Friends Quartett
Ein Projekt im Rahmen von „900 Million Friends? Social Media im Kunst- & Kultursektor“ (Florian Bettel gemeinsam mit ohnetitel – Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte)
4. Das Friends-Quartett
4.1. Projektentwicklung
Beim Friends-Quartett handelt es sich um ein Kartenspiel, das auf Basis von Facebook und dem Spiel Supertrumpf entwickelt wurde. Das Projekt begann zunächst mit Überlegungen zum Anmeldeformular auf den Social Media Plattformen. Möchte man z.B. bei Facebook Mitglied werden, muss man sich zunächst mit der Angabe des richtigen Vor- und Nachnamen*5 *( 5), des Geschlechts, des Geburtsdatums sowie einer gültigen E-Mailadresse registrieren. Ist der neue Facebook-User erfolgreich eingeloggt, kann das Profil eingerichtet werden. Es können Kontaktinformationen wie E-Mail, Telefonnummer und Skype, Messenger, ISQ u.a. sowie eine kurze Selbst-beschreibung, ein Lieblingszitat, Angaben zur schulischen und beruflichen Laufbahn und zu Familie und Beziehung gemacht werden. Persönliche Interessen wie Musik, Bücher, Film und Fernsehen werden durch Drücken des „Gefällt mir“-Buttons auf der Facebook-Seite des Künstlers mit den entsprechenden Informationen gefüllt. Ein Profilbild, Fotos, „Wie fühlst du dich, …?“ und andere Pinnwandeinträge komplementieren das Userprofil. Es ist eine Mischung aus Präsentationsvorgaben von Facebook und der begrenzten, durch das „über mich“-Feld aber doch vorhandenen Möglichkeit der individuellen Beschreibung (vgl. Leistert 2011: 164 (* 5)). Es stellt sich aber die Frage, wie viel von der realen Person noch präsent ist. Nach Goffman spielt jeder Mensch eine Rolle, das Selbst, und versucht die Mitmenschen, die das Publikum sind, von seiner Darstellung zu überzeugen. Dafür hat jeder sein Repertoire aus Erscheinung, also Kleidung, Geschlecht, Alter, Gestik, Sprechweise etc. und Verhalten zur Verfügung (vgl. Goffman 1976: 21 u. 25 (* 4)). Im sozialen Netzwerk ist es ein Leichtes, sich so zu präsentieren, wie man gerne sein möchte, aber vielleicht gar nicht ist bzw. nur einen Teilaspekt des Selbst hervorzuheben.*6 *( 6) Neben authentischen oder geschönten Informationen können Facebook-Kontakte manches aber nicht teilen, wie auch Smith feststellte. Dazu gehören beispielswiese der Geruch oder die Körpersprache während einer Chat Unterhaltung. Wie kann dieser „Abfall“, also jene Informationen, die sich nicht über das standardisierte Formular vermitteln lassen, sichtbar gemacht werden? Die Idee war es zunächst diese Informationen für das Kartenspiel zu verwenden, bei dem die User an Hand dieser Kategorien auf ihre Attraktivität hin bewertet werden sollten. Dafür sollten Mitglieder des sozialen Netzwerkes z.B. den Geruch einer Person beschreiben. Auf Grund der Schwierigkeit, diese Form der Information zu artikulieren, und auch der möglichen unangenehmen Empfindungen fiel in der Gruppe aber die Entscheidung, für die Kategorien der Karten die Angaben des Facebook-Profils zu verwenden. Die Bewertung erfolgt jedoch nach umgekehrten Maß. Der für die Plattform am wenigsten profitable User sticht, sprich jener, der nicht so aktiv am virtuellen Sozialleben teilnimmt. Dies bedeutet, er nutzt weniger Anwendungen, drückt nicht so oft den „Gefällt mir“-Button, daher teilt er weniger Informationen und ist für Facebook weniger wert, denn obwohl Facebook damit wirbt, kostenfrei zu sein, bezahlt der User einen Preis: seine Daten. Mit jedem Klick werden zum Teil auch intime Informationen an den Betreiber weitergeleitet. Auch das Friends-Quartett erwartet von seinen Spielern einen Tribut. Derjenige, der eine Runde verliert, muss einen Freund aus seiner Liste löschen, oder ein Posting an seiner Pinnwand hinterlassen. Je nachdem, wie lange das Spiel dauert und wie viele Runden ein Spieler verliert, kann sich dies zu einer nicht unbeträchtlichen Anzahl verlorener Freunde bzw. einer exorbitanten, monotonen Auflistung an Statements summieren. Für diesen hohen Einsatz können die Spieler aber auch etwas gewinnen. Die Frage ist nur, wie viel ihnen ein Freund oder ihr virtuelles Image wert ist.
Birgit Ortner ( 2013): Friends Quartett. Ein Projekt im Rahmen von „900 Million Friends? Social Media im Kunst- & Kultursektor“ (Florian Bettel gemeinsam mit ohnetitel – Netzwerk für Theater- und Kunstprojekte) . In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 02 , https://www.p-art-icipate.net/friends-quartett/