Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben
Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung
Interventionen als kritische künstlerische Praxis
Kulturelle Interventionen werden als impulsgebende, kulturelle Akte des Eingreifens in gesellschaftliche Prozesse und des kulturellen Gestaltens und Mitbestimmens gefasst, um sozialen Wandel zu initiieren. Laut Kristina Volke bedeutet der Begriff der kulturellen Intervention „das absichtsvolle, geplante, auf konkrete Fragen und Rezipienten ausgerichtete kulturelle Handeln“. Dabei geht es darum, „Prozesse in Gang [zu] setzen, um ein Problem zu lösen, nicht aber Problemlösung selbst“ zu sein (2010: 12). (*32) Eine spezifische Form und Strategie sind dabei künstlerische Interventionen.
Das „Glossar der Interventionen“ definiert den sehr heterogenen Begriff der künstlerischen Intervention in seinen unterschiedlichen Anwendungskontexten: Demgemäß findet der Terminus in der bildenden Kunst in den letzten 20 Jahren seine Verwendung vor allem in Verbindung mit sozialen und politischen Anliegen, kulturellem Aktivismus, Kunst im öffentlichen Raum sowie informellen und subversiven künstlerischen Strategien (von Borries 2012: 126). (*31) Astrid Wege (2001) (*33) und Christian Höller (1995) (*7) unterscheiden hierbei zwei Arten der künstlerischen Intervention: Erstens jene, die primär politisch motiviert Machtstrukturen im Bereich der Kultur- und Medienindustrie durch gezielte interventionistische Aktionen stören, sowie zweitens künstlerische Interventionen, die vorwiegend sozial motiviert sind und gesellschaftlich marginalisierte Gruppen unterstützen, indem sie für deren Belange eine Öffentlichkeit schaffen und zur Verbesserung ihrer Situationen beitragen (vgl. Zobl/Reitsamer 2014). (*24) Der Begriff der künstlerischen Intervention wird jedoch auch kritisch betrachtet. So weisen Janna Graham und Nicolas Vass auf neutralisierende und instrumentalisierende Effekte hin (2014). (*6) Sie argumentieren klar für eine solidarische Zusammenarbeit zwischen KünstlerInnen, KulturarbeiterInnen und zivilgesellschaftlichen AkteurInnen bzw. mit Projekten sozialer Gerechtigkeit und sozialer Bewegungen.
Chantal Mouffe (2008, (*20) 2014 (*21)) wiederum stellt zentrale Bezüge zwischen Öffentlichkeiten, agonistischer Politik und künstlerischen Praktiken, insbesondere künstlerischen Interventionen, her. Für sie ist der öffentliche Raum ein Kampfplatz der Konfrontation verschiedener hegemonialer Projekte (2014: 141). (*21) Dabei spielen insbesondere Formen kritischer künstlerischer Praktiken („critical art“) eine wichtige Rolle, da sie zu einer Hinterfragung und Destabilisierung der Hegemonie beitragen können, indem sie visualisieren, was unterdrückt und durch den Konsens der post-politischen Demokratie zerstört wird (2008: 6ff.), (*20) und ein „Schlaglicht darauf werfen, dass es Alternativen zur gegenwärtigen postpolitischen Ordnung gibt“ (2014: 143). (*21) Die Hauptaufgabe künstlerischer Praktiken ist laut Mouffe die „Produktion neuer Subjektivitäten und die Ausarbeitung neuer Welten“ (ebd.), (*21) um den „Common Sense“ durch gegenhegemoniale Interventionen zu verändern (ebd.: 139). (*21) Mouffe weist aber auch auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin:
„Wenn künstlerische Praktiken bei der Schaffung neuer Formen der Subjektivität eine maßgebliche Rolle spielen können, dann deshalb, weil sie durch den Rückgriff auf Ressourcen, die emotionale Reaktionen auslösen, Menschen auf der affektiven Ebene anzusprechen vermögen. Hierin liegt die große Kraft der Kunst – in ihrer Fähigkeit, uns Dinge in einem anderen Licht sehen und uns neue Möglichkeiten erkennen zu lassen.“ (2014: 148) (*21)
Gerade im Kontext von kritischer Bildungsarbeit kommt dieser Funktion von Kunst eine wichtige Rolle zu: Denn wenn – vor allem marginalisierte und benachteiligte – Kinder und junge Menschen durch die Auseinandersetzung mit (kritischen) künstlerischen Praktiken auf der affektiven Ebene angesprochen werden und sie neue Erfahrungen in Bezug auf das kritische Verhandeln gesellschaftlicher Sachverhalte herstellen können, können sich dadurch ungewohnte Perspektiven und Handlungsräume eröffnen.
Elke Zobl, Laila Huber ( 2015): Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben. Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/fragen-verlernen-intervenieren-teilhaben/