel, die Kartoffel –, die hier eine neue Heimat gefunden haben? Wir haben viele Jahre den interkulturellen Garten vom Museum aus betrieben. Da kamen Menschen zusammen und tauschten sich über das Gärtnern aus, also auch über Kultur. Die älteste Kultur ist, etwas anzubauen, zu ernten und zu essen. Wir haben die GemeindepolitikerInnen eingeladen, im interkulturellen Garten eine Kommunalkartoffel zu setzen. Dann haben wir gemeinsam geerntet und ihnen Pommes frites, Chips und alles, was aus den Kartoffeln gemacht wurde, zur Gemeindesitzung gebracht. Es gibt viele solcher kleinen Formate und Aspekte, die wir einfach leben.

Wir haben hier im Museum auch die Plattform Neumarkt für Menschen gegründet, die Leute aus Neumarkt und Umgebung vereinigt, die sich in der Asylthematik engagieren. Damals hatten wir eine Praktikantin, die später Sozialarbeit studierte. Die Gemeinde meinte, wir hätten so viele Flüchtlinge und da müssten wir uns etwas überlegen. Das war während der sogenannten ‚Flüchtlingskrise‘, wie man es jetzt nennt. Ich habe es nicht so empfunden. Die Gemeinde hat jemanden für ein dreiviertel Jahr bezahlt, der sich Best-Practice-Beispiele angeschaut und überlegt hat, welche davon man in Neumarkt umsetzen kann. Eine Gruppe, die bereits Deutsch unterrichtet hat, hat dieses Angebot dann hier im Museum installiert.

Gibt es einen Schlüssel für diese Kommunikation auf Augenhöhe? Sind das bestimmte Formate, ein bestimmter sprachlicher Umgang, dass man sich persönlich trifft oder ist es eine Mischung aus dem Ganzen?

Es ist sicher eine Mischung aus dem Ganzen. Das Wichtigste ist, die Menschen ernst zu nehmen und einen gemeinsamen Raum zu haben, der nicht vorbelastet ist, der weder in der Gemeinde noch in der Schule, sondern einfach ein freier Raum ist. So ein Raum ist unser Museum. Wir haben zum Beispiel internationale Spiele ausgetauscht und uns wochenlang nur zum Spielen im Innenhof des Hauses getroffen. Hier haben wir einen großen Rahmen mit Sand gemacht und Wüstenspiele gespielt. Das Besondere ist, dass die Menschen, wenn man sie ernst nimmt – egal woher sie kommen, – Engagement und Ideenreichtum entwickeln. Das müsste in den Alltag übergehen. Diese Form des Zusammenlebens und Zusammentreffens ist inzwischen auch ein wichtiger Faktor für Neumarkt geworden.

Wenn die Köpfe offen sind, ohne von vornherein zu werten, kann man viel umsetzen.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Die Ethischen Richtlinien für Museen des International Council of Museums (ICOM) bilden eine zentrale Grundlage der professionellen Arbeit von Museen und Museumsfachleuten. Man kann sie hier downloaden: http://icom-oesterreich.at/publikationen/icom-code-ethics (20.9.2019)

Anita Moser, Ingrid Weydemann ( 2019): Das Regionalmuseum als lokaler Treffpunkt und Ort mutiger, kritischer Fragen. Museumsleiterin Ingrid Weydemann spricht mit Anita Moser über die Rolle von Regionalmuseen, Beispiele kultureller Teilhabe und kulturpolitische Forderungen. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/das-regionalmuseum-als-lokaler-treffpunkt-und-ort-mutiger-kritischer-fragen/