Digitalisierung als Tool zur Navigation durch ausschließende Kunst- und Kulturwelten im Kontext von Migration & Alter
Durch Digitalisierung bestehen bereits Möglichkeiten, sowohl passiv als auch aktiv an kulturellen Veranstaltungen in Salzburg teilzunehmen. In der Praxis finden digitale Übertragungen von kulturellen Veranstaltungen am Salzburger Land bereits statt, wie etwa in einem Senior*innenwohnheim in Lofer, in dem Aufnahmen eines Bauerntheaters in Unken vorgeführt werden. Auch wenn die Aufnahmen in Sachen Ton- und Bildqualität Defizite aufweisen, sind sie für die Bewohner*innen des Senior*innenheimes eine Bereicherung, besonders für jene aus Unken. Viele unter ihnen kommen selber nicht mehr nach Unken, können in dieser Form aber an Geschehnissen an ihrem Heimatdorf teilhaben (vgl. unveröffentliches Interview mit Diana Schmiderer, 12.02.2019). (*11) Auch der Umstand, dass die Schauspieler*innen den Senior*innen persönlich bekannt sind, schafft ein Gefühl der sozialen Nähe (ebd.). (*11) Schmiderer, LEADER-Managerin im Pinzgauer Saalachtal, führt zudem an, dass Senior*innen auch die Übertragung traditioneller Geschehnisse ein großes Anliegen ist. Beispielsweise wäre es demnach etwas sehr Wertvolles, wenn die Messe „der eigenen Kirche“, oder Kinder mit Palmbuschen am Palmsonntag live übertragen werden könnten.
Anita Thanhofer führt in der Stadt Salzburg partizipative Kulturvermittlung durch, indem sie digitale Führungen mit der Webinar-App Zoom anbietet. Mit dem Smartphone geht sie durch Ausstellungen und wird dabei von den virtuellen Teilnehmer*innen geführt. Im Idealfall können die Urheber*innen der ausgestellten Werke an diesen Veranstaltungen teilnehmen, auch wenn sie nicht vor Ort sind. Besonders vorteilhaft ist diese Art von Führung auch für Personen, die mobilitätsbedingt nicht teilnehmen können oder aufgrund des Habitus zu schüchtern sind und durch eine unsichtbare Teilnahme per Zoom diese Erfahrung erproben können (vgl. Interview mit Young Krillin in dieser Ausgabe und unveröffentliches Interview mit Anita Thanhofer, 04.06.2019). (*27)
Diese Beispiele zeigen, dass in Salzburg punktuell bereits mit digitalen Möglichkeiten experimentiert wird. Allerdings braucht es langfristig angelegte Programme, um ältere Personen Grundlagen der Nutzung von Computern, Smartphones und Internet zu lehren und sie zur Autonomie in diesem Bereich zu ermächtigen. Ein Beispiel aus Perth, Australien zeigt, wie ältere (migrantische) Personen eine Zunahme an Autonomie, Partizipation, Würde und Information erfahren, wenn sie mit passenden Methoden Internetnutzung erlernen.
The Internet Café (vgl. Millard et al. 2018: 144-148) (*18) ist ein von NGOs initiiertes Projekt in Perth, Australien, in dem ältere Migrant*innen Digital Literacy Skills erlernen. Die Initiative hat nicht nur die Unterstützung zum gesellschaftlichen Engagement (Civic Engagement) und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben im Alter zum Ziel, sondern auch die Förderung von Gesundheit, Vitalität und Lebensqualität älterer Personen. Die Teilnehmer*innen haben einerseits gemeinsam, dass sie sich weit weg von ihren Geburtsorten befinden und andererseits durch die verstärkte Mobilität ihrer Kinder von diesen räumlich entfernt sind. Gleichzeitig haben sie kaum bis keine Erfahrungen mit digitalen Kommunikationstechnologien. Statt eines formalen Vermittlungsformates, womit die Initiator*innen zu Beginn keine Erfolge verzeichnen konnten, wird auf soziales Lernen gesetzt, im Zuge dessen Teilnehmer*innen in ständigem Kontakt und Austausch miteinander stehen sowie von einer intensiven Betreuung vor ihren jeweiligen Geräten profitieren. Im Gegensatz dazu schürten formale Formate Ängste, Überforderung und Ohnmachtsgefühle (vgl. Millard et al 2018: 146). (*18) Die Initiator*innen haben eine Methode entwickelt, die das Schamgefühl sowie Gefühle der Unfähigkeit oder Inkompetenz obsolet machen, indem Teilnehmer*innen ihre persönlichen Ziele mit den Leiter*innen teilen und auf dem Weg dahin diskret gefördert und begleitet werden. So wird gewährleistet, dass jede Person in ihrem eigenen Tempo und im Einklang mit ihren eigenen Bedürfnissen lernt. Typischerweise sitzen Teilnehmer*innen in Gruppen von zwei bis vier Personen und unterstützen sich gegenseitig. Mit steigender Erfahrung und Selbstvertrauen beginnen die Gruppen, mit Funktionen und Programmen zu experimentieren. Besonders mit Social Media-Plattformen funktioniert dies gut, die von den Teilnehmer*innen insbesondere zur Pflege familiärer und sozialer Kontakte gerne genutzt werden, sodass vor allem intergenerationaler Austausch gefördert wird. Wenn Teilnehmer*innen aufgrund von Krankheit verhindert sind, kommt es öfter vor, dass sie per Skype teilnehmen – zumindest jene, die die technischen Möglichkeiten in ihrer Wohnsituation haben.
Dilara Akarçeşme ( 2019): Digitalisierung als Tool zur Navigation durch ausschließende Kunst- und Kulturwelten im Kontext von Migration & Alter. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/digitalisierung-als-tool-zur-navigation-durch-ausschliessende-kunst-und-kulturwelten-im-kontext-von-migration-alter/