Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben
Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung
Kontext Bildung: Kritische Kunstvermittlung *1 *(1)
Mit dem Ziel, kulturelle Teilhabe für möglichst viele gesellschaftliche Gruppen zu ermöglichen, wurden in der Kunst- und Kulturvermittlung zahlreiche strategische und methodische Instrumente entwickelt. In der kritischen Kunstvermittlung (vgl. u.a. Institute for Art Education 2013; (*12) Mörsch/Settele 2012; (*19) Schnittpunkt 2013; (*25) Sturm 2011) werden wichtige Fragen zum Lernen als Ergebnis hegemonialer Verhältnisse diskutiert und wie angelernte Praxis und gängiges Wissen aufgebrochen und erschüttert werden kann, um Räume für Dissens und Möglichkeiten des Unerwarteten zu öffnen (Sternfeld 2014). (*27)
Bildung verstehen wir*2 *(2) in der Tradition kritischer und radikaler Pädagogik, wie sie u.a. von Paulo Freire ([1970] 1978) (*5) und bell hooks (1994) (*8) geprägt wurde, als Prozess der Politisierung. In diesem Verständnis ist es Auftrag und Ziel von Bildung, dazu beizutragen, dass die Menschen jene Machtmechanismen erkennen lernen, die ihr Leben prägen. Denn diese Reflexion ist Voraussetzung, um darauf aufbauend Veränderungen (selbstermächtigend) initiieren zu können. Bildung wird in dieser Perspektive als gegenseitiger Lernprozess und kollaborative Wissensproduktion aufgefasst. Kritische Praxis bedeutet dabei, Theorie und Reflexion sowie das Erproben von Handlungsstrategien als zusammengehörig zu verstehen.
Seit dem „educational turn in curating“ (Rogoff [2008] 2012) (*22) sowie dem „educational turn in education” (Jaschke/Sternfeld 2012a: 18) (*11) tritt laut Jaschke/Sternfeld die Entwicklung von Kunstvermittlung als kritische Praxis unter Bezugnahme auf kritische und radikale Bildungsansätze in den Vordergrund. Im Zentrum steht dabei die Frage „Wer spricht?“, das heißt: Wer erhält Sprechraum in den Kunstinstitutionen und wie können die Machtverhältnisse zu Gunsten der Veränderung von Sprechpositionen genutzt werden? (vgl. Jaschke/Sternfeld 2012a: 18f.). (*11)
In diesen Prozessen der Infragestellung von Sprechpositionen hat die Herstellung von Bedingungen für kollaborative Wissensproduktion eine zentrale Bedeutung: Es geht um das Anerkennen der Gleichwertigkeit unterschiedlicher Wissensformen, wie jener des Erfahrungswissens und des akademischen Wissens, sowie um die Thematisierung und einen bewussten Umgang mit ungleichen strukturellen Machtverhältnissen der beteiligten AkteurInnen (vgl. Landkammer 2012). (*13)
Carmen Mörsch hält in diesem Kontext fest, dass „Kunstvermittlung als kritische Praxis […] die Institutionen und Verhältnisse, in denen sie stattfindet, nicht unverändert lassen [will].“ (Mörsch 2012: 67). (*18) Diese Entwicklung einer kritischen Kunstvermittlung ist laut Mörsch meist mit einer Kritik an der „Ökonomisierung von Bildung, von künstlerischer Ausbildung und von institutionalisierter Wissensproduktion im Zuge des neoliberalen Umbaus westlicher Gesellschaften und ihrer Bildungsinstitutionen“ (ebd.: 68) (*18) verbunden. Sie beobachtet dabei neue Allianzenbildungen zwischen kritischen KuratorInnen, KünstlerInnen und VermittlerInnen im Versuch, die Institutionen von innen zu verändern und durch kritische Bildungsansätze Handlungsspielräume zu erweitern (vgl. ebd.: 69). (*18)
Elke Zobl, Laila Huber ( 2015): Fragen, verlernen, intervenieren, teilhaben. Kulturelle Interventionen und kritische Kunstvermittlung. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 06 , https://www.p-art-icipate.net/fragen-verlernen-intervenieren-teilhaben/