„Es geht darum, Möglichkeitsräume zu öffnen!“

Ein Interview mit Marty Huber, Steffi Müller und Klaus Dietl

Veronika Aqra: Und wenn wir jetzt zum Projektprozess, also der Zusammenarbeit mit dem BORG Mittersill übergehen, wie war das für dich in der Arbeit mit den Schülerinnen, das Prozesshafte versus die Ergebnisorientierung?

Steffi Müller: Ich glaube, da geht es Klaus und mir ähnlich.

Klaus Dietl: Ja, gedacht war es als prozessorientiert. Aber natürlich schwebt es immer mit, dass man ein Ergebnis braucht. Ich bin ja relativ spät eingestiegen. Also habe ich dann für mich eigentlich so zusammenklauben müssen: Wo bin ich jetzt, wer ist das, was haben sie schon gemacht, auf was soll es hinauslaufen? Und die Präsentation war schon Damoklesschwert-artig immer da. Das Schwierige ist, dann das gegenseitige Vertrauen zu finden, dass wir etwas ausprobieren und diskutieren. Da hatten wir ja eigentlich lange Zeit nichts Greifbares.

Laila Huber: Ja, wir hatten – gefühlt – wenig Zeit, und das „Damoklesschwert“ der Präsentation stand sehr wohl stark im Raum. Wir mussten also bis zu einem gewissen Grad darauf fokussieren, das etwas herauskommen muss. Es war schon offen, aber gleichzeitig auch sehr orientiert auf eine bestimmte Sache.

Marty Huber: Vielleicht verstehe ich es als philosophische Frage, aber kann etwas offen und geschlossen sein? Kann etwas offen sein und gleichzeitig vorhaben, ein Produkt zu werden? Ist das nicht ein Widerspruch?

Steffi Müller: Ich glaube, dass immer etwas herauskommt. Das ist mein Vertrauen in den Prozess. Deswegen hatte ich Lust mitzumachen, weil mir keiner gesagt hat, da muss jetzt das und das dabei herauskommen. Ich glaube, ich hätte Schwierigkeiten gehabt, wenn mir jemand gesagt hätte: „Am Ende der Woche soll so eine genähte Figur rauskommen.“ Ich würde mir dann denken: „Haben die überhaupt Bock zu nähen? Ist das überhaupt ihr Modus oder ihr Tempo?“

Marty Huber: Ich glaube, wir leben in einer visuellen Welt, wo es große Wertigkeiten gibt, was als repräsentativ gilt. Und ich denke, dass wir auch sehr große Vorstellungen haben, wenn etwas als „offen“ bezeichnet wird. Aber trotzdem glaube ich, dass diese Maschine in uns arbeitet, die sagt: visuelle Kultur, das ist schon was. Wenn wir jetzt z.B. sagen, wir sitzen alle Workshop-Tage in der Shoppingmall, und experimentieren mit Formen des Gehens, wie etwa mit dem „Schwärmen“…

Steffi Müller: …ich fände es super.

Marty Huber: Dann ist die Frage: Traut man sich das? Kann ich als Künstlerin sagen: Ich bestehe darauf? Und werden die SchülerInnen mit uns mitgehen, oder gehen die weg? Vielleicht ist es ihnen zu blöd und stellen sich die Frage: „Was mach ich hier?“ Oder wir sagen: Hey, ich häng hier ab mit euch.

Klaus Dietl: Ich glaube, die Frage ist, wie erleben sie es.

Veronika Aqra: Es ist ja öfter betont worden, dass das Prozesshafte eine große Rolle spielt, oder dass es darum geht, eine Plattform zu öffnen, wo sich dann was entwickeln kann, was deren Wünschen, Vorstellungen entspricht. Daran anknüpfend würde mich noch interessieren, inwiefern für euch überhaupt der Begriff oder die künstlerische Autorenschaft eine Rolle spielt.

Laila Huber: Im Kontext von kollaborativen Projekten.

Steffi Müller: Bei mir ist es insgesamt sehr gering. Ich habe eher lernen müssen, dass es für manche sehr wichtig ist und dass ich darauf achte.

Marty Huber: Das ist bei mir ganz unterschiedlich, weil ich ja auch viele Texte schreibe, da ist man sehr schnell in der Frage der Autor*innenschaft. Ich schreibe sehr wenig an kollektiven Texten, obwohl ich ganz viele Sachen kollektiv mache. Aber ich glaube Texte sind irgendwie anders bzw. habe ich wohl die Person noch nicht getroffen, mit der das so leicht gehen würde. Und dann schreibe ich auch meinen Namen hin, oder andere Namen. Es gibt ja auch performative Figuren, die anders heißen. Eigentlich schreibe ich viel anonymisiert im Netz, ohne Autorinnenschaft. Ich bin quasi eine lästige Twitterantin mit etwa 40 000 Tweets und ca. 1600 Followern. Diese Denk-Page ohne irgendwelche Freundinnen-Netzwerke habe ich wirklich bei Null angefangen, um zu schauen, wohin man kommt. Und in den kollektiven Zusammenhängen ist es teilweise egal, wer man ist, manchmal ist es aber schwierig, denn einer „alten Häsin“ wird automatisch eine wichtiger Anteil zugesprochen, aber da gibt es viele wichtige weitere Anteile. Hier muss man manchmal auch Dekonstruktionsarbeit leisten. Für die Leute ist es wichtig, um die Person zu identifizieren, die die Sprecherin ist für das und das. In der „Villa“  wollen wir zum Beispiel keine Präsidentinnen und Generalsekretärinnen, die ihre Funktion 20 Jahre lang ausüben, daher wechselt das alle zwei Jahre. Jetzt bin ich halt wieder im Vorstand. Und das wäre so ein Beispiel von kollektiven Entscheidungen. Wir lösen das andauernd auf. Da ist zum Beispiel die Frage der Repräsentation eine andere. Aber manchmal ist es auch ganz gut, dann einfach seinen Namen unter etwas schreiben zu können, etwa wenn man irgendwo etwas beantragt.

Elke Zobl, Laila Huber, Veronika Aqra ( 2016): „Es geht darum, Möglichkeitsräume zu öffnen!“. Ein Interview mit Marty Huber, Steffi Müller und Klaus Dietl. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 07 , https://www.p-art-icipate.net/es-geht-darum-moglichkeitsraume-zu-offnen/