BK: Sie bezeichnen das Feld als Handlungs- und Aktionsraum. Sie sprechen auch von konstellativen Anordnungen. Man ist nicht mehr Herr der eigenen Handlungen, sondern ist einer Anordnung unterworfen. Man ist Teil eines Ganzen.
EB: Ich beziehe mich da hauptsächlich auf Benjamin, der von der Konstellation des Sternenbilds ausgegangen ist. Man denkt dann nicht mehr in einer Form, sondern in Relationen. Das ist mir das Wichtige dabei. Es geht um die Bezüglichkeiten, die viel stärker in den Blick zu nehmen sind.
Wie geht es Ihnen dabei, wenn Sie das, worüber Sie schreiben, in Ihr methodisches Repertoire einbeziehen? Ist Nähe und Distanz dann eine Herausforderung?
BK: Ja, Nähe und Distanz stellen eine Herausforderung für mich dar. Während ich als Wissenschaftlerin versuche, das Feld aus der Distanz zu beobachten und Rückschlüsse daraus zu ziehen, begebe ich mich als Künstlerin direkt ins Feld, um es durch meine eigene Praxis zu erweitern. Die dabei gemachten Erfahrungen helfen mir, das das Feld von innen heraus zu verstehen. Dabei kommt der Reflexion meiner eigenen Handlungen ein wichtiger Stellenwert zu. In Ihrem Text fordern Sie, dass der Boden, auf dem man sich bewegt, mitgedacht werden muss. Inwieweit gehört die Selbstreflexivität zum Feldbegriff?
EB: Wenn man den Feldbegriff unter performativen Aspekten betrachtet, dann muss man die Selbstreflexivität, die mit einer repräsentationskritischen Sicht verbunden ist, einbeziehen. Ich meine also nicht den persönlichen Boden/Hintergrund, den man hat, sondern die Rahmungen, Perspektivierungen und Konzeptualisierungen, die man übernimmt und die einem erlauben, etwas so und nicht anders zu betrachten. Die Fähigkeit, etwas in einer spezifischen Weise zu betrachten bzw. zu erkennen, ist mit der Reduktion einer Mannigfaltigkeit verknüpft oder mit der Begrenzung formaler und inhaltlicher Möglichkeiten. Eine kritische Selbstreflexion verweist in Brüchen und Kerbungen auf diese latenten Möglichkeiten und versucht, wie es Foucault (2003: 215) (*2) formuliert hat, darauf hinzuweisen wie unsichtbar die Unsichtbarkeit im Sichtbaren ist. In einer gewissen Weise ist die Selbstreflexivität dann auch der Versuch einer Selbstdekonstruktion. Man hat seine blinden Flecken und sollte sich damit konfrontieren.
BK: Sie haben das Feld als Modell der Wissensproduktion und Wirklichkeitserfassung bezeichnet. Das sind große Begriffe. Wie kann ein Feld zu einem Modell der Wissensbildung werden und um welche Wirklichkeit geht es Ihnen? Welche Wirklichkeit kann überhaupt erfasst werden?
EB: Ich meine damit, dass sich beispielsweise eine WissenschaftlerIn einem (Gegenstands-)Feld zuwendet und dieses mittels verschiedener klassifizierenden und differenzierenden Methoden zu beschreiben sucht. Sie versucht einen Überblick zu gewinnen, indem sie das (Gegenstands-)Feld sozusagen vor sich bringt, es begrenzt, es mit anderen in Beziehung setzt oder abgrenzt. Zugleich agiert sie auf/in dem Feld. Das wissenschaftlich zu beackernde Feld ist insofern fern und nah. Die Gegenstände können als Objekte vor einem liegen und – ist man sozusagen im „Tun“, das heißt im Feld – können sie distanzlos nahe rücken. Wenn ich das Feld als Modell der Wissensbildung denke, dann ist es ein Modell, das sich seiner Grenzen bewusst ist, vielleicht in dem Sinne, wie es Bruno Latour beschrieb: „Die Wissenschaftler beherrschen zwar die Welt aber nur so weit, wie ihnen die Welt in Form zweidimensionaler, überlagerbarer und kombinierbarer Inskriptionen entgegenkommt.“ (Latour 2002: 41) (*3) Zu fragen ist dann, welche ethischen Schlüsse, aber auch welche Methoden die Wissenschaft aufgrund dieser Begrenztheit zieht.
Brigitte Kovacs, Elke Bippus ( 2017): Felder zeichnen als künstlerisch-wissenschaftliche Praxis. Elke Bippus im Gespräch. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 08 , https://www.p-art-icipate.net/felder-zeichnen-als-kunstlerisch-wissenschaftliche-praxis/