„Eigentlich eine einfache Antwort: ‚Alle’ ist ‚alle’“
Monika Schmerold im Gespräch mit Dilara Akarçeşme über Enthinderung im Kunst- und Kulturbereich als Menschenrechtsaufgabe
Da würde ein weiteres Modell ansetzen, die persönliche Assistenz. knack:punkt hat mit nur 18 Personen ein Pilotprojekt umgesetzt. Wir arbeiten daran, dass es in den Regelbetrieb kommt. Es ermöglicht Personen rauszukommen und wo hin zu fahren. Mit Assistenz ist das alles viel einfacher. Ich erlebe das selbst, mit Assistenz habe ich eine viel größere Freiheit und mehr Selbstbestimmung. Das ist eine wichtige Grundlage für die Teilnahme an Kunst und Kultur. Also man sieht schon, es ist einfach ein weites Feld. Es beschränkt sich jetzt nicht nur auf die zwei Themen, die Ihnen wichtig sind, sondern es greift auch in die Politik und die Strukturen ein, die man Menschen mit Behinderungen bietet und es wäre wichtig, dass da auch etwas gemacht wird, auch bezüglich finanzieller Unterstützung für Menschen, die in Werkstätten arbeiten. Wir haben ein Mitglied im Verein, der einen hohen Querschnitt hat und ein international bekannter Mundmaler ist. Man sieht da, dass grundsätzlich mit der zur Verfügung gestellten Assistenz alles möglich ist.
Welche Rolle spielen Ihrer Meinung nach die Zivilbevölkerung, Einzelpersonen, Lai*innen, Amateure in Bezug auf Kunst und Kultur für alle?
Es hat hauptsächlich mit der Haltung gegenüber Menschen mit Behinderung zu tun. Wir werden oft negativ dargestellt, das pflanzt sich in der Gesellschaft fort. Gerade Menschen mit Behinderung werden sehr oft angefeindet. Wir haben viele, die sich nicht wehren können, die sprachlich nicht dazu in der Lage sind und ihre Rechte nicht kennen.
Hier wirkt auch wieder das Stadt-Land-Gefälle. In der Stadt funktioniert es besser, dass Betroffene selbst sensibilisiert sind und ihre Rechte kennen. Je weiter wir in die Regionen gehen, desto weniger haben die Personen die Haltung: „Das ist mein Recht und das fordere ich jetzt.“ Am Land ist der Fürsorgegedanke weit verbreitet: „Wir machen eh alles für dich. Du brauchst nichts selbst entscheiden.“ Das haben wir teilweise in der Stadt auch noch. Im Verein etwa ist es schwierig, die Leute zu finden, die aufstehen und sagen: „Das passt nicht. Ich möchte das beanspruchen. Das muss geändert werden.“ Da sind die Leute oft noch sehr zurückhaltend. Wir müssen die Betroffenen selbst, also unsere Community schulen, was alles möglich ist und was man sich zutrauen kann. Ein weiterer Aspekt unserer Arbeit.
Weiters muss die Gesellschaft sensibilisiert werden, dass Teilnahme und Teilhabe für alle wichtig sind. Ich spreche jetzt hauptsächlich für Menschen mit Behinderung, aber man sieht, wie schwer es für manche Minderheiten ist, überhaupt teilnehmen zu können mit der derzeitigen Entwicklung in der Politik. Wir haben das im Bereich der Menschen mit Behinderung, dass man noch mehr angefeindet und beim Planen von Kunst- und Kulturveranstaltungen nicht mitgedacht wird. Es braucht immer Einzelinitiativen wie knack:punkt in Salzburg, wo ich sehr aufmerksam die Zeitung lese und sofort wahrnehme, wann wo etwas passieren sollte und ich sofort aufspringen und mich vorab einbringen muss, dass Barrierefreiheit mitgedacht wird. Manchmal nimmt man sich Expert*innen mit dazu, manchmal nicht. Das merkt man daran, ob Barrierefreiheit wirklich umgesetzt wurde oder nicht. Es hängt schon von den Einzelpersonen ab, vor allem von den Verantwortlichen, den Entscheidungsträger*innen. Es hängt davon ab, wie die jeweiligen Stellen besetzt sind. An diesen wichtigen Stellen bräuchte man viel mehr Menschen mit Behinderung, genauso wie bei Migrant*innen müssen Betroffene unbedingt miteinbezogen werden. Wenn es um Kinder geht, soll man auch Kinder miteinbeziehen, wenn man ein Kulturprojekt entwickelt, oder auch bei Kindern mit Behinderung.
Was muss getan werden, damit alle an den Salzburger Kunst- und Kulturangeboten teilnehmen und mitmachen können bzw. wo ergibt sich Handlungsbedarf?
Wie immer dreht es sich um Geld. Man braucht einfach Förderungen. Das Projekt Hunger auf Kultur finde ich gut. Das könnten wir noch ausweiten. Persönliche Assistenz ist ganz wichtig für Menschen mit Behinderung. Außerdem müssen Kultureinrichtungen und Veranstaltungen barrierefrei werden. Barrierefreiheit beginnt beim Parkplatz vor der Tür und geht bis zum Angebot von Strohhalmen für Pausengetränke.
Dilara Akarçeşme, Monika Schmerold ( 2019): „Eigentlich eine einfache Antwort: ‚Alle’ ist ‚alle’“. Monika Schmerold im Gespräch mit Dilara Akarçeşme über Enthinderung im Kunst- und Kulturbereich als Menschenrechtsaufgabe. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 10 , https://www.p-art-icipate.net/eigentlich-eine-einfache-antwort-alle-ist-alle/