Die Möglichkeit internationaler Partnerschaft
Das Tskaltubo Lab for Urgent Questions als künstlerische Beziehungsarbeit
Von den Gesprächsrunden zeugt ein Video, das ebenfalls im Internet ist.*14 *(14) Es zeigt die Kollektiv-Mitglieder und etwas mehr als ein Dutzend junge Leute aus Tskaltubo, die alle um eine Leinwand herum sitzen, auf die Fotos projiziert werden, die die Workshop-Teilnehmenden von Tskaltubo gemacht haben. Anhand dieser Aufnahmen besprechen sie ihre Perspektiven auf das Dorf. Das Video zeigt zwar, dass es eine Sprachbarriere im Projekt gibt. Das heißt, nicht alle lokalen Beteiligten sprechen Englisch und es muss oftmals übersetzt werden. Nichtsdestotrotz herrscht der Eindruck von Ungezwungenheit und Spontaneität vor. Das Video erweckt den Eindruck einer lebhaften Unterhaltung und es macht glaubwürdig, dass auch zielloses „Rumhängen und informelles Labern“ möglich war.
Zugleich lässt sich gerade hier kritisieren, dass der Eindruck von idealisierter „togetherness“ erzeugt wird. Die Gesprächsrunde mündet in die Darstellung von mit sentimentaler georgischer Musik untermalten Atmosphärebildern. Zu sehen sind die Beteiligten beim Zusammensitzen, bei der gemeinsamen Bildbearbeitung am Computer und dem Bilder-Anschauen. Die Werkstatt-Situation löst sich zusehends in ein Beisammensein auf, es sind Luftballone und ein Buffet zu sehen, es wird gelacht und eine junge georgische Frau hält mit breitem Lachen ein handgeschriebenes Schild in die Kamera, auf dem „Ich liebe Ihr“ steht.
Das Video rückt For now we meet somit genau auf den Grat zwischen einerseits einem Sich-Näher-Kommen und Vertraut-Werden und andererseits einer idealisiert-idyllischen „togetherness“, die über die im Hintergrund stehende Asymmetrie hinwegtäuscht. Bei allen Aufzeichnungen und Spuren, die die Projektphase im Internet hinterlassen hat, bleibt jedoch die Abgrenzung von einem Wirkungsdiskurs und der damit einhergehende Gefahr einer Untermauerung von Hierarchie bestehen. For now we meet scheint konsequent auf die in ihrem Ausgang offen angelegte Begegnung und den Austausch beschränkt. Insofern erscheint auch der angesprochene Vorbehalt, wonach Kunst in der internationalen Zusammenarbeit instrumentalisiert wird, obsolet, da sich fragen lässt, worin das Künstlerische an diesem Projekt überhaupt besteht. Aus Sicht von neue Dringlichkeit ist diese Unklarheit erwünscht:
Ich würde sagen, in unserer Arbeit lösen sich die Grenzen zwischen Kunst, Politik und Leben auf. Kunst ist für mich an ihren Rändern interessant, weil sie sich eben da potentiell wirkungsmächtig zeigt, wo unklar ist, ob es sich ‚nur‘ um Kunst handelt, oder eben doch um das Zusammenleben oder Politik.*15 *(15)
Diese Unschärfe ermöglicht es, die Perspektive einzunehmen, dass es nicht innerhalb des Workshops um Kunst geht, sondern dass das Durchführen von Begegnung und Austausch an sich als künstlerisches Projekt zu verstehen ist.
Marcel Bleuler ( 2016): Die Möglichkeit internationaler Partnerschaft. Das Tskaltubo Lab for Urgent Questions als künstlerische Beziehungsarbeit. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/die-moglichkeit-internationaler-partnerschaft/