Es braucht Quoten, weil sich sonst nichts ändern wird

Gin Müller im Gespräch mit Elisabeth Bernroitner

“Wenn man wirklich diversitätsorientiert arbeiten möchte, muss man aktiv auf bislang unterrepräsentierte Gruppen und Communitys zugehen.“

Ja, genau. Kennst du – um noch einmal zurückzukommen auf Institutionen und die Kulturpolitik – Good Practices im Bereich von Diversitätsmaßnahmen?

Wenn man wirklich diversitätsorientiert arbeiten möchte, muss man aktiv auf bislang unterrepräsentierte Gruppen und Communitys zugehen. Man kann nicht erwarten, dass sie von selbst kommen. Ich bin auch der Meinung, dass man den Kunstbegriff immer wieder etwas in Frage stellen muss. Und zwar genau an der Schnittstelle von Kunst und Sozialarbeit.
Oft haben diejenigen, die Kunstdiskurse bestimmen, überhaupt keine diversen Hintergründe oder Lebensrealitäten. Ich finde, man muss diese Grenze immer mehr verschieben. Auch Vernetzung finde ich wichtig. Alle kennen sich zwar irgendwie, aber wir agieren immer noch sehr vereinzelt, was, glaube ich, auch etwas mit Konkurrenzdenken zu tun hat. Wien ist ja doch klein …

Sodom Vienna 2020/21 © Sarah Tasha Hauber

Sodom Vienna 2020/21 © Sarah Tasha Hauber

In welchen Bereichen und auf welche Weise glaubst du, dass D/Arts etwas bewirken und für den Kulturbereich und die Gesellschaft tun kann?

In der Vernetzung sehe ich eine zentrale Aufgabe, und darin, den Diskussionsprozess anzuregen. Die freie Szene reflektiert sich zum Teil relativ viel selbst, aber bis man wirklich in die Institutionen geht oder bei der Kulturpolitik etwas bewirken kann, ist es ein langer Weg. Ich habe oft das Gefühl, dass die Kulturpolitik Labels wie Diversität sehr schnell vereinnahmt und für sich selbst einsetzt. Dann ist „alles divers“ oder wird ein Begriff wie „Cancel Culture“ sehr schnell benutzt. Oft steckt sehr wenig Wissen um diese Begriffe dahinter. Dabei bräuchte es eigentlich einen progressiveren Dialog – es reicht nicht, wenn man sich immer nur ein progressives Schildchen umhängt.

Noch eine Abschlussfrage: Wie nimmst du von Wien aus den Kulturstandort Salzburg wahr und was fällt dir in Bezug auf Diversität im Kulturbetrieb zu Salzburg ein?

Salzburg und Diversität? Dazu fällt mir am ehesten noch die ARGEkultur ein. Ich habe das Gefühl, dass es dort es viele spannende Projekte gibt. Darüber hinaus ist für mich die Stadt Salzburg mit den Festspielen und einem höchstprivilegierten Mäzenatentum verbunden, das sich selbst feiert. Auch wenn der Diversitätsbegriff sicher schon bei den Salzburg Festspielen angelangt ist, treffen sich dort letztlich die abgehobenen oberen Zehntausend. Und im Gegensatz dazu ist die ARGEkultur eine der progressivsten Institutionen, die ich dort kenne.

Gin Müller, Elisabeth Bernroitner ( 2022): Es braucht Quoten, weil sich sonst nichts ändern wird. Gin Müller im Gespräch mit Elisabeth Bernroitner. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/es-braucht-quoten/