Experimentansätze aus dem Reallabor: Über das Potenzial, spielerisch zu einer Kultur der Nachhaltigkeit zu inspirieren

Ein Bericht aus der Praxis

Der Wettbewerbscharakter diente dabei als Anreiz, um neue Ideen zu entwickeln oder vielleicht auch die eine oder andere Idee zu verwirklichen, die schon lange in Köpfen oder Schubladen schlummerte. Es ging außerdem darum, die Gemeinschaft in der Oststadt zu fördern, denn Nachhaltigkeit funktioniert am Ende nicht alleine. Die Idee, weitere Menschen einzuladen, zu inspirieren und mitzunehmen, war ein wichtiger Teil des Konzepts. Man könnte sagen, das Konzept hatte das Potenzial, eine Nachhaltigkeitscommunity zu den im Wettbewerb thematisierten Begriffen „Gemeinschaft“ und „Entschleunigung“ zu gründen.

Konkret wurden folgende Experimente umgesetzt:

  • Urban Gardening (Naschbeete für jede:n) kombiniert mit der Ansiedlung von Bienen
  • ein Experiment, in dem verschiedene Kunstformen angeboten wurden, um gemeinschaftlich dem Alltagsstress entgegenzuwirken
  • ein Experiment zum Sichtbarmachen der eigenen, nachhaltigen Konsumentscheidung durch ein Second-Hand-Label
  • und ein Nachbarschaftstreff, welcher das Ziel verfolgte, Projekte für mehr Gemeinschaft im Quartier zu entwickeln.*3 *(3)

Abbildung 2: Impressionen aus den NH-Experimenten

B) Klimaschutz gemeinsam wagen: Vorgefertigte Experimentideen umsetzen

In dem seit 2019 bis heute laufenden BMU*4 *(4)-Projekt Klimaschutz gemeinsam wagen!*5 *(5) wurden mit interessierten Bürger:innen zu den drei Themenfeldern Ernährung, Mobilität und Konsum klimafreundliche Alternativhandlungen und Alltagsroutinen – in Form von Selbstexperimenten – erarbeitet. Diese Selbstexperimente sollten anschließend von möglichst vielen Menschen durchgeführt werden. Neben der Erfassung der dabei erfolgten CO2-Äquivalent-Einsparungen lag ein weiteres Augenmerk auf einer gezielten Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung im Bereich Klimaschutz. Durch gemeinschaftliche Formate (etwa Workshops, Stammtische, Themenabende) sollten neu erarbeitete Handlungen gefestigt und etabliert werden.

In den Selbstexperimenten ging es darum, eigene (nicht nachhaltige) Alltagsroutinen bezüglich Ernährung, Mobilität und/oder Konsum zu hinterfragen und aufzubrechen, indem über mehrere Wochen (mindestens vier) eine Verhaltensänderung ausprobiert wurde. Die Selbstreflexion stand hier am Anfang des Prozesses. Während des Experimentierens konnte, wenn gewünscht, der Austausch mit anderen Experimentierenden dazukommen. Die Selbstexperimente wurden dokumentiert und zusätzlich wissenschaftlich begleitet. Fragebögen zu Beginn und Ende des Experiments gaben eine Hilfestellung zur Reflexion und lieferten Informationen zu Hürden und Erkenntnissen aus den Selbstexperimenten.

Es ging also darum, fertig entwickelte Experimente zu bewerben und Menschen zu gewinnen, die diese in ihrem Alltag umsetzen wollten. Das Ziel war es, Menschen dazu zu inspirieren, neue, nachhaltigere Handlungsweisen in den Alltag einziehen zu lassen.*6 *(6)

 

Abbildung 4 Überblick über die entwickelten Selbstexperimente in den drei Themenfeldern Ernährung, Mobilität und Konsum

Abbildung 3: Überblick über die entwickelten Selbstexperimente in den drei Themenfeldern Ernährung, Mobilität und Konsum

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Albiez, Marius (2021): Quartier Zukunft – Labor Stadt: Methoden im Reallabor I & II. Inputs im Rahmen der Fachtagung: Herausforderung Reallabor: Methoden | Übertragbarkeit | Impact. Karlsruher Transformationszentrum (KIT), Wuppertal Institut, StadtManufaktur (TU Berlin), im Rahmen des Netzwerk Reallabore der Nachhaltigkeit, 18.02.2021.

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Beecroft, Richard (2019): Das Reallabor als transdisziplinärer Rahmen zur Unterstützung und Vernetzung von Lernzyklen. Dissertation. Leuphana Universität Lüneburg, Lüneburg. Online verfügbar unter https://pub-data.leuphana.de/frontdoor/deliver/index/docId/1031/file/diss_2020_beecroft_richard.pdf, zuletzt geprüft am 22.10.2020.

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Beercroft, Richard; Trenks, Helena; Rhodius, Regina; Benighaus, Christina; Parodi, Oliver (2018): Reallabore als Rahmen transformativer und transdisziplinärer Forschung: Ziele und Designprinzipien. In: Rico Defila und Antonietta Di Giulio (Hg.): Transdisziplinär und transformativ forschen. Eine Methodensammlung. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, S. 75–99.

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Hauff, Volker (Hg.) (1987): Unsere gemeinsame Zukunft. [der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung]. Ungekürzte Ausg. mit e. neuen Vorw. zur dt. Ausg. Greven: Eggenkamp.

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Kopfmüller, Jürgen; Brandl, Volker; Jörissen, Juliane; Paetau, Michael; Banse, Gerhard; Coenen, Reinhard; Grunwald, Armin (2001): Nachhaltige Entwicklung integrativ betrachtet. Konstitutive Elemente, Regeln, Indikatoren. Berlin: edition sigma (Global zukunftsfähige Entwicklung – Perspektiven für Deutschland, 1).

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Meyer-Soylu, Sarah; Parodi, Oliver; Trenks, Helena; Seebacher, Andreas (2016): Das Reallabor als Partizipationskontinuum. Erfahrungen aus dem Quartier Zukunft und Reallabor 131 in Karlsruhe. In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 25 (3), S. 31–40. Online unter http://www.tatup-journal.de/downloads/2016/tatup163.pdf.

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MWK (2013): Wissenschaft für Nachhaltigkeit. Herausforderung und Chance für das baden-württembergische Wissenschaftssystem. Expertengruppe „Wissenschaft für Nachhaltigkeit“ – Bericht. Unter Mitarbeit von Uwe Schneidewind und Karin Boschert. Stuttgart. Online unter https://mwk.baden-wuerttemberg.de/fileadmin/redaktion/m-mwk/intern/dateien/pdf/Wissenschaft_f%C3%BCr_Nachhaltigkeit/Expertenbericht_RZ_MWK_Broschuere_Nachhaltigkeit_Web.pdf.

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Parodi, Oliver; Beecroft, Richard (2016): Reallabore als Einrichtungen der Nachhaltigkeitsforschung und Transformation – Wo, woher, wohin? In: Technikfolgenabschätzung – Theorie und Praxis 25 (3).

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Parodi, Oliver (2019): Wider eine Engführung des Reallabor-Konzepts. Eine Antwort auf „Die Grenzen der Erkenntnis im Reallabor”. In: Ökologisches Wirtschaften (2), S. 8–9.

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Seebacher, Andreas; Albiez, Marius; Parodi, Oliver; Quint, Alexandra; Zimmer-Merkle, S; Walter, I (2019): Wie Nachhaltigkeit möglich ist. Leporello, 3. Auflage.

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Quartier Zukunft; Parodi, Oliver; Trenks, Helena; Waitz, Colette; Meyer-Soylu, Sarah; Seebacher, Andreas; Quint, Alexandra (Hg.) (2020): Dein Quartier und Du – Nachhaltigkeitsexperimente im Reallabor zu Nachbarschaften, Bienen, Naschbeeten, Kreativität und Konsum: KIT Scientific Publishing.

„Das Quartier Zukunft – Labor Stadt ist ein transdisziplinäres Stadtforschungs- und Entwicklungsprojekt, angesiedelt am KIT, welches das Ziel verfolgt, die Karlsruher Oststadt exemplarisch in einem offenen, dialogbasierten und langfristig angelegten Prozess in ein nachhaltiges Stadtquartier zu transformieren. Im Mittelpunkt steht hierbei das gemeinsame Wirken der Stadtgesellschaft, vor allem der Bürger:innen. Die Transformation soll in einem Schulterschluss von Wissenschaft, Bürgerschaft, Politik und Privatwirtschaft erfolgen.“  (Meyer-Soylu et al. 2016: 32).

Genaue Beschreibungen der NachhaltigkeitsExperimente finden sich im Buch Dein Quartier und Du. https://publikationen.bibliothek.kit.edu/1000076132

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit

Mehr Informationen zum Projekt gibt es auf www.klimaschutzgemeinsamwagen.de und www.itas.kit.edu/projekte_mewa18_kia.php.

Alle Experimente sind auf der Website des Projekts detailliert beschrieben und können als Inspiration an anderer Stelle verwendet werden. www.klimaschutzgemeinsamwagen.de/selbstexperimente/

Sarah Meyer-Soylu, Colette Waitz ( 2021): Experimentansätze aus dem Reallabor: Über das Potenzial, spielerisch zu einer Kultur der Nachhaltigkeit zu inspirieren. Ein Bericht aus der Praxis . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 12 , https://www.p-art-icipate.net/experimentansaetze-aus-dem-reallabor-ueber-das-potenzial-spielerisch-zu-einer-kultur-der-nachhaltigkeit-zu-inspirieren/