Es braucht Quoten, weil sich sonst nichts ändern wird

Gin Müller im Gespräch mit Elisabeth Bernroitner

„Diversität im Kulturbereich heißt, ein gewisses Spektrum auf der Bühne einfach abzubilden”

Was verstehst du selbst unter Diversität? Gibt es Konzepte oder theoretischen Bezüge, die du damit verbindest?

Das Schlagwort Diversity oder Diversität kommt heutzutage bis in die höchsten Ebenen der Politik vor. Es hat absolut schon den Weg in den Mainstream gefunden. Für meine Arbeit bedeutet Diversität, mit einem breiten Spektrum an Menschen unterschiedlicher Hintergründe bzw. Backgrounds zu arbeiten, also intersektional sowohl in Bezug auf Gender und Migration als auch Klassen. Ich sehe den Begriff Diversity sehr stark auf diese Komponenten hin gedacht und natürlich auch mit dem Aspekt der Inklusion verbunden: Was heißt es, Zugänge zu schaffen zu verschiedenen Projekten und auch zur Teilnahme an verschiedenen Projekten? Und ich muss sagen, ich verorte mich dabei sehr stark an der ‚Quotenfront‘ – ich bin sehr für Quoten.

Das ist spannend – diese Thematik wird ja sehr unterschiedlich diskutiert …

Ich kann vor allem für den Theaterbereich sprechen und meine in erster Linie Institutionen, denn der freie Theaterbereich verändert und öffnet sich leichter als der institutionelle Bereich. Dort dauert es immer länger, bis sich etwas bewegt, die Maschine rattert sehr langsam. Um Veränderungen in Gang zu setzen, müssen meistens Maßnahmen von oben implementiert werden. Ich glaube, freie Theatergruppen tun sich da insofern ein bisschen leichter, als sie etwas autonomer agieren können. Es hat zum Beispiel schon eine Zeit gedauert, bis vermehrt Regisseurinnen erschienen sind, weil die Tätigkeit sehr männlich behaftet war. Mittlerweile hat sich das Verhältnis doch sehr geändert, würde ich sagen. Wenn man in die großen Häuser schaut, sind wahrscheinlich noch immer die großen Regie-Positionen, die VIPs oder auch die Intendanzen mehr in Männer- als in Frauenhand.

Aber trotzdem glaube ich, dass sich einiges geändert hat. Auch was Inklusion, Diversität von Migrant:innen betrifft, hat sich schon einiges getan im Theater. Ich glaube aber auch, dass sich ohne Zwang nicht so viel verändert hätte, weshalb ich klar für Quoten bin. Menschen sind zum Teil sehr bequem und es gibt viele Argumente und Ausreden, warum dann doch die andere Person ausgewählt wird. Ich glaube nicht, dass immer nur das Qualitäts-Argument zählen soll, denn Diversität im Kulturbereich heißt, ein gewisses Spektrum auf der Bühne einfach abzubilden.

Deine Erfahrungen stammen aus deiner langjährigen Arbeit im Feld und vermutlich aus der Beobachtung, dass diese Themen schon länger diskutiert werden, sich aber mit dem ausschließlichen Reden – über Machtpositionen und dergleichen – wenig verändert. Die Auseinandersetzung mit dem Thema Quoten braucht das genaue Hinschauen, wer in unseren zeitgenössischen Kulturinstitutionen, den Theaterhäusern, den Museen fehlt und welche Akteur:innen es braucht. Es stellen sich dabei aber auch Fragen der Identitätspolitiken.

Ich finde die Frage der Identitätspolitiken einen sehr wichtigen Punkt, auch was die Macht der Diversitätspolitik betrifft. Identitätspolitische Diskussionen sind notwendig, können aber auch sehr bestimmend und konfliktreich sein. Ich habe manchmal das Gefühl, dass sie das Einfordern von Diversität zum Teil wieder ein bisschen schwieriger gemacht haben, weil die Leute wieder mehr in ihren „sicheren“ Community-Bubbles bleiben. Eine Gratwanderung.

Gin Müller, Elisabeth Bernroitner ( 2022): Es braucht Quoten, weil sich sonst nichts ändern wird. Gin Müller im Gespräch mit Elisabeth Bernroitner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/es-braucht-quoten/