„Geschichten ‚mit Zukunft‘. Super Food!?“ und „Stadt von morgen“

Einblicke in zwei Experimentierräume im Rahmen des Forschungsprojektes „Räume kultureller Demokratie“

Baustelle Zukunft

Im DIY-Labor der Münchner Künstler:innen Klaus Erika Dietl und Stephanie Müller vom Mediendienst Leistungshölle beschäftigte sich die Gruppe gemeinsam mit Fragen nach einem wünschenswerten Zusammenleben in der Stadt. Wie erleben wir in der Stadt Gemeinschaft? Wo schließt sie aus, wann engt sie ein? Wie können vorgegebene Pfade verlassen und Freiräume aufgemacht werden? Schnell ergriffen die ersten die Initiative und begannen mit den vorhandenen Materialien und Werkzeugen ihre Ideen umzusetzen. „Ich werde mir wohl eine Nähmaschine kaufen“, resümierte ein Teilnehmer, und präsentierte stolz einen Sitzpolster und eine Transporttasche für sein multifunktionales Mini-Klappsitzteil, gebaut aus Holzresten. In der Stadt gibt es seiner Ansicht nach zu wenig Möglichkeiten, die zum Verweilen einladen. Ganz im Sinne von Upcycling und Zero Waste nahm eine Teilnehmerin ihre alte Hose als Ausgangspunkt und begann die Risse mit farbenfrohem Garn und alten Stoffresten zu reparieren. Auch Zukunftsvisionen nahmen einen großen Raum in den Projekten ein. So malte eine junge Frau ihre Inszenierung einer Stadt, wie sie sich diese wünscht.
Teilnehmer:innen der Lebenshilfe stellten vor allem das Thema der Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in den Mittelpunkt ihrer Arbeiten. Ein Teilnehmer entwarf eine durch Wasserkraft betriebene Zahnradbahn, die den Transport zwischen Hallein und Salzburg auf dem Wasserweg möglich machen solle. Dass Fortbewegung auch ohne Straßen auskommt, zeigte auch der Luftkissenbus, den ein Teilnehmer der Lebenshilfe in Modellform mit Luftballons, Karton, Stoff und Farbe umsetzte.

Wer spricht mit, und wem wird überhaupt zugehört, wenn es um Stadtplanung, Nutzungsmöglichkeiten und Veränderung geht? Im Zuge des Workshops wurde immer deutlicher, dass es wichtig ist, sich mit diesen Fragen auseinanderzusetzen; so wurde der urbane Raum schlussendlich zum Rohbau für gemeinsame Zukunftsvisionen.

Fotos: Timna Pachner

Baue, wo du stehst!

Im DIY-Labor von und mit dem Künstler und Aktivisten Tomash Schoiswohl aus Wien arbeiteten die Teilnehmer:innen mit Karton, mit dem Abfall der zunehmenden Paketflut. Die Themen waren: Zustellung, Transport, Lieferdienste, der Kult um Geschwindigkeit, die Beschleunigung des sogenannten „letzten Kilometers“. Wie stark beeinflusst die Dynamik hinter solchen Prozessen unseren Alltag, wie verändert sie den öffentlichen Raum? Wie kann man Widerstand ausüben, Prozesse rücksichtsvoller gestalten und eine demokratische Öffentlichkeit herstellen? Sinnbilder dieser Fragen wurden eine gigantische Schnecke, ein kaputtes Fließband und ein Chaos-Objekt, zusammengesetzt aus einzelnen Karton-Bauteilen. Dadurch sollte an den Slogan der Geschichtswerkstätten angeknüpft werden, die in den 1970er und 1980er Jahren mit „Grabe, wo du stehst“ eine reflexive und aktivistisch-involvierte Untersuchung von Arbeit, Alltag oder von Stadtteilen meinten. Die abgewandelte Parole dazu lautete: „Baue, wo du stehst!“

Bevor die Karton-Konstruktionen jedoch im öffentlichen Raum erprobt wurden, ging es in die Küche: Denn mit der Aktion sollte nicht nur durch Blockaden eine Entschleunigung passieren, sondern sie sollte auch mit dem Angebot verbunden werden, sich Zeit für ein Glas selbstgemachten Apfelkompotts zu nehmen. Die mit Kompott befüllten Gläser landeten schließlich in einem Einkaufswagen und wurden ein wichtiges Element des gemeinsamen Rundgangs in der Innenstadt. Fußgänger:innen begegneten der Aktion durchwegs wohlwollend. Ein Teilnehmer der Lebenshilfe erzählt: „Die Passanten waren sehr interessiert, was wir da machen. Und dass wir da mit einer Kartonschnecke durch die Altstadt gehen, das finde ich voll super. Da reagieren die Leute sehr positiv und fragen: Was macht ihr da? Die sind wirklich interessiert dagestanden und haben geschaut, was passiert da jetzt!“

Katharina Anzengruber, Timna Pachner, Elke Zobl ( 2022): „Geschichten ‚mit Zukunft‘. Super Food!?“ und „Stadt von morgen“. Einblicke in zwei Experimentierräume im Rahmen des Forschungsprojektes „Räume kultureller Demokratie“. In: p/art/icipate – Kultur aktiv gestalten # 13 , https://www.p-art-icipate.net/geschichten-mit-zukunft-super-food-und-stadt-von-morgen/